Bislang wurde intensiv thematisiert, dass die Geschäftsmodelle für die KI fehlen. Wird von den bisherigen IT-Innovations-Zyklen ausgegangen, kann man dieser Sichtweise zustimmen. Da sich die IT-Welt aktuell total neu aufstellt, ist es wichtig, diese Sicht zu hinterfragen.
Cloud-Infrastruktur schafft die Voraussetzung für Skalierung der KI-Anwendungen
Während technologische Durchbrüche wie die Mikroelektronik der 1970er und die digitale New Economy um 2000 zuerst von Großunternehmen genutzt und erst später kleineren Unternehmen zugänglich wurden, hat die Cloud diesen Prozess fundamental verändert: Heute können selbst Kleinstunternehmen von Anfang an KI-Technologien nutzen und oft schneller innovative Anwendungen entwickeln als große Konzerne. Entscheidend ist dabei, dass der Zugang zu leistungsfähigen KI-Modellen nicht mehr von der eigenen Infrastruktur abhängt, sondern durch Cloud-Dienste für jedes Unternehmen mit einer Internetverbindung verfügbar ist. Damit kehrt sich das Muster früherer Technologiezyklen um – nicht mehr die Kapitalstärke entscheidet über den Markteintritt, sondern die Fähigkeit, KI agil und kreativ in Geschäftsmodelle zu integrieren.
Big Tech: Bei Großunternehmen besteht die Gefahr der „Selbstblockade des Systems“
Ein großer Vorteil der Kleinstunternehmen ist, dass sie ohne personalbezogene Diskussionen KI-Anwendungen implementieren und nutzen können. Ihre Prozesse sind minimalistisch und somit schnell anpassbar. Während große Unternehmen diese Vorteile nicht haben und somit für die Umsetzung der KI die hierfür notwendige Geschwindigkeit nur schwerlich realisieren können. Tradierte Organisationsformen und auch Stakeholder Partizipation sind nicht auf Schnelligkeit ausgelegt, sondern auf Konsens aller beteiligten Akteure. Die Anforderung an die organisatorische Veränderungs-Schnelligkeit korrespondiert mit der Schnelligkeit der KI-Entwicklung. Somit besteht latent die Gefahr der „Selbstblockade des jeweiligen Systems“.
Die KI-Anwendungen sind in Echtzeit skalierbar
Wir haben es zwar immer noch mit einem Dreistufen-Modell zu tun, doch der Durchdringungsprozesse hat sich erheblich durch die Cloud verändert. Die Cloud ist die maßgebliche Infrastruktur. Wir sprechen deshalb auch von einer hybriden Entwicklung
Die heutige hybride Entwicklung:
a) Großunternehmen sind Infrastruktur-Lieferanten
b) Kleinunternehmen die schnellen Nutzer
c) Die Skalierung erfolgt in Echtzeit von „oben nach unten“
Mit der folgenden Dreistufen-These (Chip-Entwicklung → KI-Hardware-Plattformen → Kleinunternehmen als Nutzer) lässt sich dies gut beschreiben:
Stufe 1: Große Unternehmen entwickeln die Chips
Big Tech-Firmen wie NVIDIA, AMD, Intel, Google (mit den TPUs) und bald Unternehmen, die optische Chips entwickeln, treiben die Hardwareentwicklung voran.
Stufe 2: Große Unternehmen bauen Anwendungen darauf auf
Dell, HP, Lenovo, aber auch Microsoft, OpenAI und Google bauen auf diesen Chips KI-Anwendungen oder integrieren sie in Hardware-Produkte (z. B. Laptops mit dedizierter KI-Beschleunigung oder KI-gestützte Betriebssysteme).
Stufe 3: Kleinunternehmen können sofort profitieren
Die Cloud ist also der wesentliche Treiber der heutigen Schnelligkeit. Die Skalierung erfolgt in Echtzeit von „oben nach unten“.
Die KI geht ihre eigenen Wege – das ist in diesem Ausmaß neu für uns
IT-Unternehmen wie z.B. Google, Microsoft, Dell sind die aktuell die wichtigsten Kunden der Chip-Hersteller.
Diese IT-Soft- und Hardwarehersteller setzen schrittweise die KI anwendungsbezogen in ihre Produkte. Also in Produkten, die für den Endnutzer bestimmt sind.
Dies bedeutet konkret: Software ist out – Prompt ist in
Somit werden die Kleinstunternehmen direkt erreicht. Natürlich auch Agenturen, die diese adaptierten KI- Anwendungen in konkrete, also ohne weitere grundlegende Bearbeitung nutzen können. Diese werden nun dem Markt zur Verfügung gestellt. Derzeit etablieren sich Unternehmen, die sich genau auf diese Aufgaben spezialisiert haben.
Neu ist, dass diese auch Plattformen zur Verfügung stellen, auf der KI-Anwendungen nach Themen sortiert sind. Dies ist nun für die Kleinunternehmen ein wichtiger Schlüssel, um in die KI-Welt einzusteigen. Viele Vertriebs- und Marketing-Anwendungen stehen bereits zur Verfügung. Diese werden nahezu täglich verbessert und funktional erweitert. Gerade bei diesen Anwendungen ist die zunehmende Schnelligkeit für die Anwender gut erlebbar.
Auch die Programmierer sind davon betroffen. Sie müssen lediglich Anforderungen formulieren (=Prompt). Die Programmierung wird von der KI durchgeführt – in Sekundenschnelle. Nur für die Kontrolle braucht es noch eine fachkundige Person. Fehler oder Änderungen werden als Prompt (also in natürlicher Sprache) eingegeben. Gerade für die Kleinstunternehmen sind diese Anwendungen sehr wertschöpfend. Für die „Gamer-Generation“ ist diese Entwicklung nahezu ein Kinderspiel, da diese Software auf den Chips z.B. von Nvidia aufbaut. Diese „Kids“ sind bereits KI-sozialisiert.
IT-Revolution von unten nach oben – die Chance für die Kleinunternehmen
Was bedeutet dies? Kleinstunternehmen sind nun gefühlt viel schneller als große Konzerne. Sie brauchen u.a. nicht mehr die Software-Spezialisten, die sie ohnehin nicht bezahlen konnten. Die KI stellt ihnen diese Kompetenzen zur Verfügung.
Kleinstunternehmen sind somit in der Lage, sehr komplexe Fragestellungen selbst zu lösen. Dies wird die Skalierungsmöglichkeit der Geschäftsmodelle von kleineren Unternehmen erheblich vergrößern. Sie werden also Aufgaben, die bislang nur von Mittelständischen Unternehmen aufgrund deren Größe und somit vorhandener Kompetenz durchgeführt werden konnten, übernehmen. Diese Mittelständler werden natürlich dieses neue Skalierungspotenzial auch nutzen. Wir erleben schon derzeit still und leise, dass ausgehend von den kleinesten Unternehmen Wertschöpfungsstufe für Wertschöpfungsstufe die KI eingesetzt werden kann. Dies führt zu einem harten Kannibalisierungswettstreit.
Die Geschäftsmodelle verändern vertikal und horizontal
Die Zukunft wird von den Klein- und Kleinstunternehmen vorweggenommen. Die kommende Herausforderung für Mittelständische – aber auch sehr große Unternehmen wird hierdurch deutlich.
Heute sind Kleinstunternehmen aufgrund begrenzter personeller Kapazitäten und damit auch begrenzte Kompetenzen in Bezug auf ihre Geschäftsmodelle begrenzt.
Schon die aktuelle generative KI stellt Anwendungen für die Veränderung der derzeitigen Geschäftsmodell zur Verfügung. Diese Anwendungen zwingen diese Unternehmen, ihr Geschäftsmodell vertikal und horizontal zu ergänzen.
Die Wertkette wird weniger Stufen haben – das nicht zu erkennen ist ein fataler Fehler
Dies lässt sich an den kleineren Unternehmen aufzeigen: Sie werden sowohl horizontal auch vertikal aktionsfähiger werden. Und dies bei gleichen oder sogar geringeren Personalkosten. Sie werden also mehr Leistungen auf der Wertschöpfungskette (horizontal) und gleichzeitig auch vertikal anbieten können. Sie werden also die jeweils nächsthöhere Leistungsstufe attackieren können. Dies gilt für jede Stufe. Wir wissen nicht, welche Konsequenzen dies haben wird, denn die Anzahl der aktiven Stufen wird signifikant weniger werden. Dies nicht zu erkennen, wird sich sehr bald und damit schnell als fataler Fehler erweisen, der Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben wird.
Diese Wert-„Leiter“-Strategie setzt sich bis zu den großen Konzernen fort. Was wir in diesem Zusammenhang auch erleben werden, ist eine Verschiebung der aktuellen Machtverhältnisse in der Wirtschaft. Die aktuellen Intermediäre sind ja nichts anderes als eine Stufe der Wertleiter. Viele werden kannibalisiert werden. Für viele paradox, kleinere Unternehmen, die sich aktuell umstellen, werden überlebensfähiger sein als Großunternehmen. Denn für diese wird es strukturell schwieriger sein, dieser kommende Transformationsgeschwindigkeit Rechnung zu tragen. So werden ERP-Anwendungen, so wie wir sie heute noch kennen, in ein paar Jahren antiquarischen Charakter haben.
KI-Entwicklungsschübe sind aktuell sehr schnell
Ein Entwicklungsschub gibt es aktuell durch die KI-Agenten. „Die Entwicklung der KI-Agenten verläuft schneller als noch vor einem Jahr prognostiziert. Während Experten 2023 noch annahmen, dass autonome KI-Agenten erst in 5–10 Jahren marktreif sein würden, zeigen aktuelle Fortschritte, dass sie bereits jetzt einsatzfähig sind“ (ChatGPT)
Die folgende Grafik wurde von ChatGPT erstellt:
KI-Agenten sind autonome Softwareprogramme, die Aufgaben selbstständig ausführen, sich anpassen und Entscheidungen treffen können – oft ohne direkte menschliche Eingaben. Sie kombinieren maschinelles Lernen, natürliche Sprachverarbeitung und Prozessautomatisierung, um eigenständig Probleme zu lösen.
Fazit: KI-Agenten verändern die Wirtschaft radikal, weil sie nicht nur unterstützen, sondern auch eigenständig handeln – oft schneller und effizienter als Menschen.
Im nächsten Kommentar wird auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen dieser KI-Agenten eingegangen. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig, dass die Leistung der KI täglich steigt, die Preise sinken. Für die Kleinunternehmen ist dies ein Geschenk.
Deutschland ist sediert
Sogar die Fachwelt wird von der schnellen Entwicklung der KI überrollt. Die deutsche Regierung aber stellt sich bei diesem Thema tot..
Hinweis: Der Autor Ulrich Manz war über 25 Jahren Professor für Betriebswirtschaftslehre an verschiedenen Hochschulen. Er war Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von eCl@ss und Verfasser von mehreren Fachartikeln z. B. über Stammdatenmanagement und begleitet zahlreiche Praxisprojekte sowohl in kleineren als auch in großen Unternehmen. Er ist Gründer der IFCC GmbH. Nach dem Generationswechsel ist hieraus „entitys.io“ geworden. Heute ist es ein Cloud-PIM-Software-Unternehmen, mit Konzentration auf die Steuerung von Produktdaten. Der KI-Anteil nimmt auch hier rasant zu.
Kommentare lesen und schreiben, hier klicken
„Auch die Programmierer sind davon betroffen. Sie müssen lediglich Anforderungen formulieren (=Prompt). Die Programmierung wird von der KI durchgeführt – in Sekundenschnelle. Nur für die Kontrolle braucht es noch eine fachkundige Person“
Genau hier kann man eigentlich aufhören zu lesen. Die eigentliche Programmierung ist der kleinste Anteil an Arbeit bei Softwareentwicklung. Die viel komplexeren und aufwändigeren vorangegangenen und nachgelagerten Schritte kann die KI nicht wegnehmen. Das hat selbst Google schon erkannt…
Von welchen komplexen Schritten reden Sie genau? Wo hat Google Ihrer Meinung nach etwas erkannt? Haben Sie dazu eine Quelle?
Ich habe 1997 angefangen zu arbeiten, und die Diskussionen über das Internet klangen damals ganz ähnlich: „Amazon ist viel zu überschuldet! Nur Bücher mit niedrigen Margen verkaufen? Das ist keine nachhaltige Geschäftsidee!“
Wie Technologie effektiv eingesetzt wird, lässt sich am Anfang immer schwer voraussagen. Künstliche Intelligenz steht gerade erst am Anfang und betrifft momentan vor allem den Software-Bereich. Gleichzeitig arbeiten weltweit Unternehmen daran, Roboter zu entwickeln, die künftig einen Großteil der Produktion übernehmen werden.
KI verfügt bereits jetzt über das gesammelte Wissen der Menschheit. In Zukunft wird sie eigene Experimente durchführen und neues Wissen generieren – Wissen, das den Menschen vorher nicht zur Verfügung stand, auf das sie aber zugreifen können.
Schon heute wäre es möglich, Support- und Callcenter vollständig durch KI abzuwickeln. In der nächsten Entwicklungsstufe wird die KI dann in der Lage sein, eigenständig zu handeln: Systeme beeinflussen, konfigurieren, neustarten und viele andere Prozesse automatisieren.
Und warum wird davon nahezu nichts in Europa entwickelt?
Ja, warum wohl!
ich stimme durchaus zu, dass das Coding nicht der massgebliche Anteile bei der Softwareentwicklkung ist…wen Du das meintest….hast Du ein oder zwei Beispiele was Du meinst vor- bzw nachgelagerten Umfängen konkret meintest?