Ein Kommentar von Thorsten Polleit
Es war Lieferung auf Bestellung: Der Rat der US-Zentralbank (Fed) hat auf seiner Sitzung am 31. Juli 2019 den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte gesenkt – erstmalig wieder seit Dezember 2008. Der US-Leitzins befindet sich nun in einer Bandbreite von 2,00–2,25 Prozent
Die Gründe für die Zinssenkung sind die Folgenden: Die Inflation der US-Konsumgüterpreise wird als relativ niedrig angesehen (im Juni stieg der Konsumentenpreisindex um 1,6% gegenüber dem Vorjahr an), und diese Diagnose hat aus Sicht der Fed-Räte eine Zinssenkung möglich gemacht.
Vor allem aber fürchten die Geldpolitiker, die US-Wirtschaft könne Schaden nehmen durch den schwelenden US-China-Handelskonflikt – obwohl bislang noch alles recht gut läuft: Im zweiten Quartal 2019 wuchs die US-Wirtschaft um 2,1% gegenüber dem Vorjahr nach 3,1% im ersten Quartal; und nach wie vor herrscht Vollbeschäftigung: Die (offiziell ausgewiesene) Arbeitslosenquote lag im Juni bei 3,7% (Mai: 3,6%).
Paradigmenwechsel
Dass die Fed in diesem Umfeld eine Zinssenkung beschlossen hat, ist in der Tat bemerkenswert, es signalisiert im Grunde einen Paradigmenwechsel. Bislang ist es nämlich in der Regel so gewesen, dass die Fed die Zinsen erst dann gesenkt hat, wenn sich der Abschwung bereits in handfesten Daten gezeigt hat. Diesmal aber ist es anders:
Die Zinssenkung zielt darauf ab, eine künftig mögliche Konjunkturkrise abzuwehren bevor sie überhaupt in Erscheinung getreten ist! Der gegenwärtige Aufschwung soll also mit allen Mitteln in Gang gehalten werden; und Zinsentscheidungen werden durch die erwartete Datenlage, nicht durch die tatsächliche Datenlage getrieben!
Die öffentlichen Aufrufe von US-Präsident Donald J. Trump, die Fed solle die Geldpolitik lockern, waren vermutlich nicht bedeutungslos für die Fed-Entscheidung. Und allein schon deshalb wird es nicht bei einer Zinssenkung bleiben: Die Fed, so denken wir, reduziert die Zinsen in den kommenden Sitzungen noch weiter, der Leitzins wird insgesamt um mindestens einen Prozentpunkt verringert.
Null- und Negativzinswelt
Eigentlich pfeifen es die Spatzen schon seit langem von den Dächern, aber es sei hier dennoch wiederholt: Extrem niedrige Zinsen sind längst ein überlebenswichtiges Elixier für die Wirtschaft geworden (und das nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika). Denn niedrige Zinsen halten den kreditfinanzierten Konsum- und Investitionsboom in Gang.
Und deshalb senkt nicht nur die Fed die Zinsen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wird vermutlich schon im September nachziehen und ihre Leitzinsen um, so denken wir, 0,20 Prozentpunkte verringern; der Einlagenzins würde dann auf minus 0,60 Prozentpunkte fallen, und nachfolgend wird er vermutlich in weiteren Schritten auf ungefähr minus 1 Prozent abgesenkt.
Die Aussicht, dass weltweit die Konjunkturen durch immer niedrigere Zinsen gestützt werden, und dass die Zentralbanken „im Notfall“ die Geldmengen wieder schneller anschwellen lassen, jagt die Preise auf den Vermögensmärkten wohl weiter in die Höhe. Die Vermögenspreisinflation geht weiter: Die Preise für zum Beispiel Aktien, Häuser und Grundstücke werden inflationiert.
Die weltweit großen Zentralbanken führen die Volkswirtschaften gradewegs und immer tiefer in die Null- und Negativzinswelt, und das wird noch sehr große Probleme verursachen, die die Öffentlichkeit derzeit noch nicht erkennt, und über die viele „Experten“, die es eigentlich besser wissen müssten, leichtfertig hinwegsehen.[1]
Vorsicht: Geldentwertung
Die Zentralbanken sind dabei, die Zinsen auf beziehungsweise unter die Nulllinie zu zwingen. Da die Inflation auch künftig positiv sein wird, bedeutet das: Immer mehr Realzinsen fallen in den Negativbereich. Die bittere Einsicht: Das Geld wird entwertet, und damit auch die in Geld ausgewiesenen Schuldpapiere.
Was kann der Anleger da tun? Physisches Gold – und im aktuellen Umfeld: auch Silber – bieten eine Möglichkeit, um liquide Mittel in einer Form zu halten, die nicht von den Zentralbankpolitiken entwertet werden kann; und die auch kein Zahlungsausfallrisiko trägt (wie zum Beispiel Bankeinlagen).
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