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Zur Gerichtsentscheidung über das „OMT“-Programm der EZB: Meinungen und Auswirkungen

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden. Das potenziell mögliche Anleihekaufprogramm OMT (Outright Monetary Transactions) der EZB ist zulässig. Es gibt zwar gewisse Auflagen, die sind aber

FMW-Redaktion

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden. Das potenziell mögliche Anleihekaufprogramm OMT (Outright Monetary Transactions) der EZB ist zulässig. Es gibt zwar gewisse Auflagen, die sind aber schwammig und ziemlich lau. Der Bundesverband deutscher Banken äußert sich aktuell so:

„Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist kein Freifahrtschein für das OMT-Programm der Europäischen Zentralbank“, erklärt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Die Entscheidung zeige, dass die Deutsche Bundesbank sich an unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen wie dem OMT-Programm nur beteiligen kann, wenn bei deren Durchführung die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Maßgaben, wie u. a. eine Begrenzung des Kaufvolumens, beachtet werden. „Grundsätzlich sollten bei unkonventionellen Maßnahmen der EZB – wie etwa dem Kauf von Staatsanleihen – die möglichen Nebenwirkungen sorgfältig abgewogen werden“, betont Kemmer. Außerdem sei es fraglich, ob die zuletzt beschlossene Ausweitung der unkonventionellen Maßnahmen auf den Ankauf von Unternehmensanleihen überhaupt spürbar positive Effekte habe.


Das Bundesverfassungsgericht selbst hatte heute offiziell verkündet unter diesen Voraussetzungen beeinträchtige das OMT-Programm gegenwärtig nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages. Der Grundsatzbeschluss über das OMT-Programm bewege sich in der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung nicht „offensichtlich“ außerhalb der der Europäischen Zentralbank zugewiesenen Kompetenzen. Zudem birge das OMT-Programm in der durch den Gerichtshof vorgenommenen Auslegung kein verfassungsrechtlich relevantes Risiko für das Budgetrecht des Deutschen Bundestages.

Das muss man sich noch zwei drei mal genauer durchlesen. Also irgendwie, so glauben wohl auch die Richter, passt das alles nicht, aber irgendwie geht´s gerade noch so? Und irgendwie betrifft das den deutschen Haushalt auch nicht so richtig, vielleicht, mal sehen? Sowas Schwammiges schreibt das oberste deutsche Gericht? Da scheint man froh zu sein, dass man das alles Richtung Brüssel abschieben kann. Haben wir nichts mit zu tun, ist ja Angelegenheit der EU. Und genau an dem Punkt kommt das ifo-Institut, sozusagen der institutionelle Dauernörgler der EZB-Politik, ins Spiel.

Der neue ifo-Präsident Clemens Fuest tritt gut in die Fußstapfen seines legendären Vorgängers Hans-Werner Sinn, und äußert sich heute extrem kritisch zu dieser Entscheidung. Denn sehr wohl sei Deutschland davon betroffen, wenn über das OMT-Programm vor dem Bankrott stehende europäische Staaten gerettet würden. Denn, und da hat er ja Recht: Kauft die EZB Anleihen pleitebedrohter Länder, gehen die Ausfallrisiken in die Bücher der EZB – somit also automatisch anteilig in die Bücher der nationalen Notenbanken – somit zu guten Stücken auch in die der Deutschen Bundesbank – somit wird das OMT letztlich auch zum Haushaltsrisiko für den deutschen Steuerzahler. Laut Fuest diene das OMT-Programm in erster Linie dazu, dass eh schon stark verschuldete Länder weiterhin Kredite bekommen können. Die Risiken für den deutschen Steuerzahler seien nicht vom Bundestag mitbeschlossen worden. Und genau das scheint die Richterschaft in Deutschland wie auch auf EU-Ebene deutlich entspannter zu sehen.

Auch wenn das alles Stand heute eine theoretische und noch so trockene Debatte zu sein scheint: Tritt der Fall wirklich ein, dass ein EU-Staat pleite geht und Anleihen wertlos verfallen, wird es richtig bitter für den Bundeshaushalt. Also ist es eben doch eine nationale Angelegenheit. Es ist natürlich immer eine Frage der Sichtweise, ob man es als grenzenlos denkender überzeugter Europäer gut findet, dass sämtliche Risiken in Europa vergemeinschaftet werden. Man kann das gut finden im Sinne einer europäischen Integration. Letztlich heißt das nichts anderes, als dass diejenigen, die gut wirtschaften, diejenigen die schlecht wirtschaften stützen, bis zum bitteren Ende (ach ja, ein Ende existiert hier ja gar nicht mehr).

Abgesehen von Fuest sprechen heute verschiedene andere deutsche Top-Ökonomen von einem positiven Urteil. Die Begründung für ihre Freunde ist aber nicht so erfreulich. Sie basiert nämlich nicht auf inhaltlichen Argumenten, sondern nur darauf, dass Probleme verhindert wurden. So sagt der „Wirtschaftsweise“ Lars Feld heute der RP es sei eine kluge Entscheidung gewesen, denn das Bundesverfassungsgericht habe damit die EU vor einer „institutionellen Krise“ bewahrt. Aha. Es geht also nicht um Inhalte, sondern darum die Staatsraison der EU zu beschützen? Nach dem Motto „es gibt jetzt eh kein Zurück mehr?“ Das ist ein pragmatischer Ansatz, aber keine Argumentation, die auf Fakten basiert. Feld hätte z.B. sagen können die Gerichtsentscheidung sei gut, weil sie den EU-Verträgen entspräche. Das sagte er aber nicht. Ist ihm wohl nur allzu gut klar, dass die EZB hier quasi etwas tut, was nichts, aber auch gar nichts mit „Geldpolitik“ zu tun hat? Sie muss es aber einfach nur „Geldpolitik“ nennen, und schon ist das für die versammelte Richterschaft offenbar in Ordnung.

Nochmal: Nach unserer Meinung kann man es richtig finden, dass im Sinne einer europäischen Integration Risiken verschmolzen werden, und jeder für jeden haftet. Aber basierend auf dem aktuellen Stand der Dinge muss man schon sagen: Hier werden Risiken auf die nationalen Haushalte verlagert, ohne dass die Abgeordneten dieser Länder zugestimmt haben. Das kann (irgendwie?) nicht richtig sein!

Unsere Schlussfolgerung: Auch wenn das Bundesverfassungsgericht gewisse Vorgaben erteilt für Anleiheaufkäufe der EZB, die aktuell gar nicht zur Debatte stehen (OMT), so strahlt doch die Entscheidung ab auf das aktuelle Kaufprogramm der EZB für Staatsanleihen + Unternehmensanleihen. Die Hauptbotschaft, so meinen wir, die von diesem Urteil ausgeht, lautet: Deutsche Gerichte halten sich raus, die EZB hat im Großen und Ganzen freie Hand. Zur „Geldpolitik“ der EZB gehört, was sie selbst zur „Geldpolitik“ erklärt.



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2 Kommentare

  1. Soweit ich weiß, sind sämtliche Richter des Verfassungsgericht Mitglieder der drei großen Parteien. Es gibt anscheinend keine parteilosen Richter und somit auch keine unabhängige Justiz und wirkliche Gewaltenteilung! Die Verfassungsrichter müssten zumindest während ihrer Amtzeit ihre Partzugehörigkeit aussetzen. Außerdem sollte die Ernennung parteiloser Richter mit einer hohen Quote versehen werden. Mitglieder welcher Partei auch immer tendieren zu Anpassung, ja zu Opportunismus.
    Entsprechend verwundert mich das Urteil nicht.

  2. Und auch das ist ein Grund, warum sich alles immer mehr radikalisiert.
    Wir sind auf Gedeih und Verderben der EZB-Diktatur unterworfen.

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