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Termin 14. Mai Mit kostenlosem Gas will Erdogan in der Türkei die Wahl gewinnen

Die Wahlen in der Türkei sind nicht mehr lange hin. Nun versucht Präsident Erdogan mit kostenlosem Gas für die Bevölkerung massiv zu punkten.

Türkei-Fahne

Hyperinflation und stockender Wiederaufbau nach der Erdbebenkatastrophe machen es dem türkischen Präsidenten Recip Tayyip Erdogan schwer, die Wahl in wenigen Wochen im Mai zu gewinnen. Für einen Wahlsieg braucht er Erfolge. So versprach er jetzt bei der feierlichen Aufnahme der Gaslieferungen aus dem Schwarzen Meer, in der Türkei Gas frei Haus liefern zu lassen. Ähnlich wie sein russischer Amtskollege Wladimir Putin will er sich mit kostenlosen Gasgeschenken die Zustimmung der Bevölkerung und damit seine Macht sichern.

Die Türkei nimmt Gaslieferungen aus dem Schwarzen Meer auf

Am 20. April fand die feierliche Aufnahme von Gaslieferungen vom Sakarya-Vorkommen im Schwarzen Meer statt. Nach Angaben der türkischen Ölgesellschaft TPAO befindet sich das Gasfeld in 2200 Metern Tiefe 165 Kilometer vor der Küste und ist mit einer Pipeline am Meeresgrund mit dem Festland verbunden. Die Vorräte umfassen nach letzten Schätzungen 710 Milliarden Kubikmeter Gas. Über die Feierlichkeiten zum Lieferstart berichtete der Fernsehsender TRT World. Nach nur 32 Monaten Erschließung starte am Sakarya-Feld die Gasförderung. In der ersten Phase werde es am Tag 10 Millionen Kubikmeter Erdgas liefern, sagte Erdogan. Das sind auf ein Jahr umgerechnet 3,65 Milliarden Kubikmeter Gas, die rund sechs Prozent des Gasverbrauchs in der Türkei von 2022 mit 60,4 Milliarden Kubikmeter ausmachen.

Der Gasverbrauch ist in den letzten Jahren wie auch im letzten Jahr in der Türkei trotz hoher Preise gestiegen. Etwa 30 Prozent davon komme aus Russland, erklärte der türkische Energieminister Fatih Dönmez in einem Medieninterview im April. Zudem importiere die Türkei Gas aus Aserbaidschan und dem Iran, und habe bis dato nur 1 Prozent des inländischen Gasbedarfs selbst gefördert. Durch das Bohren zusätzlicher Löcher am Sakarya Vorkommen soll Erdogan zufolge die Tagesfördermenge sukzessive auf 40 Millionen Kubikmeter Gas steigen. „Wir werden fast 30 Prozent des jährlichen Gesamtbedarfs unseres Landes decken können, sobald wir die volle Kapazität erreicht haben. Dieses Projekt wird uns nicht nur dabei helfen, die Auslandsabhängigkeit unseres Landes beim Erdgas erheblich zu verringern, sondern es wird Filyos und Zonguldak auch zu einer wichtigen Energie-, Technologie- und Logistikbasis machen“, sagte Erdogan. Beide Orte sind von Istanbul knapp 400 km entfernt und liegen an der Schwarzmeerküste.

Gasversprechen sollen Wahlstimmen ködern

Bis zum Wahltag am 14. Mai will Erdogan mit der Erfolgsstory über die landeseigene Gasförderung möglichst viele Wähler für sich gewinnen. Mit dem Entfalten der türkischen Flagge bei der Eröffnungszeremonie beschwor er die Einheit der Nation und kündigte großzügige Gasgeschenke für die Bevölkerung an. Landesweite werde der Gasverbrauch im Mai kostenlos sein. „25 Kubikmeter Gas pro Monat werden ein Jahr lang für alle Haushalte kostenlos sein“, sagte Erdogan und erklärte dazu: „Wir sichern die Bevölkerung gegen steigende Energiekosten.“

Wie unsicher die Wiederwahl von Amtsinhaber Erdogan ist, zeigen etwa aktuelle Umfragen. Rund 47,9 Prozent der Befragten würden demnach in der ersten Wahlrunde der türkischen Präsidentschaftswahlen am 14. Mai 2023 Kemal Kılıçdaroğlu von der sozialdemokratischen Partei CHP ihre Stimme geben. Erdoğan liegt mit 38,4 Prozent der Stimmen auf zweiter Position. Da für einen Wahlsieg 52,4 Prozent nötig sind, ist eine Stichwahl unvermeidlich. Das wiederum erhöht Unwägbarkeiten, wie am Ende der Ausschlag in die eine oder andere Richtung sein wird. Für Erdogan geht es in diesem Wahlkampf um alles. Er nutzte daher die Eröffnung zur Gaseinspeisung aus dem Schwarzen Meer als Wahlkampfbühne und kritisierte seinen stärksten Widersacher Kılıçdaroğlu namentlich in einer Reihe von inkompetenten Enthusiasten, die die Gasförderung im Schwarzen Meer nicht für möglich hielten.

Die Wirtschaft in der Türkei holpert

Sollten Erdogans Gasversprechen tatsächlich greifen und die Wiederwahl mit herbeiführen, bleibt die hohe Inflation in der Türkei bestehen, auch wenn diese sich von ihrem Piek im Oktober mit 85,5 Prozent auf zuletzt 50,5 Prozent abgeschwächt hat. Auch das verkauft Erdogan als Erfolg seiner Niedrigzinspolitik. Viel Spielraum bei der Inflation nach unten sieht der Internationale Währungsfonds IFW in seinem World Economy Outlook vom April indes nicht. Lag sie im letzten Jahr im Schnitt bei 64,3 Prozent, erwartet der IWF in diesem Jahr 45 Prozent und im nächsten Jahr immer noch 30 Prozent. Ein Jahr lang kostenlos Gas ins Haus zu bekommen, mag zwar eine Abhilfe schaffen, stoppt aber den Rückgang des Lebensniveaus nicht, weil alles rundherum spürbar teurer wird.

Die Wachstumsaussichten sind mit guten drei Prozent im Schnitt in diesem und nächsten Jahr laut IWF vergleichsweise gut. Allerdings hat sich das Wirtschaftswachstum seit 2020 mit 11,2 Prozent in den Folgejahren mehr als halbiert. Zudem setzt sich die Abwertung der türkischen Lira gegenüber US-Dollar und Euro seit Mai 2021 fort, wie es ein Chart der Türkischen Zentralbank zeigt:

Der Währungsverfall mag die Exportwirtschaft beflügeln. Dass sich das Wirtschaftswachstum abschwächt und die Abwertung der Lira nahezu im Gleichklang bewegen, spricht dagegen. Die Türkei konnte aus der schwachen Lira offenbar keine Exportimpulse ziehen. Das Gasgeschäft gilt als Hoffnungsträger. Als Transitland mit zentraler geographischer Lage und künftige Gasfördernation, die sich keine Zwänge von außen auferlegen lässt, hofft Erdogan die wirtschaftliche Misere im Land abzuwenden und auf dieser Basis die Wiederwahl zu sichern.



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