Allgemein

Neobroker: Demokratisierung des Aktienhandels – wirklich?

Haben Neobroker wie Robinhood wirklich den Aktienmarkt demokratisiert?

Bringen Neobroker wirklich eine Demokratisierung bei Aktien?

Seit dem Aufstieg von RobinHood, dem wohl bekanntesten Neobroker, der demnächst wohl mit hoher Marktkapitalisierung an die Börse gehen wird, ist von einer Demokratisierung des Aktienhandels die Rede. Neue Anlegerkonten schießen aus dem Boden, unter weitgehender Abschaffung von Handelsgebühren auch mit kleinen Depotgrößen, die dennoch am großen Aktienhandel teilnehmen können. Doch hat dies bereits zu einer Änderung in der krassen Unverteilung des Aktienvermögens in den USA geführt? Eher nicht, wie die letzten Daten der US-Notenbank aufzeigen.

Neobroker: Der Aufstieg von RobinHood

Gestartet im Jahr 2013, kam der Neobroker, der damit wirbt den Markt für Mikroinvestoren zu öffnen, rasch auf viele User, die die Handels-App nutzen: 500.000 (2014), eine Million (2016), sechs Millionen (2017), 13 Millionen (2020) und 2021? Bereits 18 Millionen Kunden nach wenigen Monaten des Jahres – kein Wunder, der Medien-Hype um GameStop und AMC hat in den USA zur Eröffnung von zehn Millionen neuer Depots geführt.

Über die Gründe wurde auf FMW schon ausführlich berichtet: Die einfache Benutzeroberfläche über Smartphones, die Abschaffung der Handelsgebühren, der Effekt der großzügigen Helikopterschecks der US-Regierung in Zeiten der Arbeitslosigkeit und natürlich die zahlreichen Erfolgsmeldungen derjenigen in den sozialen Medien, die über die Reddit-Foren von großen Gewinnen schwärmen. Dies hat dazu geführt, dass 2021 vor allem über Noebroker schon fast 150 Milliarden Dollar durch die Kleinen an die Börsen geflossen sind, ein Drittel mehr als im ersten Halbjahr 2020.

Kleinanleger sind immer stärker Treiber des Kursgeschehens, durch ihre Börsenumsätze – aber eben nicht beim Besitz von Aktien, denn die Depotgröße beträgt bei den allermeisten RobinHoodern nach wie vor zwischen 1000 und 5000 Dollar. Hochgerechnet bedeutet dies für den kommenden Börsenneuling eine Gesamtgröße der Kundendepots von 80 bis 90 Milliarden Dollar. Wenn man sich aber die Gesamtaufteilung des Aktienvermögens in den USA ansieht, erkennt man rasch, wer von diesem durch Neobroker ausgelösten Hype im Besonderen profitiert.

Das US-Aktienvermögen

Wenn man sich die Zahlen der Federal Reserve bezüglich der Aufteilung des Aktienvermögen in den USA betrachtet, so muss man zu der Erkenntnis kommen, dass die wilde Zockerei der Kleinanleger an der Verteilung des Aktienvermögens bisher nichts geändert hat.

Was sind 90 Milliarden Dollar an beliehenem Aktienvermögens gegen das Gesamtaktienvermögen der Amerikaner von über 37.000 Milliarden Dollar? Siehe Zeile drei der Übersicht der Federal Reserve (Stand 31. März 2021).

Neobroker - die Volumina

Diese Übersicht verrät Weiteres:

Zum Ende des ersten Quartals besaßen die oberen 10 % der Amerikaner 88,6 % der Aktien, aber wie viel waren es vor Corona? – 88,3 Prozent. Der Rest verteilt sich fast ganz auf den Anteil der Menschen im 50-90 Prozentbereich.

Die untere Hälfte hat außerhalb ihrer aktienbasierten Rentenzahlungen nicht viel von der Aktienhausse. Man sieht es an den Zahlen der Fed: Ein Aktienvermögen von 210 Milliarden Dollar, oder 0,56 Prozent des Aktienvermögens, in Relation fast gleichbleibend zur Zeit vor Corona.

Klar zocken die jungen Wilden vor allem über Neobroker an den Optionsbörsen wie wild, aber wer profitiert von den vielen Trades? Zum Beispiel RobinHood, die 60 Prozent ihrer Einnahmen im ersten Halbjahr 2021 laut CNBC im Optionshandel erwirtschafteten, immerhin 198 Millionen Dollar.

Nichtsdestotrotz haben die vielen Geschäfte für Kursanstiege gesorgt, viele Gamma-Squeezes. Die Kleinanleger haben sich in großes Risiko begeben, um das Kapital in kurzer Zeit zu vermehren. Aber noch einmal 18 Millionen Depots bei Robinhood, über 80 Milliarden Dollar Depotvolumen und das im Vergleich zum Wilshire 5000, der gesamten Marktkapitalisierung des US-Aktienmarktes von über 45.000 Milliarden Dollar.

Von Demokratisierung des Aktienvermögens durch Neobroker kann also noch lange keine Rede sein.

Fazit

Was zunächst einmal eine absolute löbliche Idee ist, nämlich die Reduktion der Handelsgebühren an den Märkten, um auch den Handel der Kleinen zu fördern, könnte sich zum Ende des Zyklus in sein Gegenteil verkehren. Die scheinbar nicht vorhandenen Börsengebühren der Neobroker verleiten zum Zocken, zur Aufnahme von Wertpapierkrediten mit stark gehebelten Depots. Die Jubelmeldungen von starken Gewinnen in den neuen Medien verbreiten letztlich eine große Illusion.

Ein durch die Masse ausgelöster Boom, egal um welches Asset es sich handelt, führt zu hohen Preisen und zu einer stark gestiegenen Zahl an Marktteilnehmern. Eine exponentielle Entwicklung wiederum sorgt dafür, dass überproportional viele Anleger vom Einbruch betroffen sein werden – weit mehr als diejenigen, die vom „First Mover Advantage“ profitiert haben.

So etwas gilt auch für große Fonds, die von einem Modetrend profitieren. Selbst bei Giganten, wie dem legendären Legg Mason Fund mit Fondsmanager Bill Miller, der 15 Jahre lang den S&P 500 outperformt hat, kommt es zur „Regression to the Mean“. Was bei großen Titeln noch möglich ist, nämlich der einigermaßen kontrollierte Ausstieg, kann bei stark beliehenen Depots, die mit riskanten Nebenwerten bestückt sind, nicht gelingen. Wie erwähnt, gesunkene Handelsgebühren sind durchaus lobenswert, auch bei der langfristigen Umsetzung des Zinseszinseffekts, aber das Handelsprozedere im Bereich der Neobroker wird im Endeffekt nicht zu einer Demokratisierung des Aktienhandels und zu einer Umverteilung der Aktienvermögen führen. Jeder Langfristanleger weiß, wie schwer Timing am Markt ist, erst recht mittels Intensivtrading im Nebenwertebereich, ungeachtet offiziell nicht vorhandener Gebühren.

Ein neuer Schachzug der Finanzindustrie, „alter Wein, in neuen Schläuchen“.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

2 Kommentare

  1. Robinhood für die Reichen gut

    Sehr gut die Verhältnisse ins rechte Licht gerückt. Meinte doch kürzlich Althase Bernecker, die JUNGEN WILDEN würden den Aktienmarkt fast beherrschen ? ? Gemäss Berichten wird die junge Horde noch von den GROSsEN ausgenützt indem der Orderflow verkauft wird und somit helfen diese Gutmenschen mit die Dicken noch mehr zu füttern.( Kürzlicher Beitrag auf FMW)

  2. Ich bewundere Sie immer wieder für Ihre Artikel…sehr gute Sprache, auf den Punkt, ohne zu sehr Partei zu ergreifen…wunderbar

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage