Kann sich der aktuelle Höhenflug der US-Aktienmärkte fortsetzen? Die aktuelle Berichtssaison liefert überzeugende Antworten: Mit beeindruckenden Gewinnen überraschen zahlreiche Unternehmen des S&P 500 Analysten und Anleger gleichermaßen. Inmitten einer laufenden Aktienrally präsentieren sich die US-Firmen in bemerkenswerter Verfassung – ein Zeichen dafür, dass die Rekordjagd an den Börsen noch lange nicht vorbei sein muss. Es gibt aber auch einen Haken.
Aktienmärkte: Gewinnmotor pusht den S&P 500
Vor der aktuellen Berichtssaison hatten Analysten das Schlimmste erwartet und ihre Schätzungen deutlich gesenkt. Doch die bislang solide Berichtssaison zeigt, dass es den amerikanischen Unternehmen gut geht. Das lindert die Sorgen, die Rekordrally der US-Aktienmärkte könnte überhitzen.
Bis zum Handelsschluss am Donnerstag hatten laut einem Bericht von Bloomberg etwa ein Drittel der Unternehmen im S&P 500 ihre Ergebnisse vorgelegt. Auffällig ist, dass dieser Gewinnzyklus deutlich robuster ausfällt als erwartet. Wie aus Daten von Bloomberg Intelligence hervorgeht, haben rund 83 % der Unternehmen die Gewinnschätzungen der Analysten übertroffen. Damit ist der Anteil der Unternehmen, die die Erwartungen übertreffen, auf dem besten Weg, den höchsten Stand seit dem zweiten Quartal 2021 zu erreichen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Messlatte zuvor sehr niedrig lag.
Der S&P 500 ist seit seinem Tiefstand am 8. April um 28 % gestiegen und hat in den letzten Wochen eine Reihe von neuen Rekordständen erreicht. Selbst der S&P 500 Equal Weight Index, bei dem alle Mitglieder gleich gewichtet sind, hat sein Rekordhoch erreicht. Diese Gewinne sind zu einem Zeitpunkt entstanden, als die Befürchtungen über die Auswirkungen der Zölle auf die Wirtschaft nachließen, die Anleger langsam zu Aktien zurückkehrten und ihre extreme Risikoaversion aufgaben.
Damit die Kurse weiter steigen, müssen die Unternehmensgewinne die Anleger weiterhin beeindrucken. Mark Hackett von Nationwide sagt, dass die Berichtssaison in diese Richtung weist.

Unternehmen schlagen die Erwartungen
„Da einige der pessimistischen Szenarien verblassen, sind die Kommentare der Geschäftsführer weniger konservativ und die Schätzungen für 2025 und 2026 beginnen zu steigen, was für Rückenwind sorgt”, so der Chef-Marktstratege des Unternehmens.
Mehrere große Technologiewerte aus dem S&P 500 zeigten sich optimistisch. So verzeichnete Alphabet einen Anstieg der Nachfrage nach Produkten im Bereich künstliche Intelligenz, was den Quartalsumsatz ankurbelt. Die Hausbauer D.R. Horton und PulteGroup meldeten bessere als erwartete Gewinne, was eine Erholungsrallye ihrer Aktien auslöste. Netflix hob seine Prognose für den Gesamtjahresumsatz und die Gewinnmargen an. Levi Strauss & Co. erklärte zudem, dass das Umsatzwachstum die Auswirkungen der Zölle überwiegen werde.
Die meisten Unternehmen schlagen die Erwartungen für ein Quartal, in dem viele Analysten ihre Prognosen gesenkt hatten. Sie gingen aufgrund der erhöhten Unsicherheit hinsichtlich der Handelspolitik und des Wirtschaftswachstums von einer schwachen Berichtsaison aus. Laut Daten von BI wurde vor Beginn des Zyklus für die Unternehmen des S&P 500 im zweiten Quartal ein Gewinnanstieg von 2,8 % gegenüber dem Vorjahr erwartet. Bislang liegt das Gesamtgewinnwachstum jedoch bei 4,5 %.
US-Wirtschaft bleibt robust
Auch die jüngsten Wirtschaftsdaten geben keinen unmittelbaren Anlass zur Sorge. So sind die Anträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA laut Angaben des Arbeitsministeriums vom Donnerstag zum sechsten Mal in Folge gesunken, was darauf hindeutet, dass sich der Arbeitsmarkt weiterhin robust zeigt.
„Der Arbeitsmarkt läuft zwar nicht auf Hochtouren, zeigt aber auch keine entscheidenden Anzeichen einer Schwäche“, sagte Bret Kenwell, US-Investmentanalyst bei eToro. Das dürfte den Anlegern helfen, durchzuatmen, so Kenwell.
Dennoch ist der Weg für die US-Aktienmärkte nicht völlig frei. Die Aktienbewertungen sind sehr hoch: Der S&P 500 wird mit dem 22,5-fachen der prognostizierten Gewinne gehandelt, verglichen mit einem Zehnjahresdurchschnitt von 18,6. Das hat Befürchtungen geweckt, dass es wenig Spielraum für Fehler gibt. Tatsächlich werden Unternehmen, die sowohl die Gewinn- als auch die Umsatzprognosen verfehlen, derzeit so hart bestraft wie seit dem dritten Quartal 2022 nicht mehr.
Aktienmärkte sind (zu) heiß gelaufen
Darüber hinaus zeichnen sich Anzeichen einer Überhitzung ab. Die manische Rallye bei sogenannten „Meme-Stocks“ erinnert dabei an die extreme Euphorie der Anleger im Jahr 2021. Einige Treiber der Rallye, wie beispielsweise die Nvidia-Aktie, sind sehr heiß gelaufen und dürften bald eine Verschnaufpause benötigen.
„Eine übermäßig optimistische Stimmung ist nach wie vor der größte Risikofaktor für die Aktienmärkte“, sagte John Kolovos, Chief Technical Market Strategist bei Macro Risk Advisors. Einige Trading-Desks an der Wall Street raten ihren Kunden, sich gegen potenzielle Rücksetzer abzusichern, falls die Entwicklungen bei der Federal Reserve oder an der Zollfront die Stimmung der Anleger trüben sollten. Vor allem das Ende der Frist für die reziproken Zölle am 1. August könnte die Volatilität an den Aktienmärkten noch einmal erhöhen. Zudem spricht die Saisonalität in der ersten Augusthälfte eher für eine Konsolidierung an den Aktienmärkten.
Teure Bewertungen sind der Grund, warum Dec Mullarkey, Managing Director bei SLC Management, Gewinnüberraschungen genau im Auge behält, aber noch genauer auf die Prognosen achtet. „Besser als erwartete Ergebnisse stützen die Aktien, aber dies ist ein anspruchsvoller Markt“, sagte Mullarkey. Unternehmen müssen eine solide Geschichte und starke Aussichten vorweisen können.“
FMW/Bloomberg
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