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OPEC und Russland – gleich kann es turbulent werden – Expertenstimmen

Am frühen Nachmittag tagen OPEC und OPEC+. Wird Russland aus der Vereinbarung herausgelöst? Erhöhen die Golfstaaten daher ihre Fördermengen?

Benzin-Zapfsäule an einer Tankstelle

Nach dem Absturz am Dienstag ist der Ölpreis gestern und heute Nacht weiter abgerutscht. Seit Dienstag Abend fällt WTI-Öl von über 119 auf aktuell 112,82 Dollar. Wird die OPEC heute Russland aus dem erweiterten Kartell OPEC+ quasi ausschließen, und werden Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mehr Öl auf den Markt werfen? Dieses Szenario scheint gerade am Markt eingepreist zu werden. Ab 13 Uhr beginnen die Tagungen der OPEC, und ab 14:30 Uhr beginnt die Tagung der OPEC+, wo es dann wirklich interessant werden kann. Wir werden in einem LIVE-Blog berichten. Offiziell soll es nur um die Fördermengen für Juli gehen. Hier aktuelle Expertenkommentare zur derzeitigen Gemengelage am Ölmarkt.

Carsten Fritsch von der Commerzbank kommentiert aktuell den fallenden Ölpreis, und den Auslöser – nämlich einen Bericht der Financial Times, wonach Saudi-Arabien bereit sei die Produktion stärker zu erhöhen, falls die Produktion Russlands aufgrund der westlichen Sanktionen deutlich fällt. Er erwähnt auch den Bericht des Wall Street Journal vom Dienstag, dass Russland angeblich von den Produktionsvorgaben der OPEC+ ausgenommen werden könnte, die es aufgrund der westlichen Sanktionen nicht mehr erfüllen könne. Die Anzeichen verdichten sich somit laut Carsten Fritsch, dass die OPEC+ bei ihrem heutigen Meeting von ihrem bisherigen Kurs der graduellen Ausweitung der Ölproduktion abweichen könnte.

Bis vor wenigen Tagen galt es seiner Aussage nach noch als ausgemacht, dass man heute die Fördermenge für Öl für Juli um weitere 432.000 Barrel pro Tag hochsetzt. Ob die OPEC+ ohne Rücksichtnahme auf Russland deutlich mehr Öl an den Markt bringen kann, bleibe dennoch abzuwarten. Die meisten afrikanischen Länder würden es schon seit letztem Sommer nicht mehr schaffen ihre Ölproduktion nennenswert zu erhöhen. Aber auch Saudi-Arabien und der Irak produzierten in den vergangenen Monaten weniger als vereinbart. Russland meldete dagegen für Mai einen überraschenden Anstieg der Ölproduktion um 1,4 Prozent auf 10,188 Millionen Barrel pro Tag. Zuvor war sie zwei Monate in Folge gesunken. Russland äußerte sich zuversichtlich alternative Routen für sein Öl zu finden, das aufgrund des Embargos nicht mehr von Europa abgenommen wird. Ob dies vollständig gelingt, ist laut Carsten Fritsch allerdings fraglich. Die russische Ölproduktion dürfte seiner Meinung nach daher in den kommenden Monaten wieder fallen.

Ipek Ozkardeskaya, Senior Analyst bei der Swissquote Bank betont aktuell, dass der Ölpreis seine Gewinne nicht über die Marke von 120 Dollar ausbauen konnte, nachdem die Europäer ihr Ölembargo gegen Russland bekanntgaben. Dies sei zwar eine positive Nachricht, löse aber nicht das Problem der höheren Ölpreise. Tatsächlich – so betont sie es – ist der Preis für ein Barrel der Sorte WTI seit letztem Jahr um mehr als 70 Prozent gestiegen, während die US-Produktion nur um 7 Prozent zunahm. Einer der Gründe dafür sei, dass der Ölpreis seit Beginn der Pandemie einfach zu unbeständig sind. Der Preis für ein Barrel sei innerhalb weniger Monate von einem Minus auf ein historisch hohes Niveau gestiegen, und die Produzenten wollen nicht unbedingt überreagieren und ihre langfristigen Produktionspläne ändern – schon gar nicht, wenn so viel Druck auf die Umstellung auf grüne Energiequellen ausgeübt wird. Viele Produzenten ziehen es laut Ipek Ozkardeskaya daher einfach vor, ihr Geld in die Hand zu nehmen und „die Fahrt zu genießen“, anstatt es für zukünftige Investitionen zu verwenden.

Daher werden ihrer Aussage nach die strukturelle Verknappung des Angebots, das Zögern der OPEC die Produktion so zu erhöhen, das Ende der Abriegelung in Schanghai, und die Aussichten auf eine Öffnung Chinas den hohen Ölpreisen weiterhin einen Boden unter den Füßen bereiten. Allerdings scheine der Aufwärtstrend um die 120 Dollar herum vorerst begrenzt zu sein.

Die OPEC wird laut Aussage von Ipek Ozkardeskaya wahrscheinlich an ihrem Plan zur Produktionssteigerung festhalten und bei ihrem Treffen keine Wunder vollbringen. Sie erwähnt ebenfalls den Bericht des Wall Street Journal, wonach man die OPEC+-Vereinbarung mit Russland früher als geplant aussetzen könnte. Normalerweise sollte die Regelung bis zum Ende dieses Jahres fortgesetzt werden, aber es sei nun möglich, dass die Vereinbarung Ende September ausläuft, da das Quotensystem keinen Sinn mache, wenn Russland aufgrund der neuen europäischen Sanktionen an einer Produktionssteigerung gehindert wird. Die gute Nachricht sei, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Lücke füllen könnten. Die schlechte Nachricht sei, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Lücke möglicherweise nicht vollständig füllen werden.



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2 Kommentare

  1. der ganzen Diskussion wohnt doch einer eigener Zauber inne. es gibt nun auf diesem Gebiet tausende von Experten (zumindest gefühlt), die von ihnen gemachten Vorhersagen treffen eher selten ein. Tja Politik und
    Opportunismus sind halt sehr volatil

  2. Außenminister Sergej Lawrow erklärt im Rahmen seiner aktuellen Naher und Mittlerer Osten-Reise, daß die Russische Föderation und der Golf-Kooperationsrat, dem u.a. das Königreich Saudi-Arabien angehört, im Jahr 2023 in Moskau zusammenkommen. Dies klingt nach einer Fortsetzung der Kooperation zwischen Russland und Saudi-Arabien. Von daher rechne ich nicht mit einem Ausschluß Russlands aus der Öl-Allianz OPEC+. Und das ist auch gut so.

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