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Michael Borgmann: GOLD – oder das ewige Analysten-Märchen vom „Fehl-Ausbruch“

Leser, die schon länger bei FMW sind, werden sich sicher an die Videos von Michael Borgmann erinnern! In der Folge wird Herr Borgmann hier in loser Reihenfolge Artikel zu charttechnischen Aspekten schreiben! Welcome back, Michael!

Ein Gastkommentar von Michal Borgmann

(Hinweis der Redaktion: Leser, die schon länger bei FMW sind, werden sich sicher an die Videos von Michael Borgmann erinnern! In der Folge wird Herr Borgmann hier in loser Reihenfolge Artikel zu charttechnischen Aspekten schreiben!)

Manche Dinge stören mich bei der angewandten Charttechnik gewaltig, dazu gehört der sehr häufig fehlerhafte Umgang mit diesen drei Begriffen:

1. SKS (Schulter-Kopf-Schulter-Formation)
2. Dreieck (charttechinsche Verkeilungen)
3. Fehl-Ausbruch (angebliche Ausbrüche, die dann scheitern)

Dem letzten dieser Begriffe möchte ich mich heute mal annehmen, dem so genannten „Fehl-Ausbruch“ oder neudeutsch: „false break“.
Im Prinzip kann es so etwas nämlich logischer Weise gar nicht geben, oder hat schon mal jemand bei einem Vulkan von einem Fehl-Ausbruch gehört? Entweder er bricht halt aus oder nicht – fertig!

Der Begriff „Fehl-Ausbruch“ wurde meines Erachtens ausschließlich deshalb eingeführt, um später unsaubere Arbeit bei der Chartbetrachtung zu kaschieren bzw. analytische Fehler zu vertuschen, die ein Analyst oder Trader dabei begangen hat. Es ist ja auch ganz einfach, man bastelt sich ein Ausbruchs-Szenario in den Chart an einer relevanten Zone, die viele Marktteilnehmer recht einfach erkennen können. Liegt der Kurs relativ nahe an so einer Marke, dann steigt natürlich zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit, dass solch eine Analyse oder auch ein dort ansetzender Ausbruchs-Trade aufgehen werden.

Setzt sich das aber nach Bruch dieser Marke/dieses Bereiches nicht nachhaltig durch, haben Trader und Analyst eine prima Ausrede zur Hand: „dann war das halt ein Fehl-Ausbruch!“ – das ist aber zu kurz gegriffen. Im Bereich der angewandten Charttechnik sollte man immer auf Spurensuche gehen, wenn etwas Präferiertes nicht so geklappt zu haben scheint, wie man es geplant hatte. Nur so ist es möglich, für die Zukunft solche Fehler weitestgehend ausschließen zu können.

Ich möchte dies mal anhand des Gold-Charts demonstrieren und zeige diesen im Tages-, Wochen- und Monats-Chart (alle Charts von GUIDANTS https://www.guidants.com/):

Seit den Höchstständen aus 2011 befindet sich das Edelmetall im Korrektur-Modus und hat nach den immer mal wieder stattgefundenen kleineren bullischen Rückläufen über etliche Zwischen-Hochs (aus 2012, 2016 und 2017) einen relativ klar definierbaren Abwärtstrend ausgebildet.

Nun geht natürlich der eher fantasielose oder ungeübte Trader/Analyst so vor, dass stupide die Candlestick-Hochs miteinander verbunden werden und schwupps hat man einen Trend bzw. eine Trend-Linie. Sobald also der Kurs darüber handelt kommt der „Ausbruch“ und fällt es kurz darauf wieder zurück ist er da: der „Fehl-Ausbruch“. Nun mögen sich Pipi Langstrumpf oder einige unserer politischen „Eliten“ gerne die Welt so machen, wie sie ihnen gefällt. Im Bezug auf angewandte Charttechnik wird das jedoch schnell ein teurer Spaß.

Wo liegen also die Denkfehler und falschen Ansätze?

Nun, zunächst einmal darin, dass Brüche von vertikalen Trend-Linien häufiger zu Fehl-Interpretationen führen als solche von horizontalen Widerständen und Unterstützungen. Dies liegt in der Natur der Sache, denn oftmals ist es gerade innerhalb komplexerer Korrekturmuster mit vielen sich überschneidenden Hoch/Tief-Punkten nahezu vergeblich, dort mit Trendlinien vertikaler Art zu arbeiten. Zu oft brechen diese dann zwar regelmäßig, jedoch zumeist ohne viel Konsequenzen für den weiteren Kursverlauf (dazu aber mal später mehr, in einem Artikel über die Dreiecks-Malerei).

Zum anderen werden jedoch häufig schlichtweg wichtige Informationen, die bereits im Chart zu finden sind, nicht ausgewertet. Im Falle des Gold-Charts wären das zum Beispiel übergeordnete Zeiteinheiten wie der Wochen- und Monats-Chart sowie die entstandenen Candlesticks dort, denn insbesondere deren Struktur (Kerzenkörper, Dochte und Lunten) gibt wichtige Infos darüber wie und wo man Trend-Linien denn anlegen sollte und das müssen nicht immer sinvoller Weise die Kerzenhochs sein, manchmal tun es auch die Kerzenkörper.

Wichtig: Es wurde bei allen Charts eine logarithmische Darstellung gewählt!

Hier gab es inklusive September 2011 rund 10 Monats-Kerzen, die allesamt recht exakt an einer Trend-Linie abgeprallt sind, die man beginnend beim 2011er-Hoch aber nicht über die Folge-Hochpunkte zieht sondern über die Kerzenkörper aus Oktober 2012 und Juli 2016.

Liegt solch eine Linie erst einmal, so stellt man fest, dass etliche weitere Kerzenkörper ebenfalls von dieser Linie eingebremst wurden, je mehr Abpraller, desto signifikanter ein Widerstand und somit gilt es festzuhalten, dass diese Linie einen Widerstand aus dem Monats-Chart darstellt. Zugleich legt man eine weitere Linie in den Chart. Diesmal beginnt man auf dem Hoch des ersten Rücklaufpunktes (Oktober-Kerze aus 2012) und verbindet diesen Punkt mit dem Hoch des nächsten relevanten Rücklauf-Punktes (Hoch der Juli-Kerze aus 2016). Wie man sieht, verlaufen beide Linien fast parallel zueinander und Schlusskurse in dieser Zeiteinheit fanden im Bereich zwischen oder gar über diesen beiden Linien seit 2011 nicht mehr statt.

Blick in den Wochen-Chart:

Blick in den Tages-Chart:

Auch hier wird eine Linie, beginnend beim Hoch aus 2012, über die zahlreichen Zwischenhochs des Sommers 2016 gezogen. Automatisch erwischt man so auch die Hochs vom 09. November 2016 („Trump-Hoch“) und 17. April 2017. Was man jedoch damit nicht erwischt ist das Hoch vom 06. Juni 2017, denn dieses liegt deutlich über der Trend-Linie. An diesem Tag gab es vielfach Artikel und Beiträge mit etwa folgendem Tenor zu lesen: „Gold bricht Abwärtstrend“, „Gold bricht aus!“ usw. usf.

Der Chart-Kundige jedoch musste nur müde lächeln, denn er wusste, ohne einen Kurs im Wochen- und später auch Monats-Chart über diese/n Linie/n findet solch ein Ausbruch schlichtweg nicht statt (warum, siehe oben). Nun braucht man nicht viel Fantasie, um zu wissen, was 2-3 Tage später -als der Kurs wieder unter die Trend-Linien zurückgefallen war-geschah und welche Headlines durch die Börsenwelt geisterten, der böse „Fehl-Ausbruch“ hatte wieder zugeschlagen.

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass man sich, bevor man inflationär mit dem Wort Ausbruch um sich wirft, immer auch die höhere Zeitebenen ansehen sollte und zusätzlich darauf zu achten hat, dass Bewegungen durch vertikale Trends hindurch häufiger nicht immer das sind, was sie vorzugeben scheinen.

Michael Borgmann
Technischer Analyst und Journalist
Falls Ihnen dieser Artikel gefallen haben sollte (und falls nicht, dann erst recht!), besuchen Sie mich gerne mal in meinem freien Bereich auf der GUIDANTS-Plattform der Börse Go AG auf: https://go.guidants.com/#c/Michael_Borgmann oder gar meinem kostenpflichtigen Premium-Dienst, dem Centre-Court-Börse, den ich seit ein paar Jahren betreibe, auf: https://go.guidants.com/#c/Centre_Court_Boerse



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10 Kommentare

  1. Meiner Erfahrung nach haben schräge Trendlinien auf einem kurz- bis mittelfristigen Chart generell nur wenig Aussagekraft. Selbst auf einem langfristigen Chart sind sie mit Vorsicht zu genießen. Es gibt schlichtweg zu viele Möglichkeiten, wie sie platziert werden können. Oft sind sie viel zu schwammig und liefern keine eindeutigen Signale.

    1. Das ist ja unter anderem Tenor des Textes – lieber in die Horizontale gehen, wie im wirklichen Leben ;)

    2. Heute kommt es übrigens hoch wahrscheinlich zu einem bestätigten Ausbruch auf Wochen-Basis und Montag könnte dieser auch auf Monats-Basis erfolgen. Die Wochen danach werden zeigen müssen, ob meine aufgestellte These funktioniert hat oder nicht.

      1. Der Katamaransegler

        Im Vergleich der letzten 12 Jahre war die Gold-Vola kürzlich – Mitte Juni – auf historischem Tief bei 10,15.
        Schon von daher liegt es nahe, einen kommenden stärkeren Move anzunehmen.
        Konservativ orientierte Händler können einen long Strangle aufsetzen, mit Übergewichtung der oberen Seite.
        Alternative ist ein Kalenderspread in der Annahme deutlich steigender Volatilität.
        Die zur Zeit sehr hohe Margin auf Edelmetalle spricht für diese Variante
        Die Short Seite verbietet sich schon wegen der exorbitanten Margin, die aktuell bei 1:35 liegt (!)
        Hinzu kommt die Warnung, dass jederzeit und unangekündigt von Brokerseite bis zu 60 % Erhöhung dieser Margin erfolgen kann.
        So manch ein überhebeltes Konto wird schnell in Brand geraten und einen Boost Effekt im Goldpreis auslösen.
        Auch die Entwicklung der CoT Daten lässt einiges erahnen.

  2. Der Katamaransegler

    Feinsinnig humorvolle Satire mit edukativem Anspruch.
    Guten Morgen, Kollege Borgmann.
    Wenn Sie die „Fehlausbrüche“ als Beispiel für das Orwell’sche Neusprech anführen, mag das ganz lustig sein.
    Dennoch bleiben Sie ein Gefangener Ihrer Welt, der das Auffinden von „Eindeutigkeit und Klarheit“ in den Chartsignalen als Ziel hat, und dieses als Garant für finanziellen Erfolg im Börsenhandel proklamiert.
    Was hilft es, dem staunenden Publikum den richtigen Umgang mit dem Geodreieck beizubringen ? .
    Auch wenn Sie noch so grosse „Zeitebenen“ wählen – Wie finden Sie Ihr „Edge“ ?
    Auf dem Rückweg in die kleineren „Zeitebenen“ ?
    Die Kernfage lautet:
    Kann ich zu den Fünf Prozent wirklich erfolgreicher Händler werden, wenn ich genau das mache, was die anderen fünfundneuzig tun ?
    Sie beantworten die Frage mit einem Ja.
    Ich mit einem Nein.

    1. Ich bin weiß Gott nicht „gefangen“ in irgendwelchen Welten und hege eigentlich zumeist einen eher antizyklischen Ansatz, bin also eher bei den 5 als den 95% zu finden. Und Geo-Dreickmaler sind mir eher ein Graus (dazu mehr im Dreiecks-Artikel), ich verstehe mich eher als Michelangelo denn als Malermeister. Es besteht ein großer Unterscheid zwischen einem technischen Chartsignal, das als Bestätigung bzw. Kaufsignal dient und dem daraus zu wählenden Einstieg, der erfolgt in der Regel, wenn machbar, bereits VOR dem bestätigenden Signal, genau das geht ja, wenn man die Charttechnik gewissenhaft anwenden kann. Man darf also nicht einfach alles durcheinander würfeln

      1. Der Katamaransegler

        Danke für Ihre Antwort.
        War mir schon klar, dass wir nicht weit auseinander liegen.
        Sie wissen ja, dass ich vorwiegend volumenbasiert, mit VWAP, Tape, Volumendeltas und footprints meine Einstiege finde. Ohne „klassische“ Charts.
        Die spannenden Fragen für mich:
        – Wie und woran erkennt ein erfahrener Chartist welche Einstiege ?
        – Wo und wie könnte ich mit „Ihrer“ Charttechnik mein Edge noch verbessern ?

        Würde mich gern einmal mit Ihnen gemeinsam hinsetzen und anhand verschiedener Märkte Ihre und meine Technik vergleichen und diskutieren.
        So wie mit dem @KSchubert

  3. Hallo Herr Borgmann, danke für Ihre interessanten Ausführungen. Trotzdem bin ich nicht ganz Ihrer Meinung. Es stimmt natürlich, der Ausbruch hat nicht funktioniert. Der „Fehlausbruch“ aber sehr wohl. Denn danach schlägt der Markt häufig die Gegenrichtung ein (immerhin fast 100 Dollar im Gold in Ihrem Chart) und die war schön zu handeln, jedenfalls für mich. Es kann deshalb durchaus wichtig sein, einen „Fehlausbruch“ zu erkennen, auch wenn viele Andere den „Ausbruch“ gehandelt haben.

    1. Der Katamaransegler

      Das stimmt.
      Solche „Fehlausbrüche sieht man in kleineren Zeiteiheiten und in vielen Märkten sogar mehrmals am Tag. Genau diese Bewegungen sind es, die lukrativ sind.
      Wenn ich Herrn Borgmann recht verstehe:
      „Fehlausbrüche“ und andere semantische Konstruktionen müssen oft als Ausrede herhalten, wenn jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, oder sein Weltbild eng gefasst ist. Insofern formuliert er ein fiese kleine Spitze gegen manche seiner Berufskollegen.
      ;-)

      1. ;) das darf man so sehen, hehe

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