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Macron-Rede zur Zukunft der EU: Hierzu zwei unterschiedliche Sichtweisen

Frankreichs Präsident Macron hielt jüngst seine große Rede zur Zukunft der EU. Mehr Zentralisierung ist die Richtung für die EU, so ist es eindeutig aus seinen Worten zu hören. Das steht aber im krassen Gegensatz zum Willen der...

FMW-Redaktion

Frankreichs Präsident Macron hielt jüngst seine große Rede zur Zukunft der EU. Mehr Zentralisierung ist die Richtung für die EU, so ist es eindeutig aus seinen Worten zu hören. Das steht aber im krassen Gegensatz zum Willen der Brexit-Wähler, der AfD-Wähler, der Wilders- und Orban-Wähler und und und. Auch dürften die Katalanen, die zwar aus Spanien aussteigen, aber in der EU bleiben wollen, eher Interesse an einem „Europa der souveränen Nationen“ haben als an einem europäischen Zentralstaat. Hierzu möchten wir zwei aktuelle Meinungen gegenüberstellen. Zunächst die heute veröffentlichte offizielle Sichtweise von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Zitat:

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker begrüßt die Kernpunkte der Europa-Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die er gestern (Dienstag) in der Pariser Sorbonne-Universität gehalten hatte. „Das war eine sehr europäische Rede“, schrieb Juncker gestern auf Twitter. „Europa braucht Mut.“ Für die Unterstützung der Arbeit der europäischen Institutionen gebühre Macron Dank. Nun brauche es einen gemeinsamen Fahrplan, um die Union mit 27 Mitgliedstaaten voranzubringen. Alle Ideen sollten breit diskutiert und bei einem Gipfel im rumänischen Hermannstadt vor dem Brexit und den Europawahlen im Frühjahr 2019 gemeinsam beschlossen werden.

Kommissionsprecher Margaritis Schinas sagte heute vor Journalisten in Brüssel, die Kommission habe sich für diese Debatte stark gemacht. Mit dem Weißbuch zur Zukunft der EU hatte die Kommission im März verschiedene Szenarien präsentiert, wohin sich Europa bewegen könnte.

„Die Rede von Präsident Macron, seine Visionen und detaillierten Vorschläge entsprechen voll und ganz unseren ehrgeizigen Zielen“, sagte Schinas. „Die Diskussionen haben begonnen.“ Dies sei genau das, was die Europäische Kommission und Präsident Juncker durch die Einleitung einer gründlichen Reflexion über die Zukunft Europas mit dem Weißbuch und den fünf Diskussionspapieren erreichen wollten. „Wir freuen uns über alle Beiträge. Wir hoffen, dass dieser Prozess noch vor den Europawahlen 2019 zu ersten Ergebnissen gelangen wird“, sagte Schinas.

Diese Diskussion solle ab jetzt in einen strukturierten Fahrplan mit präzisen Fristen für konkrete Vorschläge eingebettet und von öffentliche Debatten in ganz Europa begleitet werden. „Die Kommission und ihr Präsident werden ihren Teil dazu beitragen“.

Ganz anders wird die Macron-Rede vom arbeitgebernahen „Institut der deutschen Wirtschaft“ betrachtet. Wir meinen: Die folgenden Worte treffen ziemlich genau die Meinung von CDU/CSU und FDP, wie auch einer Mehrheit der deutschen Bevölkerung (ist natürlich nur eine Vermutung). Hier im Wortlaut:

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat in seiner gestrigen Rede ein umfangreiches Budget und einen dafür zuständigen Finanzminister für die Eurozone gefordert. Er schlägt vor, das Budget primär für die Abfederung von konjunkturellen Schwankungen zu verwenden.

Der französische Vorschlag stößt in vielen (nord-)europäischen Hauptstädten auf Ablehnung. Ein großes Eurozonen-Budget würde nicht nur eine dauerhafte Vergemeinschaftung von nationalen Steuermitteln bedeuten. Es würde insbesondere politische Fehlanreize setzen. Das vorgesehene Eurozonen-Budget bliebe vermutlich nicht lange unangetastet, die Schockabsorption längst nicht die einzige Verwendung des Budgets. Die vorhandenen Mittel würden im schlimmsten Fall zur Durchsetzung fiskal- und wirtschaftspolitischer Ziele einzelner Regierungen verwendet, zum Beispiel zur Förderung der eigenen Wiederwahl. Obgleich restriktive Regeln für die Mittelverwendung denkbar sind, stellt sich rückblickend die Frage, ob sie auch befolgt würden. Es stellen sich folglich die Fragen, welche wirtschaftspolitischen Ziele die Eurozone (als Gemeinschaft) mit solch umfangreichen Mitteln verfolgen würde, wer diese formuliert und wer für deren Durchsetzung und Kontrolle verantwortlich wäre.

Hier kommt die zweite Forderung Macrons ins Spiel: die Ernennung eines Finanzministers für die Eurozone. Dieser müsste das Durchgriffsrecht besitzen, problematische nationale Politiken, soweit sie das Eurozonen-Budget betreffen, zu korrigieren. Dafür wäre ein partieller Souveränitätsverzicht der Eurozonen-Mitglieder erforderlich. Eine Bereitschaft dafür ist nicht erkennbar – auch nicht in Frankreich.

Die Forderungen Macrons lassen sich daher auf einen notwendigerweise zu erreichenden Nenner reduzieren, bevor man über ein gemeinsames Budget oder einen Finanzminister nachdenken sollte: Die Eurozonen-Mitglieder müssen in einem ersten Schritt ihre dogmatischen Differenzen in wichtigen Kernfragen überwinden und sich gemeinsam auf einen Integrationsprozess einigen. Die Differenzen spiegeln den Konflikt zweier ordnungspolitischer Orthodoxien wider, die ihre Ausprägung in den unterschiedlichen Traditionen Frankreichs (diskretionär) und Deutschlands (regelbasiert) entfalten. Bevor die Vorschläge Macrons für die Eurozone diskutiert werden können, müssen sich die Eurozonen-Mitglieder darüber verständigen, wieviel Solidität vor Solidarität gegeben sein muss, um gemeinsam höhere Integrationsstufen zu erklimmen. Daran erst lässt sich die Frage anschließen, welche institutionellen Reformen in aller Augen erforderlich sind, um die Sicherheitsarchitektur der Eurozone zu vervollständigen – denn darum geht es in erster Linie.

Nach der deutschen Bundestagswahl vom vergangenen Wochenende ist es umso dringlicher, dass sich Frankreich offen für eine solche Verständigung zeigt. Voreilige und überambitionierte Forderungen für Übermorgen können von zwei der vermeintlich drei zukünftigen deutschen Regierungsparteien derzeit nicht positiv erwidert werden. Die FDP und auch Teile der CDU/CSU werden jegliche Instrumente, die eine Vergemeinschaftung (wenn auch nur im Ansatz) ermöglichen, kategorisch ablehnen, um ihr eigenes politisches Überleben bzw. die Wiederwahl zu sichern.

Primäres Ziel der innerdeutschen, deutsch-französischen und europäischen Politik muss jetzt sein, Kompromissbereitschaft auf allen Seiten auszuloten und sich auf Integrationsschritte in den Kernfragen zu einigen. Es nützt in Europa nicht Horizonte zu eröffnen, wenn dabei bereits die roten Linien im Hier und Jetzt überschritten werden.


Emanuelle Macron. Foto: Presidencia de la República Mexicana / Wikipedia (CC BY 2.0)



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4 Kommentare

  1. Erst wollte Frankreich die verhasste D-Mark loshaben, durch die Einführung des Euro, dann selbiges mit der Bundesbank mittels der EZB. Jetzt ist Deutschland trotz Euro wirtschaftlich wieder zu stark geworden. Durch die Vergemeinschaftung der Schulden käme man an die Steuerüberschüsse des deutschen Steuerzahlers heran – hatten wir hier nicht erst vor wenigen Tagen gelesen, dass die Arbeitszeiten der Nordländer deutlich über denen Südländern liegen? Gehts noch? So erreicht man keinen Einigungsprozess, eher eine Stärkung nationalistischer Tendenzen – der Wahlausgang in Deutschland lässt grüßen. Für mich ist das Unterfangen sehr durchsichtig.

    1. Helmut Schmidt,sicher eine der integersten Personen,die Deutschland je hervorgebracht hat,sagte dazu lapidar.Wer Visionen hat,soll zum Arzt gehen.Auch ich denke,dem ist nichts hinzuzufügen!Gebt dem Louis 14 und Napoleon-Verschnitt die Chance erstmal seine „Grande Nation“auf Vordermann zu bringen.Gelingt ihm dies,was ich bezweifele,dann erst soll er sich an €uropa versuchen!

  2. Bevor Macron die ganze EU reformieren,( noch mehr zentralisieren will ) sollte er sein Land soweit bringen, dass es mindestens die EU Kriterien erfüllen würde.Zudem ist der Front National noch immer da.

  3. Die führenden Politiker in Europa reden doch immer so viel von Demokratie: wir könnten schon viel weiter sein, wenn sie gemeinsam seit Einführung des Euro drei unterschiedliche Konzepte zur Zukunft Europas erarbeitet und der EU-Bevölkerung mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen vorgestellt hätten. Dann hätte man sechs Monate zwecks Diskussion und Meinungsbildung ins Land gehen lassen können, bevor die Menschen in allen EU-Ländern gleichzeitig darüber abgestimmt hätten, welches der drei Konzepte Realität werden soll. Das wäre demokratisch!

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