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Warum Lagarde die Zinsen doch schneller erhöht – klare Expertenaussage

Warum EZB-Chefin Christine Lagarde die Zinsen doch schneller erhöht als gedacht? Hier dazu die klaren Aussagen eines Top-Experten.

EZB Präsidentin Christine Lagarde hatte sich Anfang der Woche sehr klar geäußert. Die erste Zinsanhebung erfolgt im Juli, und die Negativzinsen enden im September. Aber die Frage bleibt offen: Wie oft wird die EZB in den nächsten Monaten Zinsen anheben, und in welchem Gesamtumfang? Dazu kann man natürlich verschiedener Meinung sein. Einige Experten gehen von einer deutlichen Zinswende für die Eurozone aus.

Experten sehen weiter steigende Inflation in der Eurozone

Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, betitelt seine heute veröffentlichte Analyse mit den Worten „Warum Lagarde die Zinsen doch schneller erhöht“. Die Inflationsrisiken in der Eurozone seien weiter gestiegen, und nächste Woche dürfte für die Eurozone eine Inflation von 8,0 Prozent veröffentlicht werden (aktuell bei 7,4 Prozent). Gleichzeitig hält sich das Wachstum in der Eurozone laut Dr. Jörg Krämer ganz gut. Auf der monatlichen Prognosesitzung habe man seine Makro- und Finanzmarktprognosen aktualisiert.

Top-Experten mit klarer Aussage – Christine Lagarde wird Zinsen schneller erhöhen

Laut Dr. Jörg Krämer wird die EZB sieben Zinserhöhungen bis zum Frühjahr durchführen. Denn das, was Christine Lagarde da am Montag verkündete, war seiner Aussage nach ein Paukenschlag: Dass der Negativzins bis Ende September enden soll, bedeute bis dahin zwei Zinsanhebungen im Einlagensatz von jeweils 25 Basispunkten (aktuell -0,50 Prozent). Außerdem habe Christine Lagarde für die Zeit danach Zinserhöhungen in Richtung auf das neutrale Niveau in Aussicht gestellt, das nach Aussagen von EZB-Ratsmitgliedern zwischen 1 und 1,5 Prozent liegt. Die Analysten der Commerzbank hatten diese ungewöhnlich klaren Aussagen von Christine Lagarde vom Montag zum Anlass genommen, ihre prognostizierten Zinserhöhungen nach vorne zu nehmen. Man erwartet nun auf jeder der kommenden sieben Ratssitzungen eine Erhöhung der Leitzinsen um 25 Basispunkte. Der Einlagensatz läge dann im Mai bei 1,25 Prozent!

Inflationsrisiken sind zuletzt weiter gestiegen

Laut Dr. Jörg Krämer hatte sein Expertenteam ohnehin mit dem Gedanken gespielt mehr Zinsschritte zu prognostizieren. Denn die Inflationsrisiken hätten zuletzt noch einmal zugenommen. Hier die dafür aufgeführten Gründe:

Für die Mai-Inflationsrate, die die Brüsseler Statistiker nächste Woche für den Euroraum veröffentlichen, zeichnet sich mittlerweile 8,0 Prozent ab – ein weiterer Anstieg um 0,5 Prozentpunkte verglichen mit April. Der unterliegende Inflationsdruck hat sich noch einmal verstärkt.

Der Preisdruck auf den vorgelagerten Stufen hat sich zuletzt weiter beschleunigt. So sind die Erzeugerpreise im verabeitenden Gewerbe Deutschlands zuletzt mehr als um 33 Prozent gestiegen, wobei die Unternehmen das noch lange nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben haben.

Nachdem die Tariflöhne im Euroraum im vierten Quartal 2021 nur um 1,6 Prozent gestiegen waren, zeigen die diese Woche für das erste Quartal veröffentlichten Daten einen scharfen Anstieg auf 2,8 Prozent. Außerdem fordern die Gewerkschaften etwa in Deutschland für die anstehenden Verhandlungen Lohnsteigerungen von 6 bis 7,5 Prozent für eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die Inflation kommt zunehmend bei den Löhnen an, das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale steigt.

Der Krieg in der Ukraine wird immer mehr zu einem Abnutzungskrieg, der sich sich lange hinzieht. Das stellt ein Aufwärtsrisiko für die Energiepreise dar.

Alles in allem hat man laut Aussage von Dr. Jörg Krämer bei der Commerzbank auf seiner monatlichen Prognosesitzung die Euroraum-Inflationsprognose für 2022 von 6,0 Prozent auf 7,0 Prozent angehoben, und die für 2023 von 1,5 Prozent auf 2,5 Prozent. Dass man für das kommende Jahr nach wie vor einen vorübergehenden Rückgang der Inflation erwartet, liege nur daran, dass der Ölpreis nicht weiter so schnell steigen sollte wie in diesem Jahr. Bereinigt um Energie und Nahrungsmittel erwarten die Experten für 2023 weiter eine recht hohe Kerninflation von 3,3 Prozent.

Dass man in der Eurozone auf Jahre eine Inflation deutlich über der Marke von 2 Prozent sehen wird, liegt laut Dr. Jörg Krämer vor allem an der EZB, die auf hochverschuldete Länder wie Italien schiele und eine zu lockere Geldpolitik betreibt. Daran würde ein von der Commerzbank für das Frühjahr 2023 prognostizierter EZB-Einlagensatz von 1,25 Prozent wenig ändern, auch wenn er der Vorstellung der EZB von einem neutralen Zins entspricht, der die Konjunktur weder anschiebt noch bremst, und in der langen Sicht für eine Inflation von 2 Prozent sorgt. Denn der neutrale Zins dürfte laut Dr. Jörg Krämer eher zwischen 2,5 Prozent und 3 Prozent liegen, wenn man sich an den langfristigen Wachstumserwartungen für den Euroraum (0,5 Prozent bis 1,0 Prozent) und am Inflationsziel von 2 Prozent orientiert.

Meine Meinung

Die letzten Wochen hatte ich meine persönliche Meinung diverse Male geäußert, dass die EZB zwar die Zinsen erhöhen wird, aber nicht in großem Umfang. Bei dieser Meinung bleibe ich weiterhin. Sie basiert auf den Erfahrungen der letzten Jahre, wo Mario Draghi und Christine Lagarde sich äußerst passiv verhalten haben, wenn es um höhere Zinsen geht. Denn man möchte (was natürlich niemand offen ausspricht) die Finanzierungskosten für die Südländer niedrig halten. Oben drauf käme noch das enorme Zinsänderungsrisiko für die Banken in der Eurozone, wenn die Zinsen schnell und in großem Ausmaß erhöht werden. Aber man muss es betonen – natürlich besteht ganz klar die Möglichkeit, dass ich mich irre, und dass ein Top-Experte wie Dr. Jörg Krämer richtig liegt. Natürlich führt er gute Gründe dafür an, dass die Inflation weiter ansteigen wird. Die Frage ist nur, ob Madame Lagarde und die Vertreter der Südländer in der EZB wirklich gewillt sind die hohe Inflation hart zu bremsen.

EZB-Chefin Christine Lagarde
Christine Lagarde. Foto: EZB – (CC BY-NC-ND 2.0)



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