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Lieferengpässe: Licht am Ende des Tunnels für die Containerschifffahrt?

Lieferengpässe - Licht am Ende des Tunnels?

Die Lieferengpässe sind inzwischen in aller Munde: Leere Regale, extreme Lieferzeiten für höherwertige Produkte und die Sorge vor Knappheit, ausgerechnet zur Weihnachtszeit. Die Nachrichten sind voll von diesen Meldungen und immer mehr Menschen sorgen sich vor einer langen Phase der Knappheit von Gütern. Der große Gütertransport (über 90 %) läuft über die Weltmeere, deshalb gibt ein Interview der „Welt“ mit dem Chef der fünftgrößten Containerreederei Hapaq-Lloyd, Rolf Habben Janssen ein wenig Aufschluss über die Entwicklung in der Logistikbranche. Dieser sieht für die Lieferengpässe andere Ursachen als zu wenig Container oder Containerschiffe.

Was bedeutet das für die Liefersituation?

Lieferengpässe: Der Stau in den Häfen

War es im Frühjahr der Stau von über 400 Containerriesen im Suezkanal, nach der Havarie der Ever Given, so haben sich die Lieferengpässe in der Schifffahrt auf die Häfen verlagert.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW hat errechnet, dass derzeit allein vor Los Angeles und Long Beach drei Prozent der weltweiten Frachtkapazität festsäßen, vor Savannah (Georgia) zwei Prozent. Insgesamt sollen neun Prozent der Transportkapazität durch Hafenstaus in den USA und China gebunden sein – was natürlich Auswirkungen für Europa haben muss.

Der Chef von Hapaq-Lloyd verdeutlicht, was das für das Geschäft seines Unternehmen bedeutet:

Der Transport von Asien nach Europa dauere derzeit 18 Tage länger als normal, für eine Rundreise von Shanghai nach Hamburg waren vorher schon 12 Wochen zu veranschlagen. Damit bestehe neben den Ursachen wie den Engpässen in der Industrie, bei der Herstellung von Halbleitern oder dem Mangel an Rohstoffen und Baumaterial, ein großes Problem für alle Großreedereien wie Maersk, MSC, CMA, Cosco und eben auch für Hapaq-Lloyd.

Eine Ursache für den Stau in den Häfen läge laut Habben Jansen an einer Reihe von gleichzeitig auftretenden Problemen: An einem Fehlen von Hafenarbeitern in China den USA und Europa, speziell auch durch Lkw-Fahrer in Großbritannien, dann auch immer noch an den Quarantänebestimmungen in Asien. Demzufolge sei die Produktivität in den Häfen gesunken. Selbst die Arbeitszeiten spielen eine Rolle.

Während in den großen Nordseehäfen Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg an sieben Tagen in der Woche gearbeitet würde, geschieht dies in US-Häfen nur an fünf Werktagen und auch nur für 17 Stunden im Vollbetrieb. US-Präsident Biden hat vor einer Woche angeordnet, dass in den großen Häfen 24 Stunden abgefertigt werden könne. Doch durch den Mangel an Arbeitern (Labor Shortage) könnte dies noch Monate dauern.

Das Kieler Institut spricht davon, dass der globale Handel auf dem Niveau von vor der Corona-Krise verharre und die Hafenproblematik – und damit die Lieferengpässe –  sich bis ins nächste Jahr hineinziehen werde.

Reedereichef Habben Jansen erwartet eine Normalisierung nach dem chinesischen Neujahrsfest – also nach Anfang Februar 2022.

Es sind nicht mehr fehlende Container

Der Chef von Hapaq-Lloyd spricht von drei Größen, die die Transportkapazität limitieren und so die Lieferengpässe verursachen: Die gerade beschriebene Kapazität der Häfen, die Schiffskapazitäten und die Verfügbarkeit von Containern.

Letzteres hat sich dramatisch verbessert, viele Reedereien haben nachgekauft, „dieses Problem sei vom Tisch“, so Habben Janssen. Der Manager rechnet nach Beendigung der Krise bereits mit einem Überangebot an 30 Millionen Containern.

Auch würde die Schiffskapazitäten derzeit gewaltig erweitert.

In den vergangenen zwölf Monaten haben große Reedereien fast 300 Containerschiffe geordert, darunter viele große Schiffe mit Platz für 24.000 TEU (dem Standardmaß für 20-Fuß-Container).

Lieferengpässe und Containerbestellungen

Aber selbst mehr Schiffe könnten aktuell bei der Situation in den Häfen keine Abhilfe für die Lieferengpässe schaffen. Aber was passiert danach?

Derzeit gibt es in der Logistik ein ähnliches Verhalten wie in der Materialwirtschaft: Aufgrund des Mangels bestellen die Auftraggeber oft ein Mehrfaches an dem, was sie benötigen, um wenigstens einen Teil davon zu erhalten. Bei Hapaq-Lloyd beobachtet man dies am Phänomen der gleichzeitigen Buchung bei mehreren Reedereien. Ein Mehrfaches früherer Tage.

Habben Janssen räumt auch ein wenig mit den Sensationsmeldungen über die Mondpreise, die für Containertransporte bezahlt würden, auf: Höchstpreise von bis zu 20.000 Dollar (17.180 Euro) für einen Transport von Asien nach Europa, wie sie am so genannten Spotmarkt genannt werden, seien die Ausnahme. Der Anteil dieser extremen Prise für Spontanbuchungen liege bei Hapaq-Lloyd im einstelligen Prozentbereich.

Die überwiegende Zahl an Containern würde zu wesentlich niedrigeren und langfristig ausgehandelten Preisen transportiert.

Wenige Tage nach den Aussagen des Hapaq-Lloyd-Chefs dann dieser Chart im Tweet von Holger Tschäpitz, der auch auf ein Top bei den Containerpreisen hindeuten könnte:

Lieferengpässe Zeichen für Entspannung

Fazit

Die Aussagen des Chefs der fünfgrößten Reederei der Welt, Hapag-Lloyd, geben schon erste Anzeichen auf ein „mögliches“ Ende der Probleme in der Containerschifffahrt. Das Ganze könnte wieder einmal im Verlauf des nächsten Jahres in eine Überversorgung der Märkte münden. Wenn 300 Schiffe tatsächlich gebaut und ausgeliefert werden, mehr als in den letzten 5-10 Jahren insgesamt und dies auf Märkte trifft, die sich in einem Abschwung befinden.

Im April Mai 2020 lauteten die großen Schlagzeilen: Es wird noch Jahre dauern, bis sich die Wirtschaft von Corona erholt haben wird. Bereits zwölf Monate später kollabierten die Lieferketten, aufgrund der fast gleichzeitig explodierten Nachfrage und wieder heißt es, die Lieferengpässe werden uns vielleicht noch Jahre begleiten. Obwohl die Wirtschaftsdaten in fast allen Regionen nach unten zeigen, das Szenario einer Stagflation die Runde macht. Gleichzeitig wird überall investiert, mit über 20 neuen Chipfabriken und Hunderten von Schiffen, die demnächst ihre Transportaufgaben wahrnehmen werden.

Der Baltic Dry Index, ein Frühindikator für die Weltwirtschaft, fällt im Übrigen schon seit drei Wochen, sicherlich auch weil China ein Riesenproblem am Immobilienmarkt besitzt. Die Preise für Eisenerz geben schon seit Anfang August deutlich nach.

Sollte sich die Wirtschaft weiter abkühlen, der Kreditzyklus abebben, bin ich mir sicher, dass wir in (k)einem Jahr ganz andere Schlagzeilen als heute lesen werden..



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1 Kommentar

  1. „Das Kieler Institut spricht davon, dass der globale Handel auf dem Niveau von vor der Corona-Krise verharrte…“ diese Aussage erscheint mir nun wirklich sehr ambitioniert zu sein.
    Doch die Aussagen über container und Frachtschiff sind sehr plausibel.
    Die Frage die mich sehr interessiert ist, ob nicht der corona Krise ein handelskrieg“ unterlegt“ wurde.
    Allerdings werden wir ja schon auf einen kalten Winter, eine Energiekrise und einer heftigen Grippewelle vorbereitet. Also auf eine wirtschaftskrise…

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