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Kommt jetzt die Santa Claus Rally? Euphorie mahnt zur Vorsicht

Frankfurter Skyline - Börse mit Rally zu Jahresende?

„Will that be a November to remember“? So schnell kann es an den Börsen gehen. Am vergangenen Donnerstag herrschte an den Börsen noch die Furcht vor den einbrechenden Produktionszahlen des verarbeiten Gewerbes, kaum jemand sprach von einer möglichen bevorstehenden Rally zum Jahresende. Dann kamen Freitag nachts die überraschenden Konjunkturzahlen aus China, die nicht nur auf eine Stabilisierung hindeuteten, sondern sogar auf Wachstum und am Freitag Nachmittag dann die Konjunkturdaten aus den USA. Besser als erwartete Arbeitsmarktzahlen und eine deutliche Aufwärtsrevision der Vormonate (plus 100 000 Stellen für August und September), dann der ISM-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe, der zwar noch unter 50 Punkten notierte, aber keinen weiteren Rückgang signalisiert – vor allem in der Erwartungskomponente. Dies hatte man befürchtet und er gesellt sich zu manch anderem stabilisierenden Indikator (auf niedrigem Niveau), wie ich es letzte Woche schon angemerkt hatte. Wie aus heiterem Himmel hatte sich die Stimmung gedreht und plötzlich war die Rede von einer Santa Claus Rally. Doch lässt die Entwicklung der letzten Tage und Wochen so einfach ein weiteres Durchstarten der Aktienkurse zu?

Die Reaktionen

Die Börsenreaktionen waren deutlich: Der größte Index der Welt, der S&P 500, sprang am Freitag mit 3065 Punkten auf eine sehr beachtete Marke und erreichte damit ein neues Allzeithoch und das 15. Hoch des so ungewöhnlichen Börsenjahres 2019. Neues ATH auch für den Nasdaq Composite, nur der Dow Jones blieb noch ganze 13 Punkte unter seiner Bestmarke. Aber dieser preisgewichtete Index ist eigentlich verzerrt, insbesondere derzeit, denn er gewichtet nominal teure Aktien besonders stark und seine teuerste, die Boeing-Aktie, hat bekanntermaßen mit dem 737 Max-Debakel große Schwierigkeiten.

Auch auf Weltebene gab es neue Jahresrekorde: Ein ETF (iShares EAFE) auf Europa, Australien, Asien und den Fernen Osten notierte auf einem neuen 52-Wochen-Hoch, genauso wie die Märkte in Japan und auch der Dax robbte sich am späten Abend bis ganz nah an die 13 000-Punkte-Marke heran. Also eine Entwicklung, die nicht nur auf die USA und China beschränkt blieb. Auch die Umsätze an der Wall Street haben zugelegt, 59,5 Millionen am Freitag auf den ETF – SPDR S&P 500, ein positives Zeichen bei steigenden Notierungen. Allerdings stiegen auch die Zinsen am Hypothekenmarkt. Nach dem Tief Anfang September von 3,82 Prozent auf 4,05 Prozent, für die Amerikaner, die ihre Immobilie als Kreditressource nutzen, nicht gerade unwichtig.

Mögliche Rally und die Warnzeichen

Die Mörkte sind überkauft, auch ein Rutsch beim Dax, kurzzeitig unter die Marke von 12800 Punkten, hat daran nichts geändert – nach dem 1000-Punkteanstieg im Oktober. Aber die neuen Hochs in den USA haben die Anleger euphorisch und sorglos zugleich gemacht. Ein Fear&Greed-Index von 80, also bereits auf extremer Gier, ist ein Alarmzeichen aus der Sicht der Behavioral Finance, der Psychologie der Anleger. Stand das Angstbarometer vor Monatsfrist nicht noch bei 34 Punkten, ergo auf der Stufe deutlicher Angst der Börsianer? Genauso wie der Volatilitätsindex VIX, der mit 12,32 Punkten auf extrem niedrigen Niveau wie Ende Juli vor der letzten Korrektur notiert, ein Zeichen großer Sorglosigkeit der Investoren, die eine Absicherung am Terminmarkt für nicht besonders wichtig erachten. Zusammen mit weiteren markttechnischen Zeichen einer Überkauftheit liegt eine Korrektur doch sehr in der Luft. Außer gewisse Adressen müssen in den Markt, wie am letzten Freitag angedeutet.

So langsam sollte nicht nur Klarheit über die Unterzeichnung des Phase-1-Deals kommen, aber was fast noch wichtiger wäre, ist das Datum 15. Dezember. Die Märkte erwarten eine Stornierung weiterer Zölle auf chinesische Waren, eine andere Entscheidung würde eine Rally abrupt stoppen.

Was bringt die neue Woche?

In der neuen Woche läuft die Unternehmensberichtssaison für die USA so langsam aus, gleichbedeutend mit dem Ende der Blackout Period, während sie bei den Dax-Werten so richtig in Fahrt kommt. Mit Adidas, Allianz, BMW, Deutsche Telekom, HeidelCement, Lufthansa, Munich Re, Siemens und Wirecard melden zahlreiche Unternehmen und es gibt in den Zahlen bestimmt weitere Hinweise für die Konjunkturaussichten Deutschlands zur Beantwortung der Frage: Könnte aus der technischen Rezession eine richtige werden?

Worauf man in dieser Woche aber besonders achten wird, sind die vielen Einkaufsmanagerindizes in der Kategorie Dienstleistung aus China, den USA und Europa, die bisher noch immer über der Wachstumsschwelle notiert haben. Wird dies weiter so sein und hält der weltweite Konjunkturanker? Aber auch das Verbrauchervertrauen der Uni Michigan am Freitag hat in diesen Zeiten eine größere Bedeutung als sonst, denn der 17 Billionen schwere Konsumsektor in den USA ist so etwas wie das Zünglein an der Waage in der Weltkonjunktur. Da fällt die Zinsentscheidung der Bank of England am Donnerstag schon fast unter den Tisch, da die große Fed-Entscheidung am letzten Mittwoch die mittelfristigen Weichen für eine akkomodierende Geldpolitik schon gestellt hat.

Fazit

Also, wird dies ein November werden, der in Erinnerung bleibt? Die Zeichen stehen nicht schlecht, aber bei aller Freude über die neuen Höchststände sollte man die Warnsignale zumindest kurzfristig nicht ignorieren. Insbesondere die Sentimentindikatoren mahnen deutlich zur Vorsicht. Auch wenn Faktoren wie weitere Aktienrückkäufe und ein Investitionszwang für die aktiven Fondsmanager (Window Dressing) zum Einstieg animieren, wird es nach meiner Einschätzung in Kürze zu einem Rücksetzer kommen. Klar hat der November eine gute Performance aus langfristiger Sicht und die Zahl der Tage bis zum Weihnachtsfest, wo viele Bücher der Großen geschlossen werden, schrumpft wie Schnee in der Sonne. Wenn da nicht die große Sorglosigkeit wäre (complacency).

Für eine Santa Claus Rally spricht insgesamt auch die saisonale Statistik, denn wenn es in den ersten neun Monaten eines Börsenjahres nach oben ging, beträgt die Wahrscheinlichkeit schon deutlich über 90 Prozent, dass dies auch im letzten Quartal so bleibt. Die Fondsbranche möchte schließlich den Jahresbonus sichern – außer ein kleiner schwarzer Schwan verhagelt die Bescherung.



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1 Kommentar

  1. Rallye MUSS sein jetzt!
    Plus Mediengetrommel, wie gut alles läuft.
    Lügel, Lügdeutsche, Tagesshow: Deutschland WELTSPITZE, die Konjunktur BRUMMT wie in liebestoller Bär!
    Denn der Michel MUSS seine Weihnachskäufe tätigen.
    Diesseits und jenseits des Atlantik.
    Häuser, Grundstücke, Segelboot und das Prada-Kostümchen für die Frau.
    Alles kaufen, kaufen, kaufen jetzt bitte.
    Börse und Manipulation sind Synonyme geworden in diesen Zeiten…

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