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Marcel Fratzscher und seine Crash-Prognose – über Halbwahrheiten

Warum auch Halbwahrheiten schlicht falsch sind - die Methode Fratzscher

Marcel Fratzscher hat es wieder getan: er gibt in einem Interview bei n-tv eine Prognose für die globalen Aktienmärkte ab, die er für überbewertet hält: „Wir brauchen eine Korrektur der Aktienmärkte um 30 oder 40 Prozent. Das erwarte ich auch für die nächsten zwei Jahre“.

Die Aktienmärkte, so Marcel Fratzscher, hätten sich gerade in der Pandemie von der Realwirtschaft entkoppelt. Daher sagt Fratzscher: „Ich halte eine Korrektur für eine gute Sache“.

Marcel Fratzscher hat ausnahmesweise recht – in Bezug auf die USA

Stimmt das, was Marcel Fratzscher sagt? Jein. Richtig ist die Aussage vor allem mit Blick auf die US-Aktienmärkte. Der vielleicht beste Indikator zur Einordnung, ob Aktienmärkte überbewertet sind, ist der Buffett Indikator, der das Verhältnis der Marktkapitalisierung von börsennotierten Unternhmen in Relation zum BIP des jeweiligen Landes setzt. Und hier sind die USA ganz weit vorne:

Trotz der Korrektur der Wall Street seit Jahresbeginn beträgt das Verhältnis der Marktkapitalsierung des US-Aktienmarkts zum US-BIP immer noch fast 200%. Werte von über 100% deuten laut Warren Buffett auf eine Überbewertung der Aktienmärkte hin, 200% dürften demnach wohl schon eine ziemlich dicke Blase sein!

Mit dem Coroncrash und der Reaktion der US-Notenbank Fed darauf – massives Zuführen von Liquidität – entkoppelten sich die US-Aktienmärkte wirklich, wie Marcel Fratzscher meint, von der Realwirtschaft (sichtbar am deutich stärkeren Anstieg des Wilshire Total Market (der alle US-Aktien umfaßt) im Vergleich zum US-BIP ab Früjahr 2020 :

Die Liquidität der Fed wie auch das Helikoptergeld der US-Regierung hoben also fast alle Boote – vor allem unprofitable Hoffnungs-Aktien schossen geradezu durch die Decke. Es sind aber seit Monaten gerade diese Aktien, die massiv unter Druck sind – seit den Märkten klar geworden ist, dass die Fed ihre geldpolitische Wende ernst meint.

Im ntv-Interview aber sagte Marcel Fratzscher auch: „Für die Realwirtschaft bedeutet das erst mal gar nichts“.

Wirklich? 140 Millionen Amerikaner besitzen Aktien (allerdings besitzen die obersten 10% der Amerikaner über 80% der Aktien) – je mehr wert das Depot ist, umso stärker kann konsumiert werden. Und das ist in einer Konsum-Wirtschaft wie der der USA essentiell. Daher sorgte die Fed immer dann entweder für einen Bärenmarkt der Aktienmärkte oder eine Rezession, wenn sie die Geldpolitik deutlich straffte. Hier also liegt Marcel Fratscher daneben!

Und beim Dax? Hat Fratzscher unrecht..

Notenbanken wie die Fed reagieren mit ihrer geldpolitischen Wende auf die stark gestiegene Inflation. Marcel Fratzscher aber bemüht sich seit Monaten darum, die Sorgen vor der Inflation klein zu reden („populistischer Unsinn“ etc.). Die Inflation sei in den letzten Jahren zu tief gewesen, also sei es doch jetzt ok, wenn sie nun zu hoch sei. Was für ein Unsinn!

Ausdrücklich begrüßte Fratzscher vor allem die Verteuerung fossiler Brennnstoffe, das sei „ein wichtiges und richtiges Instrument des Klimaschutzes“. Nun aber, da die Energiepreise geradezu explodiert sind, fordert Marcel Fratzscher das Eingreifen des Staates, der das Ausmaß des Problems noch gar nicht erkannt habe. Anscheinend ist selbst Fratzscher nun etwas mulmig geworden angesichts der Preisexplosionen, die er bei fossilen Energieträgern doch eigentlich gut geheißen hatte (wegen Klimaschutz und so..).

Aber Schwamm drüber. Blicken wir einmal auf den Dax: der deutsche Leitindex hat derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15, das entspricht in etwa der historischen Norm und ist nicht wirklich teuer. Wenn der Dax nun wie von Marcel Fratzscher postuliert um ca. 40% fallen würde, würde der Index etwa bei ca. 8500 Punkten landen. Das wiederum entspräche dann dem Buchwert (der bilanzielle Wert des Eigenkapitals je Aktie) der im Dax enthaltenen Unternehmen. Faktisch wäre der Dax bei einem Abverkauf von 40% richtig billig – eben weil sich der deutsche Leitindex anders als die Wall Street kaum von der Realwirtschaft abgekoppelt hat!

Fazit: Die Methode Fratzscher – Halbwahrheiten

Die Aussage von Marcel Fratzscher ist also extrem pauschalierend. Nun erkennt er plötzlich an, dass die Inflation doch zu hoch ist, weswegen die Notenbaken die Zinsen anheben würden, was wiederum dann einen Abverkauf der Aktienmärkte zur Folge habe. Fratzscher bewegt sich also von der Leugnung des Problems Inflation zu dessen Anerkennung, um dann pauschal einen Crash der Aktienmärkte zu prognostizieren.

Ein solcher Crash ist nicht ausgeschlossen – das ist er nie. Aber Marcel Fratzscher zeigt einmal mehr, dass man ihn nur begrenzt ernst nehmen kann. Wie meistens bei ihm sind seine Aussagen „halbrichtig“, also faktisch falsch. Ob er wirklich, wie bei n-tv postuliert, ein Top-Ökonom ist, bleibt ohnehin mehr als zweifelhaft..

Marcel Fratzscher progostiziert Crash der Aktienmärkte - über Halbwahrheiten
Marcel Fratzscher (Präsident DIW Berlin)Foto: Stephan Röhl

Von Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland – Marcel Fratzscher, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=97999799



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4 Kommentare

  1. Der Marcello Fraccerino wäre doch mal ein super Interview-Partner für Boom & Bust (wenn er sich traut)

  2. @chimbuman: Definitiv! Ich habe das auch schon vorgeschlagen. Marcello Fratscherino und Markus Fugmann mal im direkten Duell. Oder in einen Raum und abgeschlossen :-) Aber ich glaube Marcello hat Angst davor, das Fugi ihn bei Boom & Bust dann zerlegt.

    1. Das wäre legendär! We call it a Klassiker! :)

  3. Herr Fratzscher ist der würdige Nachfolge-„Ökonom“ für Peter Bofinger.

    Ein Heuler folgt dem Nächsten. Ein Glück gibt es auch erstklassige und hochkarätige Exemplare dieser Berufsgattung, sodass man auf diese Nebelstocherer nicht angewiesen ist.
    Denn dieses claqueurehafte anbiedern an die Regierungspolitik ist einfach nur widerwärtig und eine Schande für seinen Berufsstand.
    Dass der immer noch von einschlägigen Mainstream Medien zu Talkshows eingeladen oder um Interviews gebeten wird, disqualifiziert selbige schonungslos. Auch bei einem Prof.-Titel vorneweg kann man sich die komprimierte Inkompetenz ins Studio holen. Von „Qualitätsmedien“ darf man erwarten, dass sie zwischen Qualität und Müll unterscheiden können, bei den frechen GEZ-Gebühren.

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