Märkte

Ölpreis steigt – ist das die Falle einer falschen Hoffnung?

Beispielbild einer Pumpe für Öl

Gestern sagten wir, dass die Lage beim Ölpreis nun dramatisch werden könne. Denn die runde große Marke von 20 Dollar im WTI-Öl war das Tief vom 18. März, und ein Fall unter diese Marke könne zu einem weiteren dramatischen Abrutschen führen. Und dann fiel der Ölpreis gestern Abend auch bis auf einen Tiefstpunkt von 19,26 Dollar! Aber dann kam die unerwartete Wende. Bis heute ist der Markt gedreht auf aktuell 21,54 Dollar. Was ist da los?

Der Grund für den aktuellen Dreh im Ölpreis – eine Falle für die Bullen?

Bei solchen plötzlichen Anstiegen kann man immer an eine kurzzeitige technische Reaktion denken, wo in einem überverkauften Markt Gewinne mitgenommen werden. Rutscht der Ölpreis bald wieder in den Keller? Aktuell scheint es Hoffnung zu geben, die ausgestrahlt wird durch mögliche Gespräche zwischen den USA und Russland. Denn Moskau befindet sich derzeit im Öl-Krieg mit Saudi-Arabien. Die Saudis hatten am 9. März die Fluttore komplett geöffnet, und werden im April wohl 12,3 Millionen Barrels pro Tag fördern, wo die Fördermenge noch vor Kurzem unter 10 Millionen Barrels pro Tag lag. Diese Überflutung und gleichzeitig der Nachfrageschock dank des Coronavirus sind dieser Tage der doppelte Schock für den Ölpreis, der brutal gefallen ist!

Putin und Trump haben gestern telefoniert, und nun sollen auf Minister-Ebene weitere Gespräche folgen. Das Ziel ist klar. Donald Trump wollte zwar lange Zeit einen fallenden Ölpreis, damit seine Wähler an den Tankstellen Geld sparen können. Aber jetzt ist der Ölpreis so weit gecrasht, dass ein Großteil der Fracking-Industrie in den USA vor dem Kollaps steht. Die Förderkosten liegen deutlich höher als der aktuelle Erlös, also ist die Produktion defizitär! Hunderttausende Jobs sind in Gefahr, was die Coronakrise für die US-Volkswirtschaft dramatisch verschärft. Also werden die USA wohl versuchen auf Russland einzuwirken, damit Moskau sich wiederum mit den Saudis versöhnt? Ziel ist eine koordinierte Förderengenkürzung Russlands mit der OPEC. Aber genau das war ja das Problem, weshalb der Öl-Krieg ausgebrochen war. Es gab keine Einigung zwischen OPEC und Russland. Wird man sich dieses Mal einigen, weil Russland, Saudis, die anderen Golfstaaten, die US-Fracker… weil sie alle derzeit gigantische Summen verlieren, bei einem so derart niedrigen Ölpreis?

Eugen Weinberg von der Commerzbank ist laut aktuellen Berichten der Meinung , dass Brent-Öl schon bald wieder in Richtung 35 Dollar steigen könne (aktuell 23,31 Dollar), wenn die USA es schaffen sollten die Saudis von ihrem Preiskrieg abzubringen. Falls nicht, drohe der Brent-Ölpreis unter 20 Dollar zu fallen. Und das ist jetzt genau die Frage! Gelingt es den USA so viel Druck auf Russland auszuüben, dass Putin nachgibt, und mit der OPEC eine Vereinbarung für eine gemeinsame Fördermengenkürzung schließt? Daran sind Zweifel angebracht. Es kann funktionieren, aber dieser Hoffnung auf einen weiter steigenden Ölpreis kann sich für die Bullen als üble Falle entpuppen. Denn die Nachfrage nach Öl bricht derzeit extrem stark weg. Und zwar wohl so stark, dass eventuell selbst eine Einigung auf Fördermengenkürzung dem nur teilweise entgegenwirken kann – wenn sie denn überhaupt zustande kommt. Laut aktuellen Berichten hat Exxon zum Beispiel jetzt eine Raffinerie in Louisiana mit 500.000 Barrels pro Tag Kapazität geschlossen, wegen zu wenig Nachfrage bei den Konsumenten.

Analystenmeinungen

Hoffnungsfroh für eine mögliche Wende im Ölpreis ist heute Jasper Lawler von der London Capital Group. Der Ölpreis sei am Montag auf ein neues 18-Jahres-Tief gefallen. Die großen nationalen Ölproduzenten würden jede Aussicht auf eine Einigung herunterspielen, und das halte den Abwärtsdruck für den Ölpreis aufrecht. Letztendlich würden sie aber das tun, was in ihrem besten finanziellen Interesse liege. Und dies sei die Begrenzung der Produktion, um die Preise in die Höhe zu treiben. Man denke, dass entweder die Fracking-Unternehmen in den USA einer Drosselung der Produktion zustimmen werden, oder die USA die Sanktionen gegen Russland reduzieren, um sie an den Verhandlungstisch zu bringen. Beides würde seiner Meinung nach den gegenwärtigen Trend fallender Ölpreise beenden.

Ipek Ozkardeskaya von Swissquote meint aktuell, dass der Markt (trotz der ganz aktuellen kleinen Erholung im Ölpreis) mit Öl überschwemmt werde. Und zwar mit Öl, das derzeit niemand benötige. Eine gemeinsame Aktion der Öl-Förderländer zur Senkung der Produktion könne eine gewisse Erholung der Ölpreise bringen. Aber jede angebotsseitige Intervention müsse so groß sein, dass sie dem historischen Nachfragerückgang entspreche, wobei der tägliche Bedarf nach Öl allein durch die weltweit nicht fliegenden Flugzeuge um schätzungsweise 5 Millionen Barrel zurückgegangen sei.

By the way, so möchten wir noch erwähnen… in Kanada ist die Lage noch viel dramatischer als bei den großen Terminkontrakten Brent und WTI. Der dortige Ölpreis ist weit tiefer gefallen als Brent oder WTI (hier mehr Infos). Und hier noch einige sehr interessante Aussagen der Expertin Amena Bakr über die aktuelle Gemengelage:

WTI Ölpreis im Kursverlauf seit Mitte Februar+
Im Chart sehen wir den WTI-Ölpreis seit Mitte Februar.



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5 Kommentare

  1. Nicht nur, dass die Ölnachfrage fehlt, sondern es gibt da noch das Nordstream Thema. Solange hier der größte US-Präsident für ever nicht einlenkt, kann er von einer Einigung von Russland und den Saudis nur träumen.

  2. Hallo Herr Kummerfeld,
    Der Ausdruck „Falle“ trifft im Moment auf beide Handelsseiten zu :-)
    Am gestrigen Tag traf es die Shorties, die man peu à peu wie an der Schnur gezogen in Richtung 20 hat laufen lassen. Das ist übrigens das faszinierende am Ölhandel:
    Trends kann man wunderbar nach Charttechnik handeln.
    (Dies nur mal als Tipp, falls jemanden die ‚Zickerei‘ im fdax zu nervenaufreibend ist)
    Aber eben nur bis an bestimmte Marken.
    Ausbruchstrader, die ein vermeintliches Momentum nutzen möchten, werden gnadenlos rasiert.
    Zurück zum gestrigen Beispiel:
    Im vorbörslichen US-Handel haben einige immer wieder versucht, den Durchbruch unter die 20 zu testen. Vermutlich haben Algorithmen sie immer wieder schnell zurückgeholt.
    Dann die Mittagspause.
    Unsere Erfahrung:
    Die Big Boys treffen sich zu Mittag, die „Azubis“ haben den Auftrag, den Preis währenddessen in engem Kanal zu halten und ja nichts anbrennen zu lassen !
    Oftmals heisst nach dem Essen die Parole: „So – den Shorties machen wir mal ordentlich Feuer unterm A…“
    Man hat sie ihre Einstiege triggern lassen, den Preis immer knapp unter der 20 gehalten, immer mehr Händler stiegen short ein.
    Im Volumenprofil erkennt man es, wwenn der Preis immer knapp ausserhalb der Volume Area tickert.
    Tipp: An solchen Stellen und bei solchem Verhalten NIEMALS einen Trade beginnen !
    Der Jubel der Shorties nach dem vermeintlichem Durchbruch war nur von kurzer Dauer.
    Innerhalb von ca 20 Minuten ginge stakkatoartig fast sechzigtausend Futures im Kauf über den Tisch.
    Offensichtlich wollten starke Kräfte eben nicht nur die 20-er Marke „verteidigen“, sondern auch ein klares Signal geben, wo der Hammer hängt.
    Und wer es wagt, es nicht ernst zu nehmen, der bekommt ihn auf den Kopf !
    Ein ähnliches Spiel findet auf der Oberseite statt, jedoch nicht nicht so krass.
    Herr Kummerfeld, vergessen Sie nicht, dass die WTI Futures sich in extremem Contango befinden – heisst: die Preise der nächsten Monate sind aussergewöhnlich viel höher als der aktuelle Frontmonat (Mai).
    Es spiegelt das gewaltige Missverhältnis wider von Angebotsüberhang und Nachfrageschwäche.
    Der Juni future ist unglaubliche vier Dollar höher und der Dezember-Kontrakt sogar über 13 Dollar als der jetzige Mai.
    Langfristige Händler müssen beim Rollen somit einen heftigen Aufpreis bezahlen.
    Noch steht das Rollen nicht akut an, aber bald wird es den Mai Future nochmals unter Druck bringen.
    Ein extremes Contago löst sich oftmals nicht durch eine Abflachung der Kurve auf, sondern mit dem Kippen in eine Backwardation und umgekehrt.
    Beispiele für ein Wechsel zwischen Backwardation und Contango mit anschliessendem Trendwechsel im Preis:
    Anfang Februar 2020
    Anfang Oktober 2018
    Ende Dezember 2018

    Sollte das passieren, dann kann es im jetzigen Fall mit dem Ölpreis stark nach oben gehen.
    Das Szenario in der Realwirtschaft sähe etwa so aus:
    – Die Kanadier fahren notgedrungen die Produktion drastisch herunter, da keine Nachfrage, Transportkosten zu hoch, Lager bereits voll und mit begnnendem Frühjahr kaum noch Bedarf an Heizöl.
    – Die US Fracker fallen liquiditätsmässig um wie Dominosteine, fahren ebenfalls
    ihre Produktion herunter
    – Die Saudis geben eine drastische Produktionskürzung bekannt
    – Die Russen signalisieren „Gesprächsbereitschaft“
    – Politisch einigen sich die USA, Russland und Saudi Arabien
    – Post-Corona ein enormer Nachholbedarf in der Mobilität.
    – Wiederanstieg des Welthandels, Schiffahrt, Flugtransporte, etc.

    Ich sehe in den genannten Faktoren eine hochexplosive Mischung.

    Auf Sicht von mehren Monaten erwarte ich den Ölpreis mindestens bei 35 Dollar (Herbst)
    Zum Frühjahr 2021 erwarte ich mindestens 45 Dollar.
    Tradingtechnische Umsetzung bitte nicht mit Long Calls umsetzen. Optionen sind bei der aktuell extremen Vola völlig überteuert. Der Verlust des inneren Wertes einer solchen Option radiert den Kursgewinn zu einem grossen Teil wieder aus, selbst wenn der Preis in die genannten Region läuft.
    Ich selbst setze es direktional zum Teil mit futures um – weiss aber um die Rollverluste und das Stopp-Risiko.
    Der Weg der grössten Gewinnwahrscheinlichkeit ist der VERKAUF von Puts an der zweiten Standardabweichung (also igendwo beim strikepreis von 12, und sie mit eine KAUF eines noch tieferen Strikes abzusichern (Bull Put Spread).
    Mit dieser Art profitiert man von einem Rückgang der Volatilität.

    1. Und dann wäre da noch die Riesengeldmenge, die ins System gekippt wird. Diesesmal relativ direkt in den Verbrauchermarkt, somit also Verbraucherpreise-Inflation, wenn nicht Hyperinflation. Auch das wird den Ölpreis anheizen.
      Wenn VW wie geplant Ende April (oder früher) wieder hochfährt, dann ist das gar nicht mehr so lang.

  3. Genau deshalb wird der Ölpreis auch bald wieder steigen. Öl ist für mich derzeit ein fast sicheres Investment, ob direkt oder in Öl-Aktien. Niemand der Player hat ein Interesse an einem dauerhaft niedrigem Preis. Kurz- und mittelfristig sehr wohl. Russland leidet unter US-Sanktionen, vor allem an der Blockade gegen Nordstream. Solange die USA hier nicht nachgeben, wird Russland den Ölpreis niedrig halten. Die USA könnten nur auf Saudiarbien Druck ausüben, immerhin ihr wichtigster Verbündeter. Oder sind die USA schon so schwach? Andererseits ist ein niedrigerer Ölpreis für die US-Ökonomie sehr gut, abgesehen von der Ölbranche.

  4. Da können Alle schwafeln u.theoretisieren wie sie wollen, klar wird der Ölpreis wider steigen, aber erst wenn der Langfristdenker Putin es will. Zuerst wird er seine Gegenspieler noch ein wenig ausquetschen, vor allem diejenige die ihn mit Boikott verärgert haben.Alle Russland -Basher staunen wie Russland das wirtschaftlich aushält.Russland u.China sind leidensfähig u.lässt die REICHEN LÄNDER schmoren.

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