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Österreichische Post mit „nationaler“ Amazon-Kopie, damit das Geld der Österreicher auch „bloß nicht ins Ausland abfließt“

Ziemlich unbemerkt von der breiten europäischen Öffentlichkeit hat die österreichische Post das Portal "shoepping.at" ins Leben gerufen. Es soll ein richtiger Marktplatz sein, genau so wie der...

FMW-Redaktion

Ziemlich unbemerkt von der breiten europäischen Öffentlichkeit hat die österreichische Post das Portal „shoepping.at“ ins Leben gerufen. Es soll ein richtiger Marktplatz sein, genau so wie der Amazon-Marktplatz auch. Nur mit einem entscheidenden Unterschied. Hier werden ausschließlich Produkte von österreichischen Verkäufern angeboten. Ob die Produkte gezwungenermaßen auch wirklich alle in Österreich hergestellt werden, lässt sich wohl kaum nachprüfen. Die Aussagen des Portals hören sich an wie die von diversen amerikanischen Politikern gern zitierte Parole „Buy American“.

Ja, das Wort „national“ ist aus gutem Grund extrem negativ angehaucht, besonders im deutschsprachigen Raum. Aber genau das ist es, was die österreichische Post aktuell macht. Sie spielt die nationale Karte. Das österreichische Newsportal „die presse“ nennt es nicht „national“, sondern spricht bei „shoepping.at“ von einer „Werbetrommel für patriotisches Einkaufen“. Klingt netter, ist aber das selbe.

Natürlich ist grundsätzlich nichts Schlimmes daran, wenn Österreicher Produkte aus Österreich kaufen.
„shoepping.at“ wirbt damit, dass es darum gehe, das Geld der österreichischen Online-Konsumenten im Land zu halten. Denn 2016 flossen von 6,9 Milliarden Euro Onlineshopping-Volumen gut die Hälfte an ausländische Händler. „shoepping.at“ hat diese Woche einen Youtube-Film online gestellt, bei dem man fast den Eindruck bekommen könnte, dass Österreich gerade dabei ist finanziell auszubluten (Video am Ende des Artikels). Das muss natürlich gestoppt werden.

Am Ende des Videos erscheint nochmal das offensichtliche Motto des Portals „Damit unser Geld in unserem Land bleiben kann“. Wir finden: Eine mehr als merkwürdige Daseins-Berechtigung für so einen Onlineshopping-Marktplatz! Vielleicht sollte man besser damit werben, welch tolle Produkte österreichische Produzenten anbieten, also auf die Inhalte eingehen. Das wäre schon eher nachvollziehbar.

Man findet im Portal zum Beispiel Produkte wie Wasserkocher, Fernseher und Sonnenbrillen. Ob die wirklich alle in Österreich hergestellt wurden? Die jüngste Entstehung einer österreichischen Industrie in diesen Bereichen wäre uns nicht bekannt. Also geht es offensichtlich kaum darum österreichische Produzenten zu unterstützen, sondern dem österreichischen Konsumenten das Gefühl zu geben er tue etwas für Österreich. Profitieren werden demnach wohl also einige österreichische Online-Vertriebe, die wie Onlinehändler auf Amazon ihre Waren oft in großen Stückzahlen in Asien einkaufen.

Vielleicht eröffnet der eine oder andere deutsche Onlinehändler rasch einen „Briefkasten“ in Wien, damit er sagen kann er sitzt in Österreich? Dann könnte er ja seine Produkte als österreichischer Verkäufer auch auf dieser Plattform anbieten? Um die 10% Umsatzprovision kassiert die österreichische Post als Betreiber des Marktplatzes für Umsätze, abweichend je nach der Marge der Produkte. „shoepping.at“ selbst sagt dazu, dass man österreichische Kundinnen und Kunden sowie österreichische Händler auf einer Online-Einkaufsplattform zusammen bringen wolle. Gemeinsam mit den dort vertretenen Händlern wolle man eine inländische Alternative zum Wettbewerb aus dem Ausland schaffen, so die offizielle Aussage.

Tja, es ist nun mal das Schicksal relativ kleiner Volkswirtschaften, dass große Online-Marktplätze oder Online-Verkäufer in großen Ländern mit vielen Konsumenten sitzen. Da hat Österreich vermeintlich ähnliche Probleme wie andere kleine Nachbarn. Nochmal: Wer das Video sieht, könnte glatt den Eindruck gewinnen dieses neue Portal rette österreichisches Geld in letzter Sekunde vor der Abwanderung ins Ausland. Und man sehe dieses Geld dann nie wieder, so wirkt es zumindest. Spricht man damit eine ganz bestimmte Klientel an? Und nein, das ist kein Österreich-Bashing unsererseits. Wir werfen diese Frage nur final in den Raum, denn die Art und Weise des Marketings ist doch mehr als fragwürdig.

Wenn dieses Portal wächst, und die Anbieter wirklich eine Alternative zu Amazon und Co sein wollen, geht es eben nur wie vorhin schon beschrieben. Wenn man den Kunden eine große Produktpalette bieten will, wird man „schön“ in Asien einkaufen, und die Produkte dann als österreichischer Verkäufer an seine Kunden vertreiben. Aber vielleicht, nur vielleicht, war die Absicht der österreichischen Post gar nicht so böse und „national“ gemeint, wie von uns unterstellt? Wollte man wirklich einfach nur eine eigene Alternative zu ausländischen Portalen schaffen, ohne bösen Hintergedanken? Reagieren wir mit diesem kritischen Artikel einfach nur völlig falsch? Bilden Sie sich ihr eigenes Urteil und schauen Sie das Video!



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3 Kommentare

  1. Ein Weg in die richtige Richtung ! Steinig hart, aber nachahmenswert !

  2. Germanen aus dem Altreich fehlt möglicherweise der zum Verständnis nötige Hintergrund. Das Werbevideo spielt an auf diesen österreichischen Hit, der Beziehungs- und Eigentumsfragen thematisiert: https://www.youtube.com/watch?v=GWgisTPKCdk
    „Den Hund, den kriegst Du auch nicht – und das Haus, das gehört mir…“
    Der austriakische Zombie-Humor von „Seiler und Speer“ ist halt etwas eigenartig: https://www.youtube.com/watch?v=g1Yaflcg-yM

  3. warum denn nicht? Ein sehr guter Ansatz. Wieso sollte man nicht die heimische Wirtschaft unterstützen?

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