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Russland zweifelt an Europas Strategie Kein Ersatz für Gas aus Russland? Warum LNG Europa in Energiekrise nicht hilft

LNG Gas Russland Europa

Projekte, die verschiedene Länder in Europa initiiert haben, um Gas aus Russland zu ersetzen, könnten nicht helfen, die Krise der Brennstoffknappheit mit LNG Gas zu bewältigen, äußerten Experten gegenüber der russischen Zeitung Iswestija. Insbesondere betreffe das den Bau zusätzlicher Terminals für den Import von LNG in Deutschland, das unter den EU-Ländern am stärksten von russischem Gas abhängig sei. Die Kosten dafür hätten sich auf 6,5 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Darüber hinaus sollen Spanien, Portugal und Frankreich der Europäischen Union bis zum 15. Dezember einen Projektplan für den Bau einer Pipeline zum Transport von Wasserstoff und Gas vorlegen. Nach russischer Lesart dauert die Umsetzung dieses Infrastrukturvorhabens zur Bewältigung der Energiekrise in der EU viel zu lange.

Terminals für LNG Gas kosten Deutschland mehr als das Doppelte

Die Kosten für die Anschaffung und den Betrieb von schwimmenden Flüssigerdgas-Terminals erhöhten sich von rund geplanten 3 Milliarden auf 6,5 Milliarden Euro, berichteten Medien im November. Der Kostenanstieg sei „aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Situation notwendig“. Zusätzliches Geld für die Terminals habe der Haushaltsausschuss des Bundestags gerade erst bewilligt. „Mittlerweile konnten in umfangreichen Abstimmungen mit zahlreichen Akteuren weitere Kosten bestimmt und zunächst prognostizierte Kosten konkretisiert werden“, erklärte dazu das Bundeswirtschaftsministerium. Das gelte etwa für die Betriebskosten und Kosten für zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen an Land.

Einen weiteren Kostenblock bilden die Chartergebühren der Terminals. Nach Unterlagen des Haushaltsausschusses mussten zwei der Terminals für 15 Jahre statt für zehn Jahre, wie ursprünglich geplant gechartert werden. Deutschland habe demnach zwar die Option verhandelt, den Zeitraum auf zehn Jahre zu verkürzen, müsse darüber aber schon im nächsten Jahr entscheiden. „Die Ampelkoalition hat sich mit der alternativlosen Nutzung von LNG-Gas erpressbar gemacht und muss jetzt Milliarden draufzahlen“, kritisierte der Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven Christian Kindler setzte dem entgegen, dass die Gasversorgung kurzfristig zu sichern sei, aber keine fossilen Überkapazitäten entstehen sollten und mahnte daher „mehr Klarheit über die Kosten und Risiken der LNG-Projekte“ an.

Läuft der deutsche Infrastrukturausbau nach Plan kann nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums bis zum Winter 2023/2024 etwa ein Drittel des Gasbedarfs in Deutschland mit LNG-Importen gedeckt werden. 2021 lag der Gasbedarf bei 90,5 Milliarden Kubikmeter Gas. Erst jüngst im November wurde das erste schwimmende LNG-Terminal in Wilhelmshaven fertiggestellt. Es soll im Dezember den Betrieb aufnehmen. Im letzten Jahr bezog Deutschland aus Russland noch 50 Milliarden Kubikmeter Gas. Um diese Menge komplett zu ersetzen, sind folglich hohe Einsparungen nötig. Sofern keine extrem niedrigen Temperaturen auftreten, komme Deutschland gut durch diesen Winter, zeigte die Initiative Energien Speichern e. V. (INES) in aktuellen Szenarien für die Gasversorgung. Die mögliche Neubefüllung der Speicher werde von der Verfügbarkeit von LNG für den EU-Binnenmarkt bestimmt.

Der grüne Energiekorridor in Südeuropa kommt zu spät

Bemühte sich darüber hinaus der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz auf seinem Spanienbesuch im Oktober noch um die Wiederaufnahme des Baus der Gasleitung Midcat über die Pyrenäen, war der hier beschlossene Aktionsplan zwei Wochen später Makulatur. Frankreich, Spanien und Portugal einigten sich auf einen grünen Energiekorridor, auf dem Erdgas und Wasserstoff von Barcelona bis nach Marseille BarMa transportiert werden soll. Ebenso ist eine Verbindung zwischen Celourico da Beira und Zamora geplant. Mit Blick auf die LNG-Terminals an den Küsten Spaniens und Portugals ist dies laut Regierungsbeschluss die effizienteste Anbindung der Iberischen Halbinsel an Mitteleuropa. Außerdem gibt es von Spanien aus zwei Gasleitungsanschlüsse an das Lieferland Algerien.

„In Spanien steht die Energiekrise im Gegensatz zu Deutschland und den osteuropäischen Ländern nicht im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine. Das Königreich ist energetisch von Algerien abhängig, das aufgrund der Haltung Madrids zum Konflikt in der Westsahara die Lieferungen reduzieren wird. Jetzt muss Spanien die fehlende Menge an LNG aus Amerika ersetzen, aber das reicht nicht aus“, hielt dem Jekaterina Tscherkasowa vom Nationalen Forschungsinstitut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften. Hinzukämen kritische Stimmen in den eigenen Reihen, die vor mehr Abhängigkeit von Erdgas warnen. Auch der Umsetzungszeitraum bis 2030 könne Europa kaum helfen, die Energiekrise zu überwinden. Neben dem Timing irritieren Experten ebenfalls ungerechtfertigte Kosten.

Mangel an LNG-Angebot erstreckt sich weltweit

Der Bau von neuer Energieinfrastruktur werde den EU-Ländern einschließlich Deutschland nicht helfen, die Energiekrise zu bewältigen, erklärte Juri Juschkow, Analyst beim Nationalen Energiesicherheitsfond und Experte an der Finanzuniversität der russischen Regierung. Die Europäische Union versuche, die LNG-Infrastruktur zu entwickeln, um die Energiekrise zu überwinden. Doch in Wirklichkeit handele es sich um eine Mangellage. Im Prinzip sei weltweit wenig Gas verfügbar und niemand verfüge über zusätzliche Mengen. „In den kommenden Jahren wird das Problem der Ressourcenknappheit nicht gelöst. Neue LNG-Projekte, d.h. Anlagen zur Brennstoffverflüssigung, werden erst 2026-2030 in Betrieb genommen, und erst dann werden zusätzliche Mengen erscheinen“, prognostizierte Juschkow.

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Einen ähnlichen Zusammenhang zum LNG-Angebot sieht auch Sebastian Gulbis, Partner beim Energieberatungsunternehmen Enervis. Im Interview mit ntv.de erklärte er: „Wenn wir in Europa unsere Regasifizierungs-Kapazitäten weiter ausbauen, also noch mehr LNG importieren als bisher, aber das LNG-Angebot nicht steigt, würde das derzeitige Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage weiter auseinanderklaffen. Wir gehen davon aus, dass die Verflüssigungs-Kapazitäten erst 2025/26 aufholen.“ Bis dahin könne sich die Lage noch weiter verschärfen. „Der Preis wird sich nur nachhaltig beruhigen, wenn auf dem Weltmarkt wieder ausreichend LNG verfügbar ist.“ Dafür müssten neben zusätzlichen Verflüssigungsterminals auch Gasfelder entwickelt werden, so zum Beispiel in den USA.

Europa treibt Preise beim LNG

Der russische Gaskonzern Gazprom beklagte am 22. November, dass die europäischen Länder den weltweiten LNG-Markt destabilisieren und die Energiesicherheit im globalen Maßstab gefährden würden. „Im Jahr 2022 verletzten einige Lieferanten angesichts eines erheblichen europäischen Aufschlags im Vergleich zu asiatischen Preisen ihre Verpflichtungen aus langfristigen Verträgen und leiteten LNG-Tanker nach Europa um, was in einer Reihe von Ländern im asiatisch-pazifischen Raum zu Krisensituationen führte“, so Gazprom. Ebenso seien die Vereinigten Staaten selbst in einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld nicht in der Lage gewesen, die Schiefergasproduktion schnell zu steigern. In den letzten fünf Jahren sei im Land kein einziges neues Vorkommen mit nennenswerten Produktionsmengen erschlossen worden.

Rekordpreise für Gas hätten außerdem nicht zu einem Anstieg der Zahl endgültiger Investitionsentscheidungen geführt, um neue LNG-Kapazitäten aufzubauen. Das Volumen der LNG-Projekte mit finalen Investitionsentscheidungen entspreche der durchschnittlichen jährlichen Rate der letzten zehn Jahre. Die Umsetzung neuer LNG-Projekte werde zugleich durch die Zurückhaltung der Käufer, vor allem durch europäische, wenn es um langfristige Verträge geht, erschwert. Die meisten Investoren und Käufer scheuten angesichts der Unsicherheit und Volatilität auf dem Gasmarkt Risiken. Wie Europa angesichts der Risiken auf dem LNG-Markt wieder mehr russisches Gas beziehen kann, dazu hat Gazprom keine schlüssige Antwort bereit. Ein Gashub in der Türkei kann die Liefermenge, die über die Ostsee einst möglich war, schwerlich ersetzen, zumal dies den Bau neuer Gasleitungen im großen Maßstab erfordern würde.



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10 Kommentare

  1. Na, wie kann man nur eine russische Expertin der Wissenschaft hier zitieren ? Da sind doch Experten aus dem Westen gefragt die Energiesituation vorherzusagen. Die würden das positiver sehen.
    Aber so schnell geht das bei uns nicht mit den Entscheidungen, dafür wird vorher umso mehr geredet und versprochen. Äußert sich jemand über die Preise ?? spielen gar keine Rolle, was ?
    Dumm nur wenn man jetzt langfistige Lieferverträge für LNG macht und dann könnten wir doch wieder Gas von Gazprom zum günstigeren Preis beziehen. Dann müssten alle Politiker die jetzt LNG den Voruzug gegeben haben ebenso verurteilt werden wie diejenigen die sich auf Russengas verlassen haben (was auch weiter kommen würde wenn wir keine Sanktionen gemacht hätten).

    Und das neue Gas wird viel Geld kosten. Die Terminals, neue Leitungen aus Spanien und Portugal und LNG selber.
    Wer bezahlt das ? Vorschlag :
    Der Soli wurde abgeschafft, es lebe der neue Soli. Machen wir einen Ukraine-Soli, oder ein LNG-Soli, oder ein Anti-Russland-Soli. An Namen soll´s nicht liegen, hauptsache Geld kommt rein. Das Volk kennt den Namen schon und Solidarität ist immer gut hat man ja schon in Corona Zeit durch Impfen eingefordert. War zwar ein unsinniges Vokabular, hat aber gut geklungen. Ging ins Ohr.

    1. @ Ottonorma
      So ganz haben Sie die aktuelle Situation nicht verstanden oder? Wir haben Gas aus Russland aus drei Gründen bezogen:
      1. günstige Energie für unsere Industrie, was uns Wettbewerbsvorteile erbrachte
      2. Ein intensiver Handel mit Russland nach dem Ende des Kalten Krieges erhöhte drastisch die Chancen, auch zukünftig im jeweilig eigenen Interesse Krieg zu vermeiden. Handel ist mit der beste Friedensstifter.
      3. Als Brückentechnologie für die Energiewende

      Da gab und gibt es nichts zu verurteilen (hörten man eigentlich nur aus dem Osten so etwas). Es war ein politisch geschickter Schachzug. Allerdings hat Merkel und ganz Europa tatsächlich zu stark auf diese Chancen einseitig und ohne Alternativen gesetzt. Das ging nun nach hinten los, weil die Russen ihr Gas als Waffe zur Verteidigung einsetzen. Spanien, wie wir ja oben in dem Artikel lesen können, hat trotz der Darstellung von Helmut offenbar auch ein Problem mit Abhängigkeiten. Das erkennt die Welt zunehmend und wird entsprechend reagieren.
      Gas aus Russland wird es, wenn jemals überhaupt, nur noch in geringen Mengen geben. Das ist sicher. Da könnte Gazprom das Gas auch kostenlos senden. Evt. östlich gelegene Mitgliedsstaaten (auch zukünftig). Sie kennen das Sprichtwort: “ Einmal reinfallen, kann passieren, zweimal ist eigene Dummheit.“

      Die Kernaussage des Artikels lautet damit: Vermutlich wird der Erdgasbedarf Europas, insbesondere Deutschlands nicht mit LNG alleine ausgeglichen werden können und sehr teuer werden.
      Und die Politik hat nun die Aufgabe, diese Chancen zu bewerten und nötige Antworten zu finden. Sollte sie das aus ideologischen Gründen nicht fertig bringen, wird dann im Bedarfsfall mehr und länger Kohle verstromt werden müssen. Die schlechteste Lösung, denke ich.

      1. Ach nein was Sie nicht sagen.
        Gut, die Ironie in der ich schrieb war zu fein für Sie.
        Aber immerhin hatten Sie den Versuch gestartet umständlich zu erklären das 1 +1 = 2 ist. Und es endet mit der Feststellung das LNG sehr teuer wird. Wow !! Bingo.
        Ja, immerhin richtig, auch Spanien hat Abhängigkeiten. Gas aus Algerien mit dem es aber wegen der Westsahara im Streit liegt.
        Im Grunde haben Sie zu meinem Kommentar – Sie wollten mich ja aufklären – ziemlich daneben geredet (was wollen Sie ständig mit dem Osten ??)

    2. Mal ein anderer Blick, das tut gut. Scholz hat heute ja sehr euphorisch verkündet, dass wir uns keine Sorgen um die Energieversorgung machen sollen.

  2. Recht homms, und die verehrte Frau Bollinger Kanne.
    Nicht verwand mit dem Bollinger Band.
    Der Gaszirkus steht im Zusammenhang mit der Rettung der Welt.
    Also mit der Aktion Co 2 runter. Des den Indern, den Chinesen, den Amerikanern am A….vorbeigeht.
    Nur mit Weltweiten Friedensbedingungen ist die Sache zu erreichen.
    Alle 3 Grosskopferden Länder müssten mit Ihrer Masche. i bin der King, aufhören.
    Miteinander statt Gegeneinander.
    Mist. Was mach mer mit dem Militär und derer Industrie?

  3. Ja, dann hat Putin doch wohl das Gas als Waffe eingesetzt, als Europa das Gas aus N2 nicht haben wollte, und unsere „Freunde“ sogar mit Vorankündigung die Gasleitungen „abgestellt“ haben. Und jetzt will er auch das Öl nicht mehr liefern, was Europa nicht mehr abnehmen will. Selbst die Kohle verweigert er ohne Bestellung zu liefern.
    Es ist einfach nicht zu fassen, was der Kerl sich einbildet.
    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. Oder Europa, Deutschland hat das als Waffe eingesetzt und zu Putin gesagt, „behalt doch dein Gas, Öl und Kohle, das wollen wir nicht“,
      so hab ich das noch im Kopf. Auch die CDU wollte schon im März komplett aussteigen.
      Hat aber nicht funktioniert. Und jetzt dreht man das Ganze um und sagt eben Putin habe das Gas als Waffe eingesetzt, und schon steht man wieder unschuldig da. Aber Putin ist jetzt auch nicht mehr schuld. Die Gasleitungen wurden ja gesprengt, und Polen hat die Gasversorgung über Jamal geschlossen – aber nein, sowas aber auch ! Wie verdreht man sich in diesem Fall um auch Putin die Schuld zu geben ?

  4. Helmut, Ottonorma…..ich gebe öffentlich hier meine Aufgabe bekannt. Es ist einfach sinn- und zwecklos gegen Engstirnigkeit und Unkenntnis zu argumentieren.
    Wenn ich mir in Zukunft vor Lachen bei entsprechenden Kommentaren auf die Schenkel klopfe, dann werde ich einfach nur kurz „Kein Kommentar“ schreiben :-)

  5. Man kann den Chinesen ja vieles unterstellen, aber keine kurzfristige Planung.
    Also sorgen sie erst einmal für eine Grundversorgung, während sie die „Erneuerbaren“ weiter ausbauen.

    China verdoppelt die Kapazität seiner Kohlekraftwerke – Blackout News

    https://blackout-news.de/aktuelles/china-verdoppelt-die-kapazitaet-seiner-kohlekraftwerke/

    1. Habe mal kurz nachgerechnet.
      Bei dem Kauf einer 12,5 kg spanischen Butangasflasche, für 18,58 Euro, kostet 1 KW Heizleistung knapp unter 12 Cent.
      Heizt aber kaum Jemand mit, denn heizen mit der Klimaanlage ist und bleibt (ausgenommen mit dem Holzofen) preislich unschlagbar.

      Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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