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Langzeitarbeitslosigkeit: Auch die Arbeitgeber haben Mitschuld am großen Paradoxon

Man kann es statistisch so oder so sehen. Aber um es zu vereinfachen, werfen wir einfach mal die runde Zahl von 1 Million Langzeitarbeitslosen in Deutschland in den Raum. Warum können sie nicht am Arbeitsmarkt untergebracht werden? Gut, ihre Zahl ist rückläufig, aber im Kern bleibt es eine große Zahl. Warum fällt sie nicht dramatisch schnell auf Null, wo doch derzeit fast jeder Mensch irgendeine Arbeit finden könnte?

Da wären zum einen die Langzeitarbeitslosen selbst. Mancher wird sagen, dass viele Langzeitarbeitslose einfach nur faul sind – viele Arbeitslose könnten auch keine besondere Differenz zwischen Hartz 4 und Mindestlohn erkennen, und würden daher wenig motiviert sein eine Arbeit zu suchen. Dann wäre da noch die offensichtliche Unfähigkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen – sie „verwahren“ hunderttausende Langzeitarbeitslose und neu hinzukommende Flüchtlinge in sinnfreien „Weiterbildungsmaßnahmen“, nur damit diese Personen in der offiziellen Statistik nicht als arbeitslos gezählt werden. Aber es ist längst kein Geheimnis mehr, dass diese Weiterbildungsmaßnahmen ein schlechter Witz sind.

Langzeitarbeitslosigkeit aus Sicht der Arbeitgeber

Dann wäre da noch eine dritte Gruppe Beteiligter am großen Paradoxon namens Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland – die Arbeitgeber. Man könnte auch ihnen unterstellen, dass sie eine Mitschuld daran haben, dass Langzeitarbeitslose nicht im ersten Arbeitsmarkt unterkommen. Diese Theorie wird aktuell erhärtet durch eine Studie des „Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ (IAB), einer Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Hier beleuchtet man Langzeitarbeitslose aus Sicht der Arbeitgeber.

Und siehe da, nur 44% der Arbeitgeber in Deutschland sind grundsätzlich überhaupt bereit langzeitarbeitslose Bewerber im Einstellungsprozess zu berücksichtigen. Vor sieben Jahren lag diese Quote noch bei 33% – also hat sich hier immerhin minimal etwas zum Positiven entwickelt! Nur 34% der Betriebe würden nur Bewerber in Betracht ziehen, die weniger als ein Jahr arbeitslos waren. 14% der Unternehmen würden arbeitslose Bewerber (unabhängig von der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit) überhaupt nicht in Erwägung ziehen – das ergibt sich aus einer Befragung von mehr als 10.000 Unternehmen.

Da kann man sich schon fragen: Ihr Arbeitgeber sucht händeringend Bewerber? Und jeder 8. von euch ist nicht mal willens Arbeitslose als Bewerber überhaupt als Mitarbeiter in Betracht zu ziehen? Dann wird langsam klar, wo vielleicht eines der Hauptprobleme liegt. Natürlich kann man auch sagen, dass die Ämter nicht in der Lage sind die Langzeitarbeitslosen sinnvoll zu qualifizieren. Aber die Menschen sind da – wenn die Betriebe Menschen benötigen, könnten sie ja auf die Idee kommen diese Menschen selbst zu qualifizieren, auch wenn sie älter sind?

Weitere Aussagen des IAB zu dem Thema:

Aus Sicht der Personalverantwortlichen ist Zuverlässigkeit der wichtigste Faktor für die Neueinstellung Langzeitarbeitsloser. Die fachliche Qualifikation kommt erst danach. Insgesamt werden die arbeitsrelevanten Eigenschaften Langzeitarbeitsloser von den Betrieben schlechter eingeschätzt als bei anderen Arbeitslosen. Die Teamfähigkeit und die soziale Kompetenz bewerten die Betriebe zwar auch bei Langzeitarbeitslosen mehrheitlich positiv. Bei der Zuverlässigkeit, der Motivation und der fachlichen Qualifikation Langzeitarbeitsloser gilt dies jedoch nur für rund vier von zehn Betrieben, bei der Belastbarkeit für knapp drei von zehn. Die entsprechenden Einschätzungen der Betriebe für Arbeitslose, deren Arbeitslosigkeit weniger als ein Jahr andauert, fallen dagegen zu rund 80 bis 90 Prozent positiv aus. Durch Qualifizierungsmaßnahmen sowie durch das Training arbeitsrelevanter Soft Skills ließen sich aus Sicht der Arbeitgeber die Beschäftigungschancen Langzeitarbeitsloser verbessern. In Betrieben, die Schwierigkeiten haben, ihre freien Stellen zu besetzen, sind die Beschäftigungschancen Langzeitarbeitsloser höher als in anderen Betrieben. „Daher könnte es sich bei der Stellenvermittlung lohnen, diese Betriebe noch stärker zu adressieren“.

Langzeitarbeitslosigkeit
Wie immer sehen die Arbeitssuchenden auf den Beispielbildern der Agentur recht glücklich aus. Foto: Bundesagentur für Arbeit.



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