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Linde-Fusion mit Amerikanern beschlossen: München verliert de facto einen Dax-Wert – hier die Fakten

Die beiden Gase-Giganten Linde und der US-Rivale Praxair fusionieren. Offiziell geht es hier um eine richtige waschechte Fusion, obwohl ja immer entschieden werden muss, von wo aus denn letztlich das...

FMW-Redaktion

Jetzt ist es offiziell. Die beiden Gase-Giganten Linde und der US-Rivale Praxair fusionieren. Offiziell geht es hier um eine richtige waschechte Fusion, obwohl ja immer entschieden werden muss, von wo aus denn letztlich das neue Unternehmen geleitet wird. Laut Linde lege der Fusion und dem Umtauschangebot (alte gegen neue Aktien) ein Bewertungsverhältnis von 50:50 zugrunde. Das bedeutet in der Praxis: Alte Linde-Aktionäre erhalten am neuen Unternehmen 1,54 Aktien für eine alte Linde-Aktie, Praxair-Aktionäre erhalten eine neue für eine alte Aktie.

Auf den ersten Blick sieht das positiv aus für den Standort Deutschland. Aber in der Praxis sieht es so aus, dass gerade Dax-Konzerne zu großen Teilen angelsächsische Aktionäre haben, vor allem Fonds und Pensionskassen. Da Arbeitnehmer in angelsächsischen Ländern ihre Altersvorsorge oft über solche Systeme regeln, und nicht über staatliche Vorsorgesysteme, haben diese Kassen immense Gelder zur Verfügung, die oft auch in Dax-Konzernen geparkt werden. Daher wird der neue Konzern mehr als ohnehin schon von angelsächsischen Investoren bestimmt werden.

Es wird ein Doppel-Listing der neuen Firma geben, in New York und in Frankfurt. Während das Board (der Aufsichtsrat) der neuen Firma, die den Namen Linde verwenden wird, zu gleichen Teilen aus Linde und Praxair-Vertretern bestehen wird, erhält der bisherige Linde-Chef Wolfgang Reitzle den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden. Neuer Chef (CEO) des Unternehmens wird der bisherige Praxair-Chef Steve Angel. Die Holding, also die neu zu gründende Dachgesellschaft, die beide Firmen vereinen soll, wird ihren Sitz in einem noch zu bestimmenden Land in der Eurozone haben, das aber nicht Deutschland sein wird. Also darf man von den Niederlanden als Holding-Sitz ausgehen, da man das Land in solchen Fällen stets auswählt.

Und jetzt kommt der entscheidende Punkt, der letztlich auf lange Sicht dem bisherigen Linde-Hauptsitz München den Todesstoß versetzen wird. Wie Linde offiziell schreibt, wird der neue Konzernboss Steve Angel von seiner bisherigen Zentrale im Bundesstaat Connecticut nahe New York aus arbeiten. Offiziell wird zwar geschrieben, dass Zentralfunktionen „adäquat“ zwischen den USA und der alten Linde-Zentrale in München aufgeteilt werden sollen.

Aber es ist wie überall: Die Musik spielt immer da, wo der Chef sein Büro hat! Sämtliche wichtigen Entscheidungen werden zukünftig in den USA getroffen, und und wichtiges Personal wird in den USA sitzen – davon darf man ausgehen! Es wird kommen wie bei der Hypovereinsbank und Unicredit auch. Eine Abwanderung von Forschung und Entwicklung in einzelnen Schritten, über Jahre verteilt. Irgendwann in ein paar Jahren im Zuge einer irgendwann neuen Wirtschaftskrise wird dem Konzernsitz in Connecticut dann auffallen, dass viele Jobs in Deutschland eigentlich viel günstiger durch Standorte in Asien ausgeführt werden können? Es ist letztlich der selbe Ablauf. Erst einmal sieht alles gar nicht so schlimm aus. Das dicke Ende kommt aber nach ein paar Jahren, wenn auch die üblichen Arbeitsplatz-Garantien, die Gewerkschaften immer dankbar aushandeln, ausgelaufen sind.

So gibt es in diesem Fall eine Job-Garantie für die deutschen Standorte bis zum Jahr 2021, die Linde dem Betriebsrat schon vorab für den Fall einer Fusion zugesichert hatte. Aber liebe Leute, wie schnell vergeht die Zeit – 5 Jahre sind gar nichts. Probleme machen können natürlich noch die Kartellbehörden, da die beiden Fusionspartner ziemlich spät dran sind bei der stattfindenden Konzentrationswelle in der Branche. Und natürlich, so schreibt es Linde auch offiziell, stehe die Fusion noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Praxair-Hauptversammlung sowie der Zustimmung des Umtauschangebots von mindestens 75% der Linde-Aktionäre. Was heute vereinbart wurde, ist zwar erst einmal „nur“ ein rechtlich bindendes Agreement zwischen den beiden Unternehmensvorständen. Die erwarten übrigens Synergieeffekte im Volumen von 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr.

Mit Glück verbleibt langfristig ein wenig Produktforschung in München, so mal unsere allgemeine Sichtweise ohne näheres Hintergrundwissen bei Linde. Diese recht allgemeine Sichtweise basiert auf der jahrzehntealten Erfahrung, dass nach Übernahmen und Fusionen letztlich immer dort eingestampft wird, wo die Zentrale vorher abgewandert ist. Entschieden wird in Zukunft in den USA. Der rechtliche Sitz wohl in den Niederlanden ist reine Kosmetik, um wohl die Politik in Bayern zu beruhigen? Wozu sonst so ein Konstrukt einer übergeordneten Holding in einem „neutralen“ Drittstaat, wie es offiziell verkündet wird? Die Börsianer scheinen ganz aktuell wohl noch nicht so recht zu wissen, was man mit dieser Nachricht anfangen soll. Der Kurs ging vorhin schnell und kurz nach oben von 163 auf 166 Euro, nur um dann wieder den Gewinn zügig zu verlieren. Jetzt pendelt man relativ gelangweilt herum wie vorher.

linde
Die Linde-Aktie seit letzten Freitag.



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3 Kommentare

  1. Moin, moin,
    und am Ende ist die BRD ein reiner Agrarstaat. Viel Spass uns verbliebenden BRD-Michel.

  2. Linde ist im Vergleich zu Praxair massiv unterbewertet. Kurse Richtung 180 wäre da etwas fairer bewertet.

  3. Diese Fusion ist vollkommen unnötig und bringt für die Linde Aktionäre keinerlei Mehrwert. Der Zusammenschluss wird doch von Seiten Linde nur durchgezogen weil man beleidigt ist das Air Liquide sie von der Weltspitze verdrängt hat, und weil man damit die hauseigenen Probleme übertünchen will.
    Georg Denoke hatte schon gar nicht so unrecht das er gegen die Fusion opponiert hat… Außerdem ist der Herr Chairman Reitzle dann ja jetzt auch zufrieden, er wird ja persönlich wohl ganz massiv von der Fusion profitieren.

    Bei Linde drängt sich eher der Eindruck auf das sich das Management hier auf Kosten der Eigentümer bereichert.

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