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Ökonomen aktuell über Griechenland: „Nicht kreditfähig, Hilfsprogramm eine einzige Irreführung“

Griechenland rückt mal wieder in Fokus. Aber wohl nur, weil mal wieder eine große neue Teilrate des 86 Milliarde Euro-Rettungsprogramms (eher eine Umschuldung) ansteht, und weil es wohl in Kürze eine...

FMW-Redaktion

Griechenland rückt mal wieder in Fokus. Aber wohl nur, weil mal wieder eine große neue Teilrate des 86 Milliarde Euro-Rettungsprogramms (eher eine Umschuldung) ansteht, und weil es wohl in Kürze eine Entscheidung des IWF geben wird, dass man sich mit einem wahrscheinlich relativ kleinen Betrag an dem Programm der Euro-Partner beteiligt. Ökonomen sprechen auch heute erneut Klartext, und nennen das Problem beim Wort. Griechenland ist weder strukturell noch gedanklich vorangekommen, wenn es um eine zukunftsorientierte Ausrichtung des Landes geht. Natürlich ist das einfach gesagt von hier aus Deutschland, wo alles in Ordnung ist (in Relation zu Griechenland).


Gemeinfrei

Aber ein aktives Aufbäumen kann man in Griechenland nicht erkennen. Es wirkt so, als habe sich auch der einst große Hoffnungsträger Tsipras damit abgefunden, dass er im „Würgegriff“ der Gläubiger ist. Die „Strukturreformen“, die man als Gegenleistung für immer neue Umschuldungen abliefern muss, werden nur mit passivem bürokratischem Widerstand umgesetzt. Aber wirklich ändern tut sich nichts, so möchten wir es mal in einfach Worten ausdrücken. Etwas technischer drückt sich heute der Thinktank „ecp“ mit Sitz in Freiburg aus. Zitat:

Griechenland ist nach wie vor nicht kreditfähig. Eine Trendwende ist nicht abzusehen. Zu diesem Schluss kommen die Autoren des diesjährigen cepDefault-Indexes. „Nach wie ist das Konsumniveau in Griechenland viel zu hoch. Hinzu kommt ein massiver Abbau des Kapitalstocks“, erklärt Prof. Lüder Gerken, Vorstandsvorsitzender des cep und Mitautor. Neben Griechenland aber weisen weitere fünf Euro-Länder eine abnehmende Kreditfähigkeit auf, die sich darüber hinaus seit schon mehreren Jahren verfestigt hat. Dies sind, Italien, Lettland, Portugal, Slowenien und Zypern.

„Die Euro-Zone kommt weiterhin nicht zur Ruhe“, so Matthias Kullas, Mitautor der Studie. „Die politische Unsicherheit über die Zukunft des Euros wird zudem durch den Disput über die Schuldentragfähigkeit Griechenlands befeuert.“ Dass Griechenland auch sieben Jahre nach Ausbruch der Euro-Krise nicht kreditfähig ist, führt er zuallererst auf ausbleibende Reformen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit zurück. Die Studie verweist außerdem darauf, dass in den vergangenen Monaten deutlich wurde, dass sich die Euro-Länder nach wie vor nicht auf eine solide Fiskalpolitik verständigen konnten und zahlreiche Euro-Länder, allen voran Frankreich, Italien, Portugal und Spanien, die Verschuldungsgrenzen des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht ernst nehmen. Dies habe das Vertrauen in die Zukunft des Euros weiter unterminiert. All diese Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass die Renditen der Staatsanleihen der Euro-Länder seit Jahresbeginn wieder stärker auseinandergehen.

Der cepDefault-Index 2017 legt eine stärkere Differenzierung der nationalen Anleiherenditen nahe und verweist darauf, dass sich die Kreditfähigkeit der Euro-Länder stark unterschiedlich entwickelt. Während die Kreditfähigkeit von zwei Dritteln der Euro-Länder Jahr für Jahr zunimmt, erodiert sie in anderen Euro-Ländern ebenso kontinuierlich oder ist, wie im Fall Griechenlands, längst verlorengegangen. Mit Ausnahme von Zypern ist der Verfall der Kreditfähigkeit in diesen Euro-Ländern auf eine negative Investitionsquote zurückzuführen. Wenn der dadurch bedingte Abbau des Kapitalstocks über längere Zeit anhält, verarmt die Volkswirtschaft, warnt das cep in seiner Studie.

Griechenland spezifisch:

Ursache: Die negative Entwicklung der griechischen Kreditfähigkeit war bis 2010 auf einen übermäßigen Konsum und eine geringe internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen. Beides führte zu einem hohen Auslandskreditbedarf. 2011 kam ein stark schrumpfender Kapitalstock verbunden mit Kapitalflucht hinzu. Solange das Investitionsklima in Griechenland schlecht bleibt,vermögen hieran auch die Finanzhilfen der anderen Euro-Länder nichts zu ändern. Diese Gemengelage führt im Ergebnis zu einer kontinuierlichen Verarmung Griechenlands.

Handlungsempfehlung: Um die Kreditfähigkeit zu verbessern, müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert werden. Zudem müssen die Reformvorgaben, zu denen sich die griechische Regierung im Gegenzug für die Finanzhilfen verpflichtet hat, konsequent umgesetzt werden. Anderenfalls wird weder die Kapitalflucht aufhören noch werden heimische oder ausländische Unternehmen zu Investitionen bereit sein. Letzteres ist jedoch notwendig, damit Griechenland langfristig wieder kreditfähig wird.

Clemens Fuest

Mit ebenfalls drastischen Worten meldet sich der seit letztem Jahr amtierende Chef des ifo-Instituts Clemens Fuest heute bei SPON zu Wort. Das Hilfsprogramm für Griechenland (aktuell 86 Milliarden Euro in mehreren Einzelschritten) sei eine einzige Irreführung. Es ginge hierbei eigentlich um Transfers (unser Reden…), weil die Kredite nicht zurückgezahlt werden könnten, so Fuest. Griechenland sei auch nie bereit gewesen die für die Kredite vorausgesetzten Reformvereinbarungen umzusetzen. Auch wies Fuest darauf hin, dass das Grundproblem Griechenlands auch in anderen Ländern verankert sei (meint er etwa Italien?). Inländische Banken, die stark an der Finanzierung der eigenen Staaten beteiligt seien, dürften deswegen nicht pleite gehen. Deshalb sei es auch nicht möglich solche Staatsschulden zu restrukturieren – private Inhaber dieser Schulden würden aus der Haftung entlassen, und man belaste stattdessen die Steuerzahler. Es habe hier eine Verschleierung mit Lügen und all zu optimistischen Prognosen gegeben.

Und wie geht es nun weiter? Wir meinen: Es ist ja offensichtlich. Der IWF wird (irgendwie) mit an Bord kommen mit einem symbolischen kleinen Betrag, damit Wolfgang Schäuble seine Abgeordneten daheim ruhigstellen kann. Euro-Partner und IWF genehmigen dann die nächste Kredittranche für Athen, weil dort angeblich die Reformen nach Plan laufen – dann hat man erstmal wieder Ruhe, bis zur nähsten Umschuldungsrunde – denn letztlich werden mit den neuen Kreditmilliarden lediglich alte Schulden bezahlt – es ist eben nur eine große Umschuldungs-Aktion, und keine Rettung!



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