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Neue Selbständige sollen in Rente einzahlen – CDU-Debakel

Neue Selbständige sollen voll in die Rente einzahlen. Und der Mindestlohn soll von 12,82 Euro auf 15 Euro ansteigen. Ein Debakel.

Deutschland-Flagge
Foto: evrenkalinbacak-Freepik.com

Der SPD kann man keinen Vorwurf machen, weil es nun mal ihre Thema ist: Mehr Beiträge aller Art von Menschen einziehen, die arbeiten. Rente optisch stabilisieren. Aber die CDU? Dort hätte man erwartet, dass ein grundlegender Wirtschaftssachverstand die schlimmsten Auswüchse verhindern würde. Auch wenn man sagt, dass man in einer anstehenden Koalition nun mal Kompromisse machen muss, so ist es unverzeihlich: In der Grundsatzeinigung von CDU und SPD ist zulegen, dass alle neuen Selbständigen zukünftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollen.

Neue Selbständige sollen in die Rente einzahlen

Im am Wochenende veröffentlichten Sondierungspapier von CDU und SPD heißt es, Zitat: Wir wollen Selbstständige besser fürs Alter absichern. Wir werden alle neuen Selbständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Andere Formen der Altersvorsorge, die eine verlässliche Absicherung für Selbständige im Alter gewährleisten, bleiben weiterhin möglich.

18,6 Prozent fallen bislang auf das Bruttogehalt eines Arbeitnehmers an. 50 % davon zahlt der Arbeitnehmer, die andere Hälfte der Arbeitgeber. Da bei Selbständigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein und die selbe Person sind, darf man also annehmen, dass alle, die sich demnächst neu in die Selbständigkeit begeben, auf ihre Einnahmen zusätzlich zu Steuern jetzt noch 18,6 Prozent an die Rentenversicherung zahlen müssen.

Man stelle sich mal vor, was das für Gastronomen, Kioskbesitzer, Handwerker, Dienstleister etc bedeutet. Erhebliche Mehrkosten! Die Selbständigen haben dann entweder die Wahl, selbst deutlich weniger netto in der Tasche zu haben, oder die Preise für ihre Kunden zu erhöhen, um diese monatlichen Mehrkosten zu finanzieren. Man darf daher in vielen Fällen steigende Preise für Endverbraucher erwarten. Und ob es bei einer Rentenversicherungspflicht nur für neue Selbständige bleibt? Ob an in einem Folgeschritt auch die bestehenden Selbständigen einschließt? Das ist wohl der nächste logische Schritt.

Jetzt kann man aber argumentieren: Wir wollen doch nur was Gutes tun für die Selbständigen, denn damit erwerben sie ja einen Rentenanspruch, und sind in vielen Fällen nicht mehr zur Altersarmut verurteilt!? Dazu sei angemerkt: Wie gering wird die Rente bitteschön in 20, 30 oder 40 Jahren ausfallen? Wer jetzt als neuer Einzahler hinzukommt, wird kaum mehr als ein Grundsicherungsniveau aus der Rente erhalten. Das Wort Selbständigkeit besagt nun mal, dass der Selbständige selbst entscheidet, wie und ob er für sein Alter vorsorgt. Der Selbständige geht ins Risiko bei allem was er tut. Das ist das Wesen seiner Tätigkeit. Mit der Rentenversicherungspflicht für Selbständige beraubt man dieser Personengruppe ihrer Eigenverantwortung. Man engt ihren Spielraum ein, und macht nebenbei den Standort Deutschland für alle, die sich selbst etwas aufbauen wollen, massiv unattraktiver!

Und es ist mehr als offensichtlich: Die SPD will mit dieser Maßnahme kurzfristig das Einzahlvolumen für die Rentenversicherung erhöhen, die eh schon chronisch defizitär ist. Das würde damit auch gelingen. Der Haken an der Sache ist aber: Wo ma kurzfristig das Beitragsaufkommen erhöht, weitet man auf lange Sicht das strukturelle Problem der Rentenversicherung noch weiter aus. Denn die heutigen Selbständigen, die Beiträge in die Rentenkasse einzahlen, erhöhen für die Zukunft die Zahl der Rentenempfänger! Zukünftig wird dann die Schere zwischen Renteneinnahmen und Rentenzahlungen noch weiter auseinander gehen. Aber kurzfristig könnte man öffentlich voller Stolz verkünden, dass man mit dieser Maßnahme das Defizit der Rentenkasse verringert.

Mindestlohn auf 15 Euro

Was für Arbeitnehmer immer eine gute Sache ist (mehr Gehalt sei jedem gegönnt), wird immer mehr zum Problem gerade für kleine Betriebe, die auf jeden Euro achten müssen. Gering qualifizierte oder schlecht gebildete Menschen, die dazu noch einfache Tätigkeiten ausüben, werden für Unternehmer immer schwerer bezahlbar, je höher der Mindestlohn ansteigt. Und bei einem aktuellen Mindestlohn von 12,82 Euro pro Stunde haben CDU und SPD nun vereinbart, dass der Stundensatz auf 15 Euro steigen soll. So steht im Sondierungspapier: Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich
die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.

Ein X-Nutzer schrieb am Wochenende: „Der Mindestlohn ist aktuell 12,82€. Sollte dieser auf 15€ angehoben werden, so bedeutet dies für meinen Laden folgendes: Mit einem Laugenbrötchen, das 1€ kostet, bleibt etwa 10 Cent Gewinn. Um meine beiden Angestellten weiterhin halten zu können muss ich somit: 2,20€ mal 8 Stunden mal 2 Personen durch 10 Cent = 352 Brötchen pro Tag mehr verkaufen. Oder den Preis für Laugenbrötchen drastisch erhöhen. Das ist nicht möglich. Demnach sind die Kosten zu hoch und ein Mitarbeiter würde entlassen werden. Mindestlohn schafft Arbeitslosigkeit.

Fazit

Höherer Mindestlohn und die Rentenversicherungspflicht für neue Selbständige – zwei Maßnahmen, die gerade für neue Selbständige das tägliche Arbeiten und Wirtschaften massiv erschweren wird. Man dürfte zukünftig mit viel geringeren Gewinnmargen und ausbleibenden Kunden zu kämpfen haben, weil man die Endkundenpreise erhöhen muss. Gerade für Kleingewerbetreibende ist diese Aussicht mehr als negativ zu bewerten! Dass die CDU das durchwinkt, ist ein Debakel. Da hilft auch nicht, dass der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie von 19 % auf 7 % sinkt. Denn gerade in diesem Sektor ist der Mindestlohn ein wichtiges Thema. Für neue Selbständige, die sich zum Beispiel als Dienstleister von Null aus etwas aufbauen wollen, steigen die monatlichen Belastungen extrem an. Wie soll da ein neuer Gründergeist entstehen? Fehlt dazu das Bewusstsein in der CDU völlig? Da würde jetzt das Korrektiv einer FDP gut tun – aber die hat es sich mit ihrer Wählerschaft drei Jahre lang gründlich verscherzt.



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8 Kommentare

  1. Moin, moin,

    da kann man sich nur dem Fazit anschließen.

    Eigenes Fazit: Je schlimmer desto besser. Je schneller und dicker es jetzt kommt, desto besser, da dann der Neuanfang schneller vor der Tür steht. Oder einfacher gesagt, lieber schnelles Ende, als eine ewige Talfahrt.

  2. Und die Beamten werden mal wieder übersehen! Die „bösen“ Selbstständigen

  3. Oh Gott jetzt haben wir ja bald österreichische Verhältnisse ;-)!
    „In Österreich zahlen fast alle Beschäftigungsgruppen, auch Selbstständige, verpflichtend in die Rente ein“
    https://rentenupdate.drv-bund.de/DE/1_Archiv/Archiv/2024/03_Oesterreich.html

    Im Ernst, die beiden willigen Regierungsparteien in spe, wissen das ihre Rentenkasse (Babyboomer fallen weg als Einzahler) und Sozialausgaben (Grundsicherung im Alter von Selbstständigen) vor dem Kollaps steht und gekürzt werden müssen, da der Kuchen ja bald neuverteilt wird.

    Rüstungsausgaben sollen ja von 1,38% BIP (2022) bzw. 10% des Haushalts auf 3,6% BIP oder ~25%!!! des Haushaltes steigen.

    Da kann man sich keine Subvention durch ehemallige Selbstständige mehr leisten.
    https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/Fakten-zur-Rente/Grundsicherung-im-Alter/grundsicherung-im-alter.html
    https://www.tagesschau.de/inland/neue-nato-ziele-teuer-deutschland-100.html

    Das alte Prinzip, das die Allgemeinheit im Alter die Kosten zahlt, für die Gewinne weniger in der Jugend, geht halt nicht mehr auf, da die Schultern schrupfen.

    p.s. Bei der Krankenkasse besteht übrigens das gleiche Problem, die Flucht aus der PKV mit 54Jahren als Selbstständiger und diversen Beratungsunternehmen kann die GKV nicht mehr leisten…

    1. Leider ist die Interpretation der Statistik aus dem ersten Link nicht korrekt. Das „alte Prinzip“ wie Du es nennst gibt es nicht und ist ein Mythos.

      Der überwiegende Teil der Selbständige können sich besser absichern, als Einzahler in die Rentenkasse und die überwiegende Teil (z.B. Ärzte, Rechtanwälte, IT Freiberufler, Steuerberater, …) sind keineswegs im Alter auf Grundsicherung angewiesen.

      Ich bin als Selbständiger aus dem maroden System ausgestiegen und bereits nach 15 Jahren Selbständigkeit ist meine Rente sicher und geregelt.

      Schau mal genau in den von Dir geposteten ersten Link und prüfe bittet genau was dort steht, er belegt deine Aussage einfach nicht.

  4. Die Beiträge zur Rentenversicherung würden die Einkommensteuern senken, um bis zu 50%, aber wer von den Start-Ups wird in den ersten Jahren einen hohen Gewinn erwirtschaften?

  5. Es wird dann bald sehr viel weniger Selbständige geben, als bisher schon. Im Grunde paßt diese Berufsgruppe auch nicht in eine neokommunistische Planwirtschaft. Man hat zu wenig Kontrolle über sie, es wird viel Bargeld benötigt (soll aber auch weg) und der Austausch mit vielen verschiedenen Menschen führt im schlimmsten Fall zur Verunsicherung hinsichtlich der jeweils aktuellen Narrative.
    Wenn man das zu frei laufen läßt, ist man am Ende noch gezwungen, stalinistische Methoden zu ergreifen. Das möchte niemand, wenn es auch mit Nudging und Framen geht.
    Im Grunde haben wir es bei dieser Maßnahme also mit purem Humanismus zu tun.

  6. Ich schätze mal, dass die Selbständigen eben nicht mit den Arbeitnehmern gleichgestellt werden, das war bereits bei den Sozialversicherungsbeiträgen von freiwillig gesetzlich Versicherten so.

    Wie wird der Verlust in der Beitragszahlung der DRV berücksichtigt? Erhalten die Selbständigen dann Versicherungsbeiträge?

    Vielleicht könnte Österreich berichten, wie es dort läuft?

    Also auf der Eintreibungsseite, nicht die Steuerzuschüsse.

    Danke

  7. Es war überfällig, dass sich auch Selbständige, nicht nur die neuen!, an der Solidargemeinschaft beteiligen. Das es der absicherung dienen soll ist leider nur ein schwaches Argument. Dazu müßte man endlich auch die kinderlosen „entrenten“ und einen Kapitalstock aufbauen, der die umlagefinanzierte Rente stützt. Immerhin ein kleiner richtiger Schritt.

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