Nach der Wiederwahl von Donald Trump überrascht China die Finanzmärkte: Trotz aller Bemühungen um Unabhängigkeit vom US-Dollar begibt das Land erneut Staatsanleihen in amerikanischer Währung – diesmal in Saudi-Arabien. Doch Chinas wirtschaftliches Dilemma bleibt ungelöst. Zwischen der Abhängigkeit vom Dollar und dem Streben nach finanzieller Eigenständigkeit gefangen, sucht das Land nach einem Ausweg – ohne dabei eine wirkliche Lösung in Sicht zu haben.
China und seine Dollar-Anleihen: Zeichen enger Beziehungen mit Saudi-Arabien
Nach der Wiederwahl von Donald Trump sendet China ein gemischtes Signal an die internationalen Finanzmärkte: Trotz angestrebter Reduzierung der Abhängigkeit vom US-Dollar gibt China erneut Staatsanleihen in dieser Währung aus. Auffällig ist dabei, dass die Platzierung nicht in einem etablierten Finanzzentrum wie New York, London oder Hongkong erfolgt, sondern in Saudi-Arabien. Diese Entscheidung verdeutlicht die wachsenden finanziellen Beziehungen zwischen China und Saudi-Arabien und das Bestreben beider Länder, auch ohne BRICS-Mitgliedschaft des Königreichs eng zu kooperieren. Die Anleihen im Umfang von bis zu zwei Milliarden US-Dollar (ca. 1,88 Milliarden Euro) werden im November in Riad begeben – das erste Angebot dieser Art seit drei Jahren.
China verfolgt damit das Ziel, das Vertrauen internationaler Investoren in seine Wirtschaft und Kreditwürdigkeit zu stärken. Der Schritt kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Kapitalabflüsse zunehmen: Im dritten Quartal 2024 wurden 8,1 Milliarden Dollar (ca. 7,62 Milliarden Euro) abgezogen, und die Gesamtabflüsse belaufen sich im bisherigen Jahresverlauf auf 12,8 Milliarden Dollar (ca. 12,04 Milliarden Euro) – der höchste Wert seit mindestens 1998.
Vor diesem Hintergrund könnte China 2024 erstmals seit den 1990er Jahren einen jährlichen Nettoabfluss bei ausländischen Direktinvestitionen verzeichnen. Auch eine umfassende Schuldenrestrukturierung von über 12 Billionen Yuan (ca. 1,55 Billionen Euro) hat daran bisher wenig geändert. Der Hang Seng Chinese Enterprise Index, der den Offshore-Markt chinesischer Unternehmen widerspiegelt, verzeichnete nach einem kurzen Anstieg Anfang Oktober einen erneuten Rückgang von -14,4 %.
China und der US-Dollar: Eine Abhängigkeit mit Risiken
Die erneute Dollar-Verschuldung zeigt jedoch auch Chinas fortbestehende Abhängigkeit von der US-Währung. Nach Trumps Wahlsieg wächst in Peking die Sorge, dass die USA den Dollar als politisches Druckmittel einsetzen könnten. Ein Beispiel hierfür war der Einsatz von Sanktionen nach Russlands Einmarsch in die Ukraine.
Zudem werfen die Schuldenprobleme der USA Fragen zur Stabilität und Kreditwürdigkeit amerikanischer Staatsanleihen auf. China selbst hält nach Angaben der USA Anleihen im Wert von 774,6 Milliarden Dollar (ca. 728,9 Milliarden Euro) und ist damit nach Japan der zweitgrößte Gläubiger der USA. Seit einem Höchststand von über 1,3 Billionen Dollar (ca. 1,22 Billionen Euro) im Jahr 2013 hat China seine Bestände sukzessive reduziert, doch US-Staatsanleihen bleiben ein zentraler Bestandteil seiner Devisenreserven.
Zusätzlich zu den offiziellen Reserven halten Chinas staatliche Banken, Politikbanken und die China Investment Corporation (CIC) einen erheblichen Anteil an US-Dollar-denominierten Vermögenswerten. Die CIC verwaltet ein Vermögen von 1,33 Billionen Dollar (ca. 1,25 Billionen Euro) und investiert knapp 50 Prozent ihrer internationalen Assets in alternative Anlagen wie Hedgefonds und Immobilien, während ein Drittel in Aktien angelegt ist – 60 % davon in den USA.
Handelsüberschuss verstärkt Druck auf den Yuan
Mit einem erwarteten Rekord-Handelsüberschuss von 1 Billion US-Dollar (ca. 940 Milliarden Euro) bis Ende 2024 wächst Chinas Dollar-Kapital weiter an. Paradoxerweise spiegelt sich dieser Anstieg nicht in den offiziellen Währungsreserven wider, die zuletzt leicht auf 3,261 Billionen Dollar (ca. 3,072 Billionen Euro) zurückgingen – ein Rückgang, der sich primär durch die Stärke des US-Dollars erklärt.
Trotz dieses Handelsüberschusses bleibt Chinas Investitionsoption begrenzt, da der Umtausch großer Dollarbestände in Yuan zu einer Währungsaufwertung führen würde. Ein starker Yuan würde Chinas Exportwirtschaft belasten, was die Regierung zu verhindern sucht. Daher hat die chinesische Zentralbank (PBOC) am heutigen Mittwoch den Yuan auf seinen schwächsten Stand seit 14 Monaten gesenkt und einen Referenzkurs von 7,1991 Yuan pro US-Dollar festgelegt. Auch hat China nicht in Gold investiert. Die Goldreserven bleiben seit April bei 72,8 Millionen Unzen oder 2.264 Tonnen.
Alternativen zur Dollarbindung: China auf der Suche nach neuen Strategien
China steht vor der Herausforderung, seine Dollarabhängigkeit zu reduzieren, ohne den Yuan zu stärken. Der Kauf anderer Währungen wie Yen, Euro oder Pfund wäre potenziell konfliktbeladen, da solche Käufe den Handelspartnern ebenfalls Währungsaufwertungen und Wettbewerbsnachteile einbringen würden. Eine Diversifizierung der Währungsreserven ist zudem begrenzt, da kein Land außer den USA bereit ist, das für den Ausgleich von Chinas Handelsüberschüssen notwendige Handelsdefizit zu tragen.
Ein alternatives Modell könnte darin bestehen, den Yuan als Währung für den Handel mit Ländern des „Globalen Südens“ zu etablieren, wie es Fan Zhiyong von der renommierten Renmin-Universität fordert. Doch frühere Erfahrungen – etwa mit der Vergabe von Yuan-Anleihen an Venezuela – verliefen problematisch: Das Land war aufgrund wirtschaftlicher Missstände nicht in der Lage, seine Schulden planmäßig in Öl zurückzuzahlen. Ein anderes Szenario wäre, Dollarbestände zur Tilgung inländischer Schulden oder für den Aufbau eines neuen Pensionsfonds zu verwenden, was jedoch mit einer Yuan-Aufwertung einhergehen würde.
China: Dilemma zwischen Dollar und Yuan
Wenn China sein Engagement im US-Dollar reduzieren möchte, ohne den Yuan zu stärken, bleibt vor allem die Möglichkeit, in alternative Vermögenswerte zu investieren. Doch auch dies gestaltet sich schwierig. Der Kauf von Yen würde Japan verärgern, sobald sich die Auswirkungen auf den Handel bemerkbar machen. Ähnliches gilt für den Euro, das Pfund Sterling sowie den australischen und kanadischen Dollar. Kein anderes Land außer den USA hat bisher die Bereitschaft oder Kapazität gezeigt, entsprechende Defizite zu tragen.
Das zentrale Problem ist daher nicht, ob China den Dollar halten möchte, sondern vielmehr, dass seine auf große Handelsüberschüsse angewiesene Wirtschaft es schwierig macht, andere Vermögenswerte als US-Dollar-denominierte Anlagen in ausreichender Menge zu erwerben. Solange keine tragfähige Alternative existiert, bleibt China faktisch an den Dollar gebunden, trotz aller Bemühungen um eine größere finanzielle Eigenständigkeit.
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