Gas

Nord Stream 1: Was die reduzierten Transportmengen zeigen

Gazprom hat die Transportmengen über Nord Stream 1 deutlich reduziert. Schauen wir auf die Hintergründe und Aussagen aus Russland.

Gas-Flammen auf einem Herd

Wartungsarbeiten an der Gasleitung Nord Stream 1 sind an sich nichts Ungewöhnliches. Das zeigt das Wartungsprotokoll vom Gasleitungsbetreiber Nord Stream. Zu den jährlichen Wartungen im Sommer kommen Instandsetzungsmaßnahmen an den Anlandestationen hinzu. Auch das ist für einen störungsfreien Betrieb notwendig. Wie dringlich die Überholung der zwei Gasturbinen von Siemens auf der russischen Seite ist, lässt sich schwer einschätzen beziehungsweise ob der Zeitpunkt dafür bewusst gesetzt war, um Unruhe und Ängste zu schüren.

Stilllegung von Nord Stream 1

Doch wer jetzt Knappheitsängste hat, dürfte im Juli schlecht schlafen, wenn die zehntägige Jahreswartung läuft. Dann wird der Durchleitungsbetrieb ganz eingestellt. Das ist wiederum aus der Pressemitteilung zur Wartung im Juli 2021 zu entnehmen. Gehen jetzt bereits Gerüchte um, dass Russland die Gaslieferungen über Nord Stream 1 sukzessive einstellen könnte, was soll dann erst im Juli los sein?

Die Lastflussdaten zur Ostseegasleitung dokumentiert die Schweizer Gazprom-Pipeline-Tochter Nord Stream im Tagesverlauf stündlich. Seit 16. Juni beläuft sich das durchgeleitete Volumen in Summe auf rund 70 Millionen Kubikmeter Gas. Damit reduzierte sich seit Anfang Juni das Liefervolumen um gut 41 Prozent. Den Verlauf dieses Rückganges zeigt ebenfalls der Brüsseler Think Tank Breugel, der anhand von Zahlen vom europäischen Verband der Fernleitunsgnetzbetreiber Entsog die aktuelle Gasimportlage für Europa beobachtet. Darunter sind die aktuellen Gaslieferungen aus Russland.

Europa soll hohe Gaspreise provoziert haben

Alexej Miller, Chef des russischen Gaskonzerns Gazprom rechnete derweil auf dem internationalen Wirtschaftsforum von St. Petersburg am 16. Juni mit Europa ab. Dabei sprach er von tektonischen Veränderungen auf den Rohstoffmärkten und einem wirtschaftlichen Paradigmenwechsel. „Sie und ich sind Zeugen von Gaspreisschocks, wir sind Zeugen extrem hoher Volatilität auf den Rohstoffmärkten und sehr hoher Inflation. Aber all das hat nicht gestern begonnen, nicht heute. FMW: Man benennt also ganz andere Themen als Nord Stream 1! Miller: Und hier muss ich in Anführungszeichen „vielen Dank“ an die ausländischen Regulierungsbehörden und insbesondere an die europäischen Regulierungsbehörden sagen“, so Miller und erinnerte an das Europäische Energiepaket 3. Damit sei eine Abkehr von Langfristverträgen mit Ölpreisbindung erfolgt, in denen die Gaspreise niedriger sind als derzeit an den europäischen Handelsmärkten. Außerdem trage das Bretton-Woods-System zur Inflation bei.

Profiteur Gazprom kann Stellung halten

Unabhängig davon, ob technische Probleme an der Kompressorstation Portovaya am Ausgangsort von Nord Stream 1 sich wegen der Sanktionen nicht wirklich beheben lassen, führt Gazprom sein Salamiverfahren fort und kürzt Lieferungen, sei es nach Bulgarien, in die Niederlande oder jüngst nach Italien. Das russische Gasembargo ist längst angelaufen. Das Vehikel Nord Stream 1 blieb bis zum Juni davon verschont. Mit Blick auf die Jahreswartung scheint es für Gazprom keine große Hürde zu sein, auf die Einnahmen im Gasgeschäft zu verzichten. Außerdem sind hohe Gaspreise hilfreich dabei gut zu verdienen und weniger zu liefern.

Russischen Medien zufolge sehen die Experten von Eurointelligence.com darin einen Plan Moskaus, um Gaspreise zu erhöhen. Käufer würden große Mengen allein aus Angst vor steigenden Preisen kaufen. Zugleich herrscht beim Einspeichern von Gas zur Wintervorsorge jetzt Hochsaison. Das bringt in deutschen Medienberichten Themen auf die Tagesordnung zurück, die bisher ein Schattendasein fristeten und nur kurz durchblitzten, da sie für die Ampelkoalition Stress bedeuten. Jetzt hat nicht nur das Einsparen und Einspeichern von Gas Konjunktur. Auch die Debatte um den Einsatz von mehr Kohlekraftwerken und den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken hat Fahrt aufgenommen durch die Verkündung von Robert Habeck am Wochenende, dass bei der Stromerzeugung von Gas auf Kohle umstellen will.

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Russland will maximal zuverlässig liefern

„Russland bleibt ein maximal zuverlässiger Lieferant“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Agentur Interfax zufolge. Der technische Gasleitungsbetrieb von Nord Stream 1 leide unter den Sanktionen, die die Europäische Union verhängte. „Pumpkapazitäten, nämlich Turbinen, müssen einer Generalüberholung unterzogen werden. Einige Turbinen können nicht zurückgeliefert werden. Die Europäer bringen sie nicht an den Standort zurück. Aus diesem Grund gibt es einfach nichts zu pumpen. Dies ist eine von Menschen gemachte Krise, die die EU eigenhändig verursacht hat“, erklärte Peskow und betonte: „Wir haben Gas. Es ist zur Lieferung bereit.“

Wie zuverlässig Peskows Beteuerungen am Ende wirklich sind, bleibt mit einem Fragezeichen versehen. Der Spielraum für Manöver und Erpressung ist jedenfalls hoch. Es herrscht nun mal Krieg, und das hinterlässt Spuren. Russland will seine Kriegsziele in der Ukraine durchsetzen. Präsident Wladimir Putin zögert bestimmt nicht, nach Nord Stream 2 auch Nord Stream 1, bildlich gesprochen, in der Ostsee zu versenken.



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8 Kommentare

  1. Was bildest du dir ein, unter meinem Namen zu schreiben und dann auch noch Autoren der FMW persönlich zu beleidigen? Herr Fugmann, bitte löschen!

  2. Sollte dem wirklich so sein, dass die Turbinen der Gaspipeline wegen der Sanktionen nicht gewartet oder nach Russland wieder zurück transportiert werden können, würde das ja an maximaler Idiotie grenzen…

  3. Die EU zögert nicht nach Nordstream2 auch Nordstream1 in der Ostsee zu versenken

  4. Sehen Sie, haben wir nicht gesagte, das wir.uns befinden im Krieg.
    Hat Russland sich schon längst nach OOSTEN OORIENTIERT.
    Die USA wollen RUSSLAND ZERSCHLAGEN.
    Zündeln und Hetzen.
    Jetzt wir machen Krieg.
    Wird der Westen gewinnen?

  5. Wäre nicht eine einfache Lösung einfach Nordstream 2 nun doch zu nutzen. Würde der Gas Preis fallen wäre Russland wirklich in der Zwickmühle. Sie müssten entweder mehr liefern oder Farbe bekennen. Und die ganzen anderen Länder wie China und Indien hätten Instanz ein Problem wenn der Gas Preis wieder fällt. Russland würde das Druckmittel fehlen. Denn die Kapazität die nach EU bestehen gibt es dorthin nicht.

    Aber was erwartet man von der Regierung wo die Mehrheit noch nie wirklich gearbeitet hat und meint die Klimakrise ist alles. Statt erstmal die aktuellen Probleme lösen und etwas langfristig zu schauen. Aber hey mit 10k Gehalt ohne Abgaben merkt man nichts von den Problemen der Bürger.

  6. Bleibt die Frage: Was ist dran an den Wartungen der Gasturbinen in Russland.
    Wartungen sollen doch von Siemens gemacht werden.Siemens hat sich aber zwangsweise aus
    dem „Russland Geschäft“ zurückgezogen – wie soll das dann gehen ?
    Bleibt eine weitere Frage:
    Wartungsteile aber auch Neuteile zur Wartung sollen in Kanada sein.
    Wir haben aber ein Boikott auf Lieferungen von technischen Anlagen/Ersatzteilen für diese – ist das richtig ?
    Wenn ja,drehen wir uns damit nicht selbst den Gashahn zu und welche Länder außer den viel genannten
    im Osten haben ein wirtschaftliches Interesse daran ?

  7. Unsere Regierung ist unfähig diese und die vorige.
    Sie lassen sich von der USA treiben.

  8. Alles was passiert geschieht im Interesse von CIA und MI6 bzw. Denen die dahinter stehen. Ukraineeskalatzion seit Jahren vorbereitet. Nato das Sprachrohr der Amerikaner und unfähiges Europa. Wer zündelt denn seit Jahrzehnten weltweit? Frage beantworten und Konsequenzen ziehen…Ein Wunschtraum!

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