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Ölpreis: Wie gefährlich ist der Absturz für die Weltwirtschaft?

Ohne deutlich steigenden Ölpreis wird es keinen substanziellen Anstieg in den Aktienmärkten geben. Zu stark sind die Implikationen für den Bankensektor

Nach dem fast beispiellosen Rückgang beim Ölpreis innerhalb von nur zwei Tagen freuen sich viele Verbraucher beim Blick auf die Zapfsäulen. Die Preise für Benzin und Diesel sanken seit Jahresbeginn um bis zu 10 Prozent, ebenso wie der Preis für Heizöl, der mit 52,60 Cent pro Liter im Bundesdurchschnitt ein Drei-Jahrestief erreicht hatte. Immerhin gibt es noch 4,8 Millionen Ölheizungen allein in Deutschland (Bestand 2018) und ein niedriger Ölpreis dürfte sich nachhaltig in den Haushaltskassen bemerkbar machen. Alles halb so schlimm? Nicht, wenn man sich das große Bild betrachtet.

Der schwarze Montag für den Ölpreis

Montag, der 9. März, war nicht nur ein historischer Tag in puncto Aktienmarktcrash mit dem Einbruch des Dow Jones Average um sagenhafte 2000 Punkte – dem vorausgegangen und einer der entscheidenden Auslöser, war ein dramatischer Absturz des Preises für das Schmiermittel der Weltwirtschaft. Der Ölpreis ist am Montag so heftig abgestürzt, wie zuletzt vor 29 Jahren zu Zeiten des ersten Golfkriegs. Ein Barrel der Ölsorte Brent kostete zeitweise nur noch gut 30 Dollar. Was war die Ursache?

Der Auslöser für die panischen Reaktionen an den Märkten waren zwei Männer, die sich bei der Sitzung der Opec nicht auf einen Deal verständigen konnten: Prinz Abdulaziz bin Salman, Energieminister von Saudi-Arabien und Alexander Nowak, der Energieminister von Russlands. In der jüngsten Vergangenheit hatten sich die beiden Ölländer stets bei ihren Produktionsquoten abgestimmt.

Bis zum Wochenende, als Saudi-Arabien einen Preiskrieg entfesselte.

Der große Ölkonzern Saudi Aramco verkauft sein Öl mit hohen Abschlägen am Markt und kündigte außerdem eine deutliche Steigerung der Ölproduktion an . Dann die Antwort der russischen Ölwirtschaft in Gestalt des Konzerns Rosneft, der ebenso mit einer Ankündigung von Produktionsausweitungen konterte.

Russland hatte nicht damit gerechnet, dass Saudi-Arabien als Reaktion auf die Weigerung sich derart trotzig verhalten und sogar einen Nachlass von über sechs Dollar pro Barrel für asiatische Kunden gewähren würde? Bringt diese zerstörerische Aktion Russland an den Verhandlungstisch zurück? Wenn nicht, droht ein weiterer Ölpreisverfall. Aber wie sind die jeweiligen Produktionsbedingungen in den Ländern ?

Saudi-Arabien hat Devisenreserven von über 500 Milliarden Dollar und eine konkurrenzlos billige Ölförderung durch den weltgrößten Ölkonzern Saudi Aramco. Sensationell niedrige 2,80 Dollar pro Barrel für die teuerste börsennotierte Firma der Welt. Zum Vergleich:

ExxonMobil, der größte westliche Ölproduzent benötigt 16 Dollar, die russische Firma Rosneft 20 Dollar pro Fass. Das klingt zunächst einmal gut für die Saudis, aber ein überbordender Staatshaushalt mit einem unvergleichlich niedrigen Steueraufkommen der Bürger sorgt dafür, dass man für einen ausgeglichenen Haushalt einen Ölpreis von über 83 Dollar benötigt. Schließlich stammen immer noch 85 Prozent der Staatseinnahmen aus dem Ölgeschäft. Vorteil Russland, denn das Land kommt mit 42 Dollar pro Fass aus.

Wie sehr Russland von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft abhängig ist, zeigten jedoch die Reaktionen an den Kapitalmärkten am gestrigen Dienstag. Am Montag konnte man infolge eines Feiertages das Geschehen nur an den Bildschirmen verfolgen, aus dem schwarzen Montag wurde für Russland ein schwarzer Dienstag.

Die Börsenreaktionen:

  • Der russische Rubel verlor gestern gegenüber dem US-Dollar 4,6 Prozent an Wert.
  • Die Energiefirmen Rosneft, Lukoil und Gazprom gaben zwischen 12 und 15 Prozent nach.
  • Der Leitindex RTS Index brach um 12,2 Prozent ein.
  • Der Einbruch der Rohölpreise erinnerte an das Jahr 2015, als ein ähnlicher Preissturz Russland in eine Rezession gestürzt hat.
  • Sollte der Ölpreis unter 40 Dollar verharren, brächte dies bei einem Exportvolumen von fünf Millionen Barrel täglich, einen Verlust von über 100 Millionen Dollar pro Tag, so Lukoils Vize Leonid Fedun.

Die Geschichte der Auseinandersetzung um den Ölpreis

Der Kampf um die Vorherrschaft am Ölmarkt hat schon eine längere Geschichte. Bereits zweimal hat Saudi-Arabien den Konkurrenten mit einem Preiskampf in die Knie gezwungen. Im Jahre 1989 sank der Ölpreis so stark, dass auch Präsident Michail Gorbatschow im Kreml (im Zusammenhang mit anderen Ursachen) die Sowjetunion nicht mehr retten konnte. Und 1998 führte der wiederum von Saudi-Arabien eingeleitete Ölpreiseinbruch zum Staatsbankrott. Russland möchte ein drittes Mal verhindern. Man hat einen über 150 Milliarden schweren Staatsfonds, der auch bei Preisen um 30 Dollar für ein paar Jahre die Ausnahmeausfälle kompensieren könnte, so eine Stellungnahme des russischen Finanzministeriums. Saudi-Arabien habe daher aus russischer Sicht das größere Risiko.

Was bedeutet das für die US-Frackingindustrie?

Nach Ansichten einiger Ölmarktspezialisten geht es bei dieser Auseinandersetzung der Ölländer vor allem um einen Kampf gegen die US-Frackingindustrie. Diese hat in den letzten Jahren ohne Rücksicht auf irgendwelche Förderquoten die Förderung auf Teufel komm raus erhöht. Von 8,5 Millionen Barrel am Tag im Jahr 2016 auf mittlerweile bis über 13 Millionen Fass, inklusive der herkömmlichen Ölförderung. Die USA wurden zum Selbstversorger und zu einem großen Exporteur. Allerdings kam dieses Wachstum mit einer hohen Verschuldung zustande, durch die Ausgabe von massenhaft Junk Bonds.

Und hier beginnt das Problem. Da die Förderung von US-Schieferöl unter 45 Dollar unrentabel wird, geraten diese Firmen in Existenznot – und die Anleihen werden durch das Ausfallrisiko zu Schrottpapieren. Bei 60 Prozent dieser Bonds sprang am Montag die Rendite auf über 11 Prozent über der von US-Staatsanleihen, wie die Deutsche Bank berechnet hat. Dem billionenschweren Markt droht bei einem dauerhaft niedrigen Ölpreis ein existenzielles Problem, schließlich muss in den nächsten drei Jahren allein ein dreistelliger Milliardenbetrag zurückgezahlt werden. Wie will die Fed in diesem Bereich unterstützen? Noch darf sie es nicht. Zudem rauschen die Aktien aller Energieunternehmen, ob Schieferindustrie oder konventioneller Förderung, in den Keller, wie Claudio Kummerfeld gestern Abend in seinem Artikel dargestellt hat.

Und für die anderen Ölstaaten?

Sollte sich der offensichtliche Kampf um Marktanteile in dieser destruktiven Form fortsetzen, drohen weitere ernsthafte Folgen für die kleineren Ölförderländer. Bei einem länger andauernden Verfall biem Ölpreis wäre an erster Stelle das ressourcenreichste Land Venezuela endgültig am Ende.

Dazu trifft es auch den Iran, der zur Zeit unter zwei weiteren Belastungen steht: den US-Sanktionen und stärksten Beeinträchtigungen durch das Coronavirus.

Des Weiteren geraten die Währungen der betroffenen Länder unter Druck, bei einer Verschuldung in US-Dollar schon seit Jahren eine Art Damoklesschwert für die Emerging Markets. Ölländer wie der Irak, Nigeria oder Angola bräuchten eher dreistellige Dollarnotierungen für ihre Staatshaushalte. Einer Analyse der Investmentbank RBC Capital Markets zufolge bräuchten die Opec-Staaten im Durchschnitt einen Ölpreis von 90 Dollar zum Erreichen ausgeglichener Haushalte. Aus diesen Beispielen zeigt sich einmal mehr das globale Risiko, welches der Poker um Marktanteile nach sich zieht.

Ja, und was ist eigentlich mit dem großen Thema Energiewende, das durch den stark abesackten Ölpreis nicht gerade unterstützt wird?

Die Profiteure

Der Preisverfall hilft natürlich einigen Ländern, die als Importstaaten von Kosteneinsparungen profitieren. Allen voran China und auch europäische Staaten, die schwer unter Konjunkturflaute, als auch den Auswirkungen des Coronavirus leiden.

Auch das eingangs erwähnte Deutschland, das damit sogar einen kleinen Erholungsschub bekommen könnte. Ebenso wie die stark angeschlagene Luftfahrtindustrie. Jede Krise hat zwei Seiten, wobei dies nur ein schwacher Trost für ein Exportland wie Deutschland darstellen dürfte, denn die Verluste aus einem schwächelnden Auslandsgeschäft dürften die Einsparungen bei den Ölkosten deutlich übertreffen.

Gibt es Hoffnung auf Einigung?

Am gestrigen Tag kursierte die Meldung, dass Russland, vielleicht geschockt durch den Verfall des Ölpreises sowie des Aktienindex RTS und des Rubels, zu neuen Verhandlungen mit Saudi-Arabien über Fördermengen bereit sei. Ein Kompromiss sei nicht ausgeschlossen, wie ein Kreml-Sprecher andeutete.

„Die Türen sind nicht geschlossen“, bestätigte Energieminister Alexander Nowak im Interview mit dem russischen Staatsfernsehens Rossija 24.

Fazit

Ohne deutlich steigenden Ölpreis wird es keinen substanziellen Anstieg in den Aktienmärkten geben. Zu stark sind die Implikationen für den Bankensektor infolge des bonitätsschwachen Anleihemarktes (Frackingindustrie) sowie für die Aktienkurse der Energieunternehmen. Deshalb stellt sich die Frage: Wird einer der Streithähne – Saudi-Arabien oder Russland – nachgeben? Gezwungen durch die vorhandenen Haushaltsnöte oder gibt es etwas Entspannung durch einen raschen Wiederanstieg der chinesischen Produktion – dem Land, welches für 14 Prozent des gesamten Weltölverbrauchs steht? Die Satellitenbilder von Chinas Metropolen zeigen eine deutliche Zunahme des Verkehrs, auch in den Fabriken fährt man die Produktion langsam wieder hoch.

Aber genügt das Anspringen der chinesischen Nachfrage, um das Preisniveau wieder nach oben zu bringen, schließlich soll das Überangebot auf dem Weltmarkt derzeit vier bis fünf Millionen Barrel pro Tag betragen?

Gestern kam es schon einmal zu einer Entspannung an den US-Aktienmärkten. Crude Oil kletterte im Tagesverlauf um 11 Prozent nach oben und erlebte seinen besten Tag seit September. Der Ölpreis scheint eine mitentscheidende Größe zu werden, bei der Frage, ob sich die Krise im High Yield-Bondmarkt weiter zuspitzt.

Der kollabierende Ölpreis ist eine Gefahr für die Weltwirtschaft



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1 Kommentar

  1. Eigentlich ist es ein Nullsummenspiel, bei höheren Ölpreisen gibt es Profiteure u.Verlierer wie bei tieferen Preisen auch. Dass der sonst geschätzte Zwermann kürzlich meinte, tiefere Preise würden die Wirtschaft stützen stimmt zwar, die Nachteile des Preisverfalls überwiegen aber in diesem Fall.
    Genau das Gleiche passiert bei den Zinsen, bei zu tiefen Zinsen ( Negativzinsen) überwiegen die Nachteile,
    ( Nebenwirkungen Umverteilung )
    Das Beste ist ein gesundes Mittelmass, womit alle leben können.

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