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Russland, China – zwei Taumelnde gegen den Westen

Wie stark kann eine Allianz China und Russland den Westen wirklich gefährden? Bekanntlich war Putin während der Olympischen Wintrspiele in Peking und begann einen Tag nach dem Ende der Spiele die Invasion der Ukraine. Aber trotz des nach dem Zusammentreffen der russischen und chinesischen Staatsspitze veröffentlichten Bekenntnissen über das gemeinsame Streben nach einer multipolaren Weltordnung kann keineswegs von einem wirklichen Bündnis zwischen Russland und China gesprochen werden!

Die Allianz zwischen Russland und China entspricht nicht einmal nur annähernd der losen Verteidigungsallianz der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) – wobei es sich hier um durchgängig eher „hilfsbedürftige Partner“ Russlands handelt, wie die internen Probleme in Kasachstan und Belorussland gezeigt haben Dazu auch der verlorene Krieg Armeniens um die Enklave Berg-Karabach sowie die Grenzauseinandersetzungen zwischen den Alliierten Kirgisistan und Tadschikistan, die vor einem Jahr noch Dutzende Tote forderten.

Selbst dieses lose Bündnis bildet für die Russland keine ernsthafte Unterstützung im Konfliktfall, obwohl Beistandsdefinitionen festgeschrieben worden sind. China und Russland haben zum wiederholten Male floskelartig gemeinsame Absichtserklärungen abgegeben – aber explizit auf konkretere Kooperationsabsichten verzichtet. Damit ist eine Beistandspflicht implizit ausgeschlossen, im Extremfall ist sogar die Beteiligung an Sanktionsregimen gegen den Partner offen gelassen. Wirkliche Rückendeckung sieht anders aus, und steht in keinem Vergleich zu dem, was mittlerweile an konkreter und verbaler Mobilisierung durch NATO/EU im Zuge der aktuellen Krise geschieht. Der prompte Schulterschluss mit dem sonst so scheel beäugten Polen macht dies wohl am deutlichsten.

China und Russland – Spannungen

Die sino-sowjetischen Spannungen, welche das eigentlich im marxistischen Sinn noch viel radikalere China zu einer losen Koalition mit dem Erzfeind USA gegen die „revisionistische UdSSR“ noch während des Vietnam-Krieges führte, wurde Ende der 60er-Jahre sogar in direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen China und Russland am Ussuri ausgetragen. Als sich dann China gegen die kurz zuvor siegreich aus dem Vietnamkrieg hervorgegangene Armee des südlichen Nachbarn mittels einer Strafaktion zum seither letzten Waffengang der chinesischen Volksbefreiungsarmee entschloss, war eine unmittelbare Gefahr eines Krieges der beiden kommunistischen Nuklearmächte durchaus vorstellbar.

In den Jahren danach gab es eine massive Konzentration an Truppen und Ausrüstung an der langen gemeinsamen Grenze zwischen Russland und China.

Es gibt neben diesen historischen Altlasten zwischen Chia und Russland aber auch viele andere objektiv bewertbare unterschiedliche Interessenslagen, die – unabhängig von der offensichtlich kulturell-ethnischen Unterschiedlichkeit – zu diagnostizieren sind. Scheint die Diskrepanz der dicht besiedelten Provinzen des Nordens Chinas im Verhältnis zu den verwaisten Weiten des Fernen Ostens Russlands einmal offenkundig, so gibt es dann auch schon mal lokale Proteste, wenn die besten Grundstücke um den Baikalsee in den Besitz chinesischer Millionäre übergehen. Aber es ist vor allem die Diskrepanz der Interessenslagen – die Interessensüberschneidung beim vermeintlichen Bündnis ist klar gegenwarts- und situationsbezogen – für die Zukunft im mittel- bis langfristigen Horizont.

Russland: „Obervolta mit Atombomben“ – anders China

Russland wurde von Obama einmal als „Obervolta mit Atombomben“ bezeichnet. Diese vermeintlich abschätzende Beurteilung hat aber einen wahren Kern. So hat Russland zwar unter Putin die staatliche Ordnung wieder herstellen können, und durchaus in bestimmten Bereichen auch die Züge eines modernen Staates im 21.Jahrhundert aufzuweisen, aber außer den noch immer bestimmenden Rohstoffexporten und technologischer Wettbewerbsfähigkeit im rüstungstechnischen (inkl. der damit eng verknüpften Raumfahrt) Bereich, stellt Russland keinen wesentlichen Marktplayer im globalen Kontext dar.

Ganz anders China, das in pragmatischer Abkehr vom dogmatischen Marxismus-Leninismus sich zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht dieser Welt entwickelt hat, mit dem Ziel an die Spitze zu gelangen. Wurde China lange Zeit für das Kopieren westlicher Produkte als nur bedingt innovationsfähig angesehen, nimmt man angesichts vieler eigenständiger Entwicklungen und permanent enormen Wachstums – es war China, das mit seinem Bauboom die Weltwirtschaft nach der Finanzkrise 2008/2009 vor einer fatalen Rezession bewahrte – den asiatischen Riesen mittlerweile als Konkurrent der angelsächsisch dominierten westlichen Weltordnung wahr.

Nichts bringt dies deutlicher zum Ausdruck als der US-Dollar als bestimmende Weltwährung mit dem britischen Pfund im Schlepptau. Die vor allem dem US-Kapitalmarkt weiterhin zuströmenden Gelder (40% Anteil am Weltmarktkapitalisierungswert im Verhältnis zu 15% Anteil am BIP) bestätigen dies ebenso, wie die 60%-Anteil des US-Dollars an den Devisenreserven aller Länder.

Dass der Yuan dabei mit 2,5% gerade einmal die Hälfte zum britischen Pfund beträgt, der seinen Anteil in der Post-Brexitphase auf 5% erhöhen konnte, beleg,t dass der Weg an die vermeintliche Weltspitze für Peking noch sehr weit ist.

Russland als eingeschränkte Supermacht neben China

Es ist aber auch die wohl nur sehr eingeschränkt als effizient eingeschätzte Volksbefreiungsarmee, die zwar das zweitgrößte Rüstungsbudget der Welt hat, aber aus Unterlegenheit die Nähe zu Russland sucht, deren Armee unter Putin einen Modernisierungsschub durchgemacht hat. Sowohl bei Hyperschallraketen und Flugabwehrsystemen (wie die oftmals auch exportierte S-400) konnten hier durchaus Standards gesetzt werden.

Entscheidend bleibt aber noch immer die Anzahl der Nuklearsprengköpfe – nur deshalb wird Russland als Supermacht eingestuft. Auf See und bei der Luftwaffe spielt Russland hingegen eine untergeordnete Rolle. Sowohl die minimale Ausstattung an Kampfjets der 5.Generation – erst nach 12 Jahren der Prototypvorstellung wurde letztes Jahr die 1.Staffel mit 12 SU 57-Jägern in Betrieb genommen – als auch die notwendige Kapazität an ausgebildeten Piloten, sind von einer Supermacht weit entfernt. Der einzige Flugzeugträger aus den 70ern ist zur Modernisierung am Trockendock gelandet. Außer der U-Bootflotte stellt die russische Marine keinen wirklichen Faktor auf den Weltmeeren dar. Deshalb haben die angedrohten Gegenreaktionen über die Stationierung von russischen Einheiten in Lateinamerika eher humoristischen Charakter. War die Sowjetarmee auch nur bedingt als globaler Akteur einsatzfähig, so trifft dies auf die Armee Russlands keinesfalls mehr zu. Trotzdem ist sie noch immer klar über die Fähigkeiten der chinesischen Volksbefreiungsarmee zu stellen, der auch mehr als 40 Jahre unmittelbare Kampferfahrung fehlen: womit de facto kein einziger chinesischer Militär mehr aktiv ist, der ein Schlachtfeld nicht nur in theoretischer oder Manöver-Form kennt.

Demografische Probleme und Technologie

Beide Länder haben darüber hinaus ein enormes demographisches Problem, dessen Auswirkungen nur durch bei sehr smarten Vorgehen möglichst in seinen negativen Konsequenzen eingedämmt werden kann. Außer den erwähnten Stärken zeichnet sich für Russland keine Tendenz in Richtung technologisch wettbewerbsfähiger Player ab – auch die Perspektiven sind langfristig nicht vielversprechend.

China hingegen hat trotz des großen Fortschritts – die Ursache des Zurückdrängens von Armut in der Welt, ist dieser Entwicklung zum Wohle 100er-Millionen Bürgern Chinas zu verdanken – noch immer Probleme die ultimative Herausforderung im High-Tech Sektor für die westliche Vorherrschaft zu stellen. Das Säbelrasseln gegen Taiwan mit TSCM als einem der größten Chiphersteller der Welt ist wohl nicht zuletzt den eigenen schwachen Kapazitäten im Halbleiterbereich geschuldet. Am stärksten wiegt aber die interne Stabilität, der mit der Immobilienblase die größte Gefahr für das Wohlstandsversprechen gegenüber der eigenen Bevölkerung droht.

Eigentlich würden sich sowohl Russland als auch China zur Weiterentwicklung und Erhaltung der internen Stabilität, konfliktfreie und freihandelbasierte Beziehung zum Westen und seinen Verbündeten wünschen. Dies ist aber nicht kompatibel mit ihrem Anspruch, geopolitisch als gleichberechtigt behandelt zu werden, mitentscheidungsbefugt gemäß der Struktur des UN-Sicherheitsrates. Das zeigt sich in der Weigerung, die monetäre Dollar-Dominanz durch entsprechende Anpassung nachvollziehbar implizit anzuerkennen.

BRICS-Staaten gescheitert

Hinzu kommt: Der globale Emanzipierungsversuch der BRICS-Staaten ist kläglich gescheitert. Südafrika hat sich vom Hoffnungsträger Schwarzafrikas zu einem durchschnittlich korrupten Staatsgebilde der Region auf nur höherem Niveau reduziert. Brasilien hat mit dem Wechsel zu Bolsonaro wieder den Weg zu den rechts-autoritären caudillos Lateinamerikas beschritten. Und Indien ist unter der radikal-hinduistischen stabilen Regierung Modis zum größten Rivalen Chinas in Asien konvergiert. Indien profitiert enorm von der aktuellen Auseinandersetzung: da von beiden Seiten hofiert, kann es seine massiv repressive Politik sowohl gegen die soziale Opposition, als auch mit der Aushebelung des Sonderstatus von Kaschmir unwidersprochen vor den Augen der Weltöffentlichkeit umsetzen. Die blutigsten Auseinandersetzungen im Juni 2020 im Himalaya-Grenzgebiet (Ladakh) seit dem chinesisch-indischen Grenzkrieg 1962 haben Indien noch viel enger an die angelsächsischen Mächte USA und Australien sowie Japan mittels Teilnahme an der explizit anti-chinesischen Quad-Allianz heranrücken lassen.

USA, China und Russland – die Vormachtstellung

Der Ukraine-Krieg – der vorübergehend das Säbelrasseln im südchinesischen Meer vor allem um die Taiwan-Frage in den Hintergrund gerückt hat – muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die USA wohl die strategische Entscheidung getroffen haben, die umpolitische Emanzipation ringenden Chinesen und Russen in die Schranken zu weisen. So haben die USA chinesischen Konzernen durch angekündigte Delistings an den US-Börsen Kapital entzogen. Gegenüber Russland versuche die USA, deren einziges wirtschaftliches Druckmittel und Exportgut gegenüber Europa als substituierbar zu triggern. Damit waren noch viel härtere Sanktionen als der Ausschluss vom SWIFT-System nur die logische Konsequenz. Für Russland ist dies aber nicht nur volkswirtschaftlich eine Katastrophe, sondern auch ein innenpolitisches Problem, weil deren Eliten nicht bereit sein dürften, auf westliche Luxusprodukte zu verzichten.

Es könnte sich auch als Fehler herausstellen, dass die USA glauben, alle Länder dieser Welt müssten sich verhalten, wie es die EU-Staaten mittlerweile tun, die eher dem der Vasallen des römischen Imperiums gleichen, als eben als selbständig agierende Subjekte zu fungieren.

Eine Implosion Russlands könnte nämlich viel unkontrollierbarere Kräfte in den Besitz der russischen Nuklearsprengköpfe bringen, als es mit Putin der Fall ist. Aber auch der Niedergang der KP in China als politischer Anker der chinesischen Macht würde den für die Weltwirtschaft seit 20 Jahren so wichtigen Motor ins Stottern bringen. Eine Welt, die in vielen makroökonomischen Herausforderungen ohnedies am Ende der Fahnenstange des kontrollierten Steuerns gelangt ist – wie die QE-Exzesse von FED und EZB mit der nur schwer zu managenden Inflation zeigen.

Und das alles in einer Welt, deren ökologische Herausforderungen nicht nur bei der Klimaerwärmung eigentlich ein global koordiniertes Umdenken und Handeln erfordert.

Leider ist aber das politische Personal im Westen nicht mit jener Qualität ausgestattet, welches genügend Fingerspitzengefühl mitbringt, um den eigenen Vormachtsanspruch mit der Gesichtswahrung für „alternativ“ agierende Staaten wie Russland und China in Einklang zu bringen.

China und Russland gegen den Westen
Foto: By Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40087092



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3 Kommentare

  1. Sehr guter Artikel. Vielen Dank.

  2. Die Russische Föderation und die Volksrepublik China kooperieren entsprechend im Ölgeschäft. Im Rahmen eines Staatsbesuchs von Staatspräsident Wladimir Wladimirowitsch Putin bei Staatspräsident Xi Jinping vereinbarte Rosneft einen Liefervertrag mit China. Auch Staaten im Nahen und Mittleren Osten kooperierten mit China in Sachen Ölindustrie. Das Königreich Saudi-Arabien, welches an der Öl-Allianz mit Russland festhält, erwägt Ölexporte nach China in Yuan zu handeln. Russland wäre daher aufgerufen, sich u.a. in der OPEC+ für den chinesischen Yuan als Ersatzwährung im Ölgeschäft auszusprechen, um somit das, wenn man so will, Monopol des US-Dollars im Ölgeschäft schnellstmöglich zu beenden.

  3. Fingerspitzengefühl.
    Super.
    Das ist der .
    Und diesen . Hat das RÖMISCH AMERIKANISCHE IMPERIUM NICHT.
    Oder doch?
    Na, ja,

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