Indizes

Rezession – keine Reaktion beim Dax?

Eine Rezession in Deutschland wird immer wahrscheinlicher: Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von Deutschland dürfte im dritten Quartal abermals gefallen sein, darauf deutet nicht nur der Ifo-Index hin, der mit drei Bewegungen in einer Richtung eine sehr signifikante Prognosequalität besitzt und im August schon den fünften Monat in Folge gefallen ist. Auch hat das DIW-Konjunkturbarometer mit dem tiefsten Stand seit sieben Jahren einen Rückgang der deutschen Wirtschaft im aktuellen Quartal mit minus 0,2 Prozent quantifiziert – die technische Rezession wäre per definitionem erfüllt. Seltsamerweise reagiert der deutsche Leitindex nicht auf das sich abschwächende Wachstum.

 

Den Konjunkturabschwung gut vorhergesagt

Erinnern wir uns: Als der DAX am 23. Januar 2018 sein Allzeithoch mit 13 599 Punkten erreichte, sprach man unisono von einem synchronen, weltweiten Wirtschaftsaufschwung. Der Dax fing an in Schüben zu fallen, während kaum ein Prognosehaus noch bis in den Sommer hinein Wolken am Konjunkturhimmel sichtete. Das Dax-Tief kam dann Ende Dezember mit knapp 10300 Punkten, als alle Welt in Rezessionsangst erstarrte. Die Wirtschaftsdaten folgten dem Dax, allerdings in gebührendem Abstand, so dass bereits in Q3 2018 eine kleine Schrumpfung bekanntgegeben werden musste.

Jetzt, im Sommer 2019, wo der Dax an seinem 200-Tagesdurchschnitt entlang mäandert, wurden die Unternehmensdaten der 30 Daxkonzerne für das erste Halbjahr analysiert. Mit folgenden Ergebnissen:

So wie der Ifo-Index, der im November 2017 sein Hoch in dem seit dem Jahr 2009 laufenden Konjunkturzyklus erreicht hat, so liegen die höchsten Unternehmensgewinne auch schon fast zwei Jahre zurück. Im ersten Halbjahr 2019 sind bei über 20 Industrieunternehmen im DAX die Gewinne stark eingebrochen.
In der Summe schrumpften die Betriebsgewinne der Dax-Unternehmen um 28 Prozent und die Nettogewinne um circa 20 Prozent. Dies bei zumeist noch steigenden Umsätzen, die Gewinne hingegen waren bei zwei Drittel der Konzerne rückläufig.

Zahlreiche Gewinnwarnungen von BASF, BMW, Continental, Daimler u.a. deuten daraufhin, dass sich dies auch im zweiten Halbjahr nicht stark ändern wird. Bei manchen Unternehmen ging es mit der Liquidität schon stark an die Substanz, so dass einige Dividendenversprechen aus Reserven generiert werden mussten.

In der Gesamtbetrachtung des ersten Halbjahrs kann man zu dem Schluss kommen, dass die enttäuschende Entwicklung des Dax seit Anfang 2018 einen sehr realen betriebswirtschaftlichen Hintergrund hatte.

 

Warum aber fällt der Dax trotz wahrscheinlicher Rezession nicht weiter?

Die scheinbare Stabilität des Index ist gewiss zu einem Teil auf die unglaublich kapitalverzehrende Situation auf den Geldmärkten zurückzuführen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht für ein Engagement in Dividendentiteln geworben wird. Zudem erwarten die Investoren anscheinend keine größere Rezession auf Halbjahressicht. Man glaubt nicht an die Eskalation im Handelskrieg mit weiteren – echten und nicht nur angedrohten Eskalationen – infolge der kommenden US-Wahlen und an eine massive Unterstützung der Volkswirtschaften in Ost und West durch konzertierte Aktionen der Notenbanken.

Also nochmal an so etwas wie ein konjunkturelles Strohfeuer, aber an keinen „Mid-Cycle“, wie es die US-Notenbank bezeichnet hat. Dafür wiegen auch die strukturellen Probleme in der Eurozone zu schwer. Man scheint darauf zu setzen, dass der große Einbruch dann nicht mehr zu verhindern ist, wenn die Notenbanken ihr Zinspulver endgültig verschlossen haben.

Die schwersten Krisen gehen fast immer von der Finanzwirtschaft aus und der Bankenkenner, Dr. Markus Krall, wird nicht müde zu betonen, dass die Erosion der Bankengewinne in eine schwere Krise münden werden, wenngleich ich so meine Zweifel habe, dass man eine Krise so lange im Voraus und so präzise voraussehen kann.

Die neue EZB-Chefin heißt Christine Lagarde, die ehemalige IWF-Direktorin, die mit Milliarden Dollar Argentinien und Griechenland vor dem Untergang bewahrt hat und die sicherlich nicht tatenlos zusehen wird, wie die europäische Bankenbranche die Welt so rasch in eine tiefe Rezession reißt.

 

Trotz einer sich abzeichnenden Rezession bleibt der Dax stabil



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

5 Kommentare

  1. Werter Herr Müller, Kurse mäandern nicht. Ich weiß, dass Ihnen dieses Wort gut gefällt, es ist aber unpassend, weil Kursverläufe nie eine Ähnlichkeit mit einem Mäander haben.

    1. @Hesterberg. Okay, ich werde das Wort nicht mehr verwenden, aber das Dahinschlängeln eines Flusses, scheinbar ohne klare Richtung, erschien mir als Metapher einfach zu passen. Aber es gibt bestimmt bessere Formulierungen.
      Viele Grüße

  2. Analysiert doch einfach den Kursindex und nicht den durch Dividendenverzerten Performance-Index mit 0 Aussagekraft.

  3. Hallo Herr Müller,

    danke noch einmal für Ihren Beitrag.
    Wie die meisten der Beiträge von finanzmarktwelt trifft dies zum größten Teil
    auf eine Gemeinde,die sich mit Finanzen und Weltpolitik beschäftigt und oft
    auch sehr viel Interesse mitbringt.
    Die kommenden Ereignisse tragen nicht dazu bei vor den Wählern hier in Deutschland
    als „der große Macher“dazustehen.Es wird bis zur allerletzten Minute „Schöne Neue Welt“
    gepredigt.Kompetenzen zu zeigen,können wir nicht erwarten.
    Beispiel:Vor der Lehmankrise wußten „Leute vom Fach“ schon Monate vorher,daß es so kommt.
    In der Nacht des Zusammenbruchs war in der Schaltzentrale in Berlin nahezu jeder Verantwortliche in nackter Panik.Was passiert: Man ruft den vermentlich passenden Staatssekretär zusammen mit Herrn Ackermann,der dann seine Agenda durchbringt.
    Wie oft zitiert – nur der Crash bringt die Lösung.Wir sind als Menschen so gepolt
    erst nach einer Katastrophe zu handeln.Ich hoffe als Optimist auf eine gute Lösung (??)

  4. Es mehren sich die Anzeichen für eine weniger heile Börsenwelt.
    Letzte Woche: Blackrock sagt die Notenbanken seien ausgeschossen,
    Heute: Die UBS gibt erstmals seit 2012 Verkaufsempfehlungen für Aktien,
    Zeitungsbericht: Die UBS wettet gegen Donald Trump, ( kann man googeln)
    Wird interessant sein ob es Nachahmer gibt u.das Schneeballsystem rückwärts auch läuft.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage