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Kommentar von Thorsten Polleit zur EZB-Entscheidung

EZB will Zins noch weiter absenken

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat auf seiner Sitzung am 25. Juli 2019 die Leitzinsen unverändert gehalten: Der Hauptrefinanzierungszins liegt bei 0,0%, der Einlagenzins bei –0,40%.

Die Erklärungen, die EZB-Präsident Mario Draghi heute vorlegte, haben die Erwartungen vieler Investoren vermutlich enttäuscht: Ein klarer Hinweis, dass die Zinsen gesenkt werden, blieb aus.

Dennoch meinen wir, dass der Zins sehr wohl und auch sehr bald weiter reduziert wird – und zwar auf der nächsten EZB-Sitzung im September.

Der Grund: Aus Sicht des EZB-Präsidenten fällt die Inflation “zu niedrig” aus, und die Euroraum-Wirtschaft sei zu schwach, und die Abwärtsrisiken steigen. Das dürfte reichen, um in den kommenden Wochen eine erste Leitzinssenkung zu “rechtfertigen”.

Aus unserer Sicht ist es wahrscheinlich, dass der Einlagenzins im September um 0,2 Prozentpunkte auf –0,60% abgesenkt wird; und auch der Hauptrefinanzierungszins könnte dann um 0,2 Prozentpunkte auf –0,20% herabgesetzt werden.

Die EZB wird dadurch viele Euro-Kreditmarktzinsen noch weiter in den Negativbereich drücken – und das hilft, das (heimliche) politische Ziel zu erreichen, die Schulden strauchelnder Staaten und Banken zu entwerten.

Wie weit kann der kurzfristige Euro-Zins abgesenkt werden?

Wir denken, die EZB strebt einen kurzfristigen Realzins von mindestens –2% an. Unsere Erwartung ist daher, dass der EZB-Leitzins in den kommenden 6 Monaten auf etwa –1% abgesenkt wird. Abzüglich einer Teuerungsrate von ungefähr 1,0% bis 2,0% wird sich der Euro-Realzins auf ungefähr –2,0% bis –3,0% einstellen.

Unter diesem Szenario werden die Banken vermutlich in der Folge auf breiter Front Negativzinsen für Euro-Bankguthaben in Form von Sicht-, Termin- und Sparguthaben erheben (müssen).

EZB-Präsident Mario Draghi ließ zudem verlauten, dass man über eine Neuauflage der Anleihekäufe nachdenke. Zudem arbeite man daran, das Inflationsziel der Konsumgüterpreise zu erhöhen: von bisher “nahe, aber unter zwei Prozent” auf künftig “2 Prozent”. Beides sind leider keine guten Nachrichten für die Kaufkraft des Euro!

Anleger aufgepasst!

Für Euro-Anleger ist die Botschaft klar: Der Kaufkraft des Euro geht es weiter an den Kragen.

Man ist daher gut beraten, seine Euro-Bankguthaben zu minimieren. Euro-Giroguthaben sollten auf die für Zahlungen benötigten Beträge zuzüglich einer “Vorsichtskasse” begrenzt werden. Termin- und Spareinlagen sind zu meiden – denn sie werden unter dieser EZB-Geldpolitik unweigerlich entwertet. Mit Blick auf die Anlage der “liquiden Mittel” bieten sich zum Beispiel die folgenden Ausweichmöglichkeiten an:

(1) das Halten von physischem Gold und

(2) das Halten von US-Dollar-Guthaben.

Die weltweiten Geldpolitik lassen einen Fortgang der Vermögenspreisinflation erwarten: insbesondere in den Aktien-, Häuser- und Grundstücksmärkten.

Langfristig gesehen (gemeint ist hier ein Zeithorizont von fünf und mehr Jahren) und bis auf Weiteres bietet sich daher das Investieren in einen Weltaktienmarktindex an.

Bei all dem sollte nicht übersehen werden, dass unter der Null- und Negativzinspolitik der Zentralbanken die Risiken im Welt-Kredit- und -Geldsystem anwachsen – und dass ein Platzen der Blase die Volkswirtschaften, insbesondere die Sparer und Unternehmen, sehr teuer zu stehen kommen wird – und das ist vielleicht das stärkste und wichtigste Argument für das Halten von Gold.

Mit freundlichen Grüßen

Thorsten Polleit
(Chefvolkswirt Degussa Goldhandel)



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