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„Mehrwertsteuersenkung wirkt“ vs „Mehrwertsteuersenkung lässt Mehrheit kalt“

Belebtere Fußgängerzonen dank Mehrwertsteuersenkung?

Ja, na was den jetzt, bitte schön? Erzielt die Mehrwertsteuersenkung nun ihre Wirkung, oder nicht? Fühlt sich der bekennende Konsument dank 3 Punkten geringerer Steuern genötigt reihenweise Sachen zu kaufen, die man eigentlich nicht braucht, aber aufgrund der allgemeinen Konsum-Obsession doch unbedingt haben will? Der Spiegel hat vorhin einen Artikel veröffentlicht mit der Headline „Mehrwertsteuersenkung lässt Mehrheit kalt“. Er basiert auf einer Umfrage des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), welches zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehört. Hier hat man in der zweiten Juni-Hälfte (also kurz vor dem Start der Mehrwertsteuersenkung ab 1. Juli) 6.309 Erwerbstätige zu ihrem voraussichtlichen Konsumverhalten in der zweiten Jahreshälfte befragt – also dem Zeitraum der gesenkten Mehrwertsteuer.

Umfrage kurz vor der Mehrwertsteuersenkung

Drei Viertel der Befragten hätten angegeben, trotz Mehrwertsteuersenkung ihr Konsumverhalten im zweiten Halbjahr nicht verändern zu wollen. Nur 14 Prozent wollen hingegen eigentlich später geplante Ausgaben vorziehen. Und gerade einmal drei Prozent motiviert die niedrigere Mehrwertsteuer zu Ausgaben, die sie sonst gar nicht geplant hätten. Und 58,2 Prozent der Befragte gehe davon aus, dass der Vorteil der gesenkten Mehrwertsteuer nur teilweise vom Handel an den Kunden weitergereicht werde. Also, nimmt der Konsument die gesenkte Mehrwertsteuer einfach nicht an?

Messung der Menschenmengen in den Innenstädten

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat heute eine Studie veröffentlicht mit der Headline „Mehrwertsteuersenkung wirkt“. Also genau die gegenteilige Meinung zur Studie des IMK. Und die Herangehensweise ist auch eine völlig andere. Hier geht es nicht um eine Verbraucherbefragung vor dem Start der Mehrwertsteuersenkung, sondern um eine Datenauswertung mittels Lasertechnik, wie viele Passanten in 41 besonders belebten Straßenabschnitten in 21 deutschen Städten unterwegs waren. Anhand der Anzahl der Menschen versucht man also Rückschlüsse zu ziehen, wie stark der Einzelhandel frequentiert wird. Die Mehrwertsteuersenkung habe laut IW dazu geführt, dass in ausgewählten deutschen Einkaufsstraßen im Juli 2020 rund 1,7 Millionen mehr Passanten unterwegs waren als im Juni. Hier weitere IW-Aussagen im Wortlaut:

Demnach waren im Juli 27,2 Millionen Passanten unterwegs, das waren 4,2 Millionen mehr als im Juni. Davon waren 1,7 Millionen aufgrund der Steuersenkung shoppen. „Die Mehrwertsteuersenkung wirkt und hilft vor allem dem Einzelhandel dabei, die Krise zu überwinden“.

Um den Anteil des Mehrwertsteuereffekts zu ermitteln, berücksichtigt die Studie etliche Faktoren, die die Zahl der Passanten beeinflussen – beispielsweise das Wetter. Schließlich strömen bei Regen eher weniger Menschen in die Innenstädte. Ebenso bezieht die Studie die regional unterschiedlich hohe Zahl der Corona-Neuinfektionen mit ein, aufgrund derer weniger Menschen die Innenstädte besuchen dürften. Auch regionale Maßnahmen wie Geschäftsschließungen und Öffnungen wurden berücksichtigt.

„Die Ergebnisse legen nahe, dass rund 40 Prozent der zusätzlichen Passanten in den untersuchten Städten auf die Mehrwertsteuersenkung zurückzuführen sind“, sagt IW-Datenanalyst und Studienautor Henry Goecke. Allerdings bleibt abzuwarten, ob dies dem Einzelhandel auch langfristig helfen wird, die Corona-Krise zu überwinden – und ob der Trend in den kommenden Monaten anhält. „Wichtig ist bei konjunkturpolitischen Maßnahmen, dass sie zu rechten Zeit an der passenden Stelle ansetzen und befristet sind. Das ist hier der Fall“, so IW-Direktor Hüther.



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