Anleihen

Kommentar: Draghi hat sich festgelegt!

Marktkommentar von Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK, zur EZB-Zinsentscheidung

Marktkommentar von Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK, zur EZB-Zinsentscheidung

Wie erwartet hat die EZB die Leitzinsen heute unverändert gelassen. Das Thema Zinsnormalisierung blieb im Vagen. Stattdessen folgt die EZB weiter ihrem Leitmotiv von „Geduld“ und „Vorsicht“.

Denn die Vorbereitung einer Zinsnormalisierung im Euroraum gestaltet sich schwierig. Schon Draghis Rede aus dem Juni, in der er erstmals vorsichtig Bewegungen in Richtung Zinsnormalisierung andeutete, heizte die Euro-Rallye nochmals richtig an und trieb den Euro auf fast 1,20 US-Dollar. Jetzt sind Formulierungen gefragt, die den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik ankündigen, ohne gleichzeitig weiteren Zündstoff für eine erneute Euroaufwertung zu bieten.

Die Argumente für eine Zinsnormalisierung liegen auf der Hand. Die Wirtschaft im Euroraum wächst in diesem Jahr mit rund 2 Prozent. Der Ausblick bleibt günstig: Viele Stimmungsindikatoren markieren zyklische Hochpunkte oder bewegen sich in deren Nähe. Auch der Arbeitsmarkt spielt mit. Die Arbeitslosigkeit liegt inzwischen unter ihrem langfristigen Durchschnitt, Tendenz weiter sinkend.

Darüber hinaus sind auch juristische Rahmenbedingungen zu beachten, wie die 33%-Grenze beim Ankauf von deutschen Bundesanleihen. Läuft das Rentenankaufprogramm weiter wie bisher, könnte diese Grenze bereits im Frühjahr 2018 erreicht sein, was die EZB zeitlich unter Druck setzen würde.

Auf der anderen Seite hat der europäische Süden eine Mehrheit im EZB-Rat, und diese Länder haben es nicht eilig. Hier muss Mario Draghi noch einige Überzeugungsarbeit leisten.

Wichtig ist auch das Signal der FED: Sie wird erst in rund 14 Tagen darlegen, ob und in welchem Umfang sie Anleihen aus ihrem Bestand wieder in den Markt gibt und ob im Dezember die Zinsen weiter steigen könnten. Nur wenn die FED entsprechende Signale sendet – wovon wir ausgehen – ergeben sich auch für die EZB größere Handlungsspielräume.

Heute hat sich Draghi festgelegt: Die EZB wird noch im Oktober über den Fortgang des Anleihekaufprogramms entscheiden. Die Kunst wird es sein, eine Zinsnormalisierung verbal einzuleiten, ohne eine weitere massive Aufwertung des Euro zu riskieren.


Foto: EZB



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1 Kommentar

  1. „Heute hat sich Draghi festgelegt: Die EZB wird noch im Oktober über den Fortgang des Anleihekaufprogramms entscheiden. Die Kunst wird es sein, eine Zinsnormalisierung verbal einzuleiten, ohne eine weitere massive Aufwertung des Euro zu riskieren.“

    Entweder hat FMW die Protokollpunkte falsch wiedergegeben oder dieser Chefvolkswirt fantasiert. Die EZB könnte im Oktober über den Fortgang des Anleiheprogramms beraten auch OHNE die Kunst zu beherrschen, eine Zinsnormalisierung verbal einzuleiten.

    Wie schrieb FMW: „Der EZB-Rat geht davon aus, dass die EZB-Leitzinsen für längere Zeit und weit ü b e r den Z e i t h o r i z o n t d e s
    N e t t o e r w e r b s von Vermögenswerten hinaus auf ihrem a k t u e l l e n
    Niveau bleiben werden.“

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