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Löhne und Inflation in Europa: Wie hätten Sie es gerne, Herr Draghi?

Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Die EZB erwähnt neben den Verbraucherpreisen auch zuletzt öfter die relativ schwachen Lohnzuwächse in Europa, die davon abhalten würden die Geldpolitik zu...

FMW-Redaktion

Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Die EZB erwähnt neben den Verbraucherpreisen auch zuletzt öfter die relativ schwachen Lohnzuwächse in Europa, die davon abhalten würden die Geldpolitik zu ändern. Durch die Inflation, die inzwischen wieder deutlich über 1% liegt, werden die Nominallöhne aufgefressen, und schrumpfen stark zusammen. So blieb nach einem Nominallohn im Vorjahr von 1,7% noch 1,5% übrig, weil die Inflation nur bei 0,2% lag.

Für 2017 werden Nominallohn-Zuwächse von 2,2% aber nur noch zu einem Reallohnzuwachs von 0,4% führen, weil die Inflation im Jahr 2017 im Schnitt bei 1,8% liegen wird – zumindest laut der Hans Böckler-Stiftung, die heute ausführliche Daten zur Lohnentwicklung in Europa veröffentlichte. Also was denn nun? Eigentlich will die EZB ja eine höhere Inflation. Aber je höher sie ist, desto mehr frisst sie an den Löhnen, so dass am Ende nur winzige Reallöhne herauskommen. Und mit diesem viel zu kleinen realen Lohnzuwächsen kann der Konsument auch nicht wirklich zum Aufschwung beitragen. Also wie hätten sie es gerne, Herr Draghi?

Die Stiftung im Wortlaut:

Obwohl sich das wirtschaftliche Umfeld in Europa weiter verbessert hat, steigen die Löhne in Europa nur langsam. Im vergangenen Jahr legten die realen Effektivlöhne im EU-Schnitt um 1,5 Prozent zu, im laufenden Jahr dürfte der Zuwachs durchschnittlich lediglich 0,4 Prozent betragen. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Europäische Tarifbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Deutschland liegt mit einem Reallohnzuwachs von 1,9 Prozent 2016 und prognostizierten 0,8 Prozent 2017 zwar über dem europäischen Durchschnitt, angesichts des stabilen Aufschwungs sind die inflationsbereinigten Zuwächse aber auch hier sehr moderat.

Um die Binnennachfrage und das Wachstum zu beleben, wären EU-weit deutlich stärkere Steigerungen notwendig. Auch in Deutschland besteht nach Ansicht der WSI-Forscher Prof. Dr. Thorsten Schulten und Malte Lübker Spielraum für eine stärkere Lohndynamik. Eine Reihe von Ökonomen und internationalen Institutionen sieht das mittlerweile genauso: Eine positive Lohnentwicklung sei entscheidend für die Nachhaltigkeit des Aufschwungs, heißt es von Seiten der Europäischen Kommission. Weitere Lohnsteigerungen würden nicht nur die private Nachfrage stärken, sondern auch zur Normalisierung der Inflationsrate beitragen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) plädiert seit einiger Zeit offen für höhere Lohnzuwächse.

Aufgrund der aktuell geringen Preissteigerung schlugen sich Nominallohnerhöhungen 2016 fast ungebremst nieder. In diesem Jahr wird die Inflation jedoch aufgrund höherer Energie- und Nahrungsmittelpreise anziehen – wodurch viele Menschen in Europa inflationsbereinigt kaum mehr in der Tasche haben. In Italien, Spanien, Großbritannien, Belgien, Finnland und Zypern müssen die Beschäftigten 2017 sogar mit Reallohnverlusten rechnen, zeigt die neue Analyse, die in der neuen Ausgabe der WSI-Mitteilungen erscheint.

Da könnte Herr Draghi doch glatt auf die Idee kommen die Studie der Hans Böckler-Stiftung als einen der Gründe anzuführen, warum auch weiterhin schwache Löhne zu erwarten sind, und dass man auch deshalb die Zinsen nicht weiter anheben kann. Zu schwache Löhne, darauf folgen nämlich vermeintlich auch zu schwache Steigerungen bei der Inflationsrate. Und weil die eigentlich zu schwache Inflation die Löhne fast ganz auffrisst, kann der Konsument nicht wirklich etwas zum Aufschwung beitragen…



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