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Marktbericht: Schwerpunktthema Türkei – Erdogan macht alles noch schlimmer

Der Dax hat heute 240 Punkte verloren. Im Vordergrund steht das Thema Türkei. Wo der Dax verliert, hat heute auch der Euro verloren (100 Pips seit gestern Abend). Der Devisenmarkt flüchtet reflexartig Richtung US-Dollar. Das würde normalerweise den Dax stützen, aber nicht heute. Die Türkei überschattet alles. (im Chart Dax und EURUSD seit gestern früh – eigentlich müssten sie gegensätzlich laufen)

Dax Euro Türkei

Türkei-Krise beherrscht den Freitag

Sogar die Wall Street lässt sich heute vom Thema Türkei mit nach unten reißen. Unglaublich aber wahr – was China-Zölle nicht schaffen, das schafft die Türkei. Aber was ist passiert? Die Krise läuft schon seit Monaten, und nimmt immer weiter zu. Präsident Erdogan verkündete vor und nach seiner Wahl seinen Einfluss auf die türkische Zentralbank ausweiten zu wollen.

Denn er will keine höheren oder hohen Zinsen sehen. Er will günstige Kreditvergaben für die Wirtschaft ermöglicht sehen, und gleichzeitig die Inflation mit niedrigen Zinsen bekämpfen!?! Oben drauf kam jüngst noch der Konflikt um den unter Hausarrest gestellten US-Pastor. Die Gespräche diese Woche zwischen beiden Ländern brachten nichts. Und so fällt die türkische Lira immer schneller und schneller. Heute nun wird diese Situation befeuert, in dem Donald Trump verkündet die global geltenden Importzölle für Aluminium und Stahl für Importe aus der Türkei doppelt hoch ansetzen zu wollen – als weitere Maßnahme, um den US-Pastor freizubekommen.

Das bringt die Lira noch mehr unter Druck. Und wie antwortet Präsident Erdogan? Er könnte zum Beispiel die Unabhängigkeit der Notenbanker betonen und sagen, dass er alles akzeptiert, was dort entschieden wird. Das würde Zinserhöhungen erlauben und der Lira helfen… aber was tut er? Er spricht von einer Verschwörung von außen gegen die Türkei, dem Vertrauen der Türken auf Gott usw. Damit macht er die Lage nur noch schlimmer. Die Märkte wollen finanztechnische Fakten hören, und nicht sowas.

Leider gibt es bei Präsident Erdogan auch einen mangelnden Sachverstand in Sachen Wirtschaft. Nein, das soll kein Erdogan-Bashing sein. Es ist nun mal einfach so. Das zeigte sich immer wieder, als Erdogan diverse Male sagte man solle die Inflation mit sinkenden Zinsen bekämpfen. Dass es genau anders rum läuft, scheint nicht zu interessieren. Auch sieht er in hohen Zinsen den Teufel. Das Problem in dieser Präsidial-Administration, die voll und ganz auf Erdogan zugeschnitten ist, könnte sein: Niemand traut sich ihm zu sagen, was eigentlich zu tun wäre… vielleicht sein neuer Finanzminister? Nein, der ist ja sein Schwiegersohn.

Erdogans aktuelle Aussagen haben keinerlei betriebswirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen oder finanzpolitischen Inhalt, welcher die Märkte beruhigen könnte. Aber er ruft  heute wie in den letzten Monaten schon mal die Türken dazu auf Devisen in Lira umzutauschen. Dass solch ein Aufruf historisch gesehen egal in welchem Land noch nie funktionierte und sogar oft das Gegenteil (mehr Panik) verursacht, ist am Markt bekannt.

Auch sagte Erdogan heute, dass die Zins-Lobbyisten es nicht schaffen würden die Türkei zu zerstören. Man sei eine Nation, eine Flagge, ein Land, ein Staat, so Erdogan. Mal ehrlich: Strahlen solche Aussagen Vertrauen aus auf den freien Interbankenmarkt für Devisen, wo der Kurs für die Lira gemacht wird zwischen unendlich vielen Marktteilnehmern? Alles schön und gut mit Erdogans Aussagen, aber wo sind die Fakten, die konkreten Ansagen für den Markt? Sie fehlen, und deswegen crashte die türkische Lira heute immer weiter.

Türkische Lira crasht

Euro vs Lira stieg alleine von gestern bis jetzt von 6,30 auf 7,22 (heute ich Hoch sogar schon 7,93 – Wahnsinn!). USD vs Lira stieg von 5,50 auf jetzt 6,30 (in der Spitze 6,94). Im Augenblick scheinen einige Zocker wohl erstmal kräftig Kasse machen zu wollen, von daher sind wir momentan etwas von den extremsten Tageskursen entfernt. Wie, wann und wodurch dieser Crash endet, weiß niemand. Die aktuelle Folge: Nun haben alle Angst, dass türkische Kreditnehmer ihre dramatisch verteuerten Dollar-Kredite nicht mehr bedienen können – das könnte zu immensen Verlusten bei europäischen Banken führen, wodurch zahlreiche Bank-Aktien in Europa heute kräftig verloren haben.

Türkei USD Lira
USD vs Lira seit Januar.

Die Bank-Aktien beeinflussen die Gesamt-Indizes, und auch den Amerikanern wird ein wenig mulmig vor einem kräftigen Zusammenbruch in der Türkei. Also ist die Gesamtlage vor dem Wochenende sagen wir mal „unruhig“. Kommen übers Wochenende Sondermaßnahmen (was auch immer), und am Montag wertet die Lira dramatisch auf? Man darf gespannt sein.

Ach ja… nicht nur die Lira crasht heute, sondern ebenso das Vertrauen in die Rückzahlung türkischer Staatsschulden. Dementsprechend kollabieren die Anleihekurse, und die Rendite für zehnjährige türkische Papiere steigt heute auf sagenhafte 20,97% (in der Spitze heute 22,82%). Vor einem Monat lag man noch bei 17%, und gestern bei 18,50%.



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1 Kommentar

  1. Das ist unglaublich. So ein Absturz innerhalb eines Tages. Es schreit ja geradezu nach einer Gegenbewegung…

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