Gas

Massive Bemühungen Richtung Murmansk Russland: Ehemaliges Nord-Stream-Gas als LNG für den Weltmarkt

Russland plant das ehemals für Europa verlangte Gas zukünftig verstärkt per LNG-Tanker auf den Weltmarkt zu bringen.

LNG-Tanker

Nach angekündigten Plänen zum großangelegten LNG-Ausbau, legt Russland klar, wie der Switch von Pipeline-Gas Richtung Europa auf Schiffstransporte erfolgen soll. So plant der größte LNG-Produzent Novatek, nun auch in Murmansk an der Barentssee ein großes Werk zur Gasverflüssigung zu bauen. Günstiger Atomstrom und Gas vom Pipelinenetz sind dafür im Gespräch. Für das zweite Großprojekt Artic LNG 2 liefert China Gasturbinen. Beide Großprojekte ermöglichen einen Zuwachs der Produktionskapazitäten um 40 Millionen Tonnen LNG im Jahr.

Murmansk ist in Russland als LNG-Drehschreibe geplant

Seit der Zerstörung der Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee will Russland beim LNG-Handel per Schiff Boden gutmachen. Solange die Exporte nach Europa viel abwarfen, blieben Ankündigungen zum großangelegten LNG-Ausbau Parteitagsfloskeln. Auf der Pazifikinsel Sakhalin betrieb der russische Gaskonzern Gazprom mit Unternehmen aus Japan und dem britisch-holländischen Öl- und Gasmulti Shell viele Jahre das einzige Werk zur Gasverflüssigung in Russland und wollte eine dritte Produktionslinie hinzufügen. Diese ist bis heute nicht installiert. Einstige LNG-Pläne zu Schtokman versanken in der Barentssee, als erst Norwegens Statoil heute Equinor und später Frankreichs Total die Reißleine zogen.

Derweil hat der unabhängige Gasproduzent Novatek Gazprom längst überflügelt und auch die Anteile von Shell am Sakhalin Energy übernommen. Zugleich ist Gazprom an Novatek zu knapp 10 Prozent beteiligt. Diese Anteilsverquickung mag von Nutzen sein, wenn es jetzt darum geht, Murmansk zu einer Drehschreibe für Produktion und Verschiffung von LNG in Russland zu machen. Über Novateks Pläne ein großes LNG-Werk mit drei Produktionslinien in Murmansk an der Barentssee zu bauen, berichtete die Wirtschaftszeitung Kommersant Ende Mai. Bis 2029 sollen sie in Betrieb sein und 20,4 Millionen Tonnen LNG im Jahr produzieren können. Aktuell liegt die Produktionskapazität bei 33 Millionen Tonnen LNG. Bis 2030 soll sie nach Regierungsangaben auf 100 Millionen Tonnen LNG (rund 138 Milliarden Kubikmeter Gas) im Jahr ansteigen.

Gazprom soll den Gasanschluss zum nördlichen Transportkorridor in Russland legen

Hat Murmansk als Flottenstützpunkt für Atom-U-Boote von sich Reden gemacht, ist mit LNG nun ein neues Kapitel geplant, das Stärke vermitteln soll und auf Sieg im Wirtschaftskrieg gerichtet ist. Novateks Projekt setzt dem Kommersant zufolge auf den Einsatz von Elektroantrieben und billigen Strom vom Kernkraftwerk Kola, was den Kauf genehmigter Gasturbinen überflüssig macht. Hauptthemen blieben der Preis für den Gasbezug von Gazprom und die Bedingungen für den LNG-Export, da Novatek für dieses Projekt über keine Exportlizenz verfügt.

Darüber hinaus muss die Gasleitung, um das nötige Gas zum Verflüssigen heranzutransportieren, noch verlegt werden. Im Gespräch ist laut Kommersant ein 1.300 km langer Abzweig von der Gasleitung Grjasowez-Wyborg, der von Wolchow nach Murmansk zur nahegelegenen Siedlung Belokamenka verläuft, wo das LNG-Werk entstehen soll. Grjasowez-Wyborg in Russland diente vor den Explosionen an den Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee als Zubringer für Nord Stream 1. Mit dem neuen Abzweig von Wolchow kann Gazprom Gas von seinem Gasförderzentrum Bowanenkowo auf der Jamal-Halbinsel statt an die Ostsee nach Murmansk abtransportieren. Zur Auslegungskapazität der Gasleitung von bis zu 30 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr erwarte Novatek die technischen Spezifikationen von Gazprom, berichtete der Kommersant. In diesem Jahr habe Gazprom mit der Projektierung der Gaspipeline Murmansk-Wolchow begonnen und die geschätzten Kosten auf 350 Milliarden Rubel (rund 4 Milliarden Euro) veranschlagt. Diese Gaspipeline sei lange schon in der Diskussion. Doch hohe Kosten und eine geringe Gasnachfrage in der Region hätten das Projekt ins Stocken gebracht.

Novatek ebnet den Weg

Die Aussicht, mehr Gas absetzen zu können, das sonst im Boden bleiben muss, mag für Gazprom ein Anreiz sein. Zu welchem Preis Gazprom das Gas dann an Novatek verkauft, und wie die Exporterlöse vom LNG verrechnet werden, ist zu klären. Für Novatek bietet Murmansk den Vorteil, dass der Hafen ganzjährig eisfrei bleibt und somit normale LNG-Tanker ihn anlaufen können. Der Bau von Spezialtankschiffen der Arc7-Klasse kann entfallen. Das wiederum reduziert Kosten. Außerdem sind FOB-Geschäfte möglich, bei denen ein Gaskäufer selbst einen Tanker zur Abholung bereitstellt. Auch der Gasbezug über Pipeline sei kostengünstiger als Gasvorkommen selbst zu erschließen. In den USA sei dies gängige Praxis, erklärte der unabhängige Analyst Alexander Sobko.

Ebenso sind in Murmansk große Gasturbinen zur Gasverflüssigung verzichtbar, die vor dem Krieg in der Ukraine und den folgenden Sanktionen vornehmlich aus dem westlichen Ausland kamen. Für das zweite Großprojekt Artic LNG 2 in Russland hat Novatek offenbar Ersatz in China gefunden, da das amerikanische Unternehmen Baker Hughes nicht die vereinbarte Stückzahl an Turbinen lieferte. Die erste Verflüssigungslinie soll Ende dieses Jahres in Betrieb gehen. Hierfür sind Turbinen von Baker Hughes vorgesehen. Für die Linien 2 und 3 sollen indes Turbinen vom chinesischen Unternehmen Harbin Guanghan Gas Turbine zum Einsatz kommen, das zur China Shipbuilding Industry Company gehört. In Summe ist die Produktionskapazität der drei Produktionslinien auf knapp 20 Millionen Tonnen LNG im Jahr veranschlagt. Dazu entwickelt Novatek die eigene Produktionstechnik Arktische Kaskade weiter.

LNG braucht günstiges Investitionsklima

Um den LNG-Ausbau zu beschleunigen, verabschiedete die Duma im Mai zwei Gesetzesvorschläge der Regierung, in denen es um Steuererleichterungen und Exportfreigaben geht. So billigte Mitte Mai in der ersten Lesung die Staatsduma einen Entwurf zur Exportfreigabe für LNG von Festlandsvorkommen in Russland nördlich des 67. nördlichen Breitengrades vor, für die sich der Anschluss ans Gasleitungsnetz wirtschaftlich nicht rentiert. Die betreffenden etwa 36 Lagerstätten im Gebiet Krasnojarsk und in den autonomen Kreisen der Nenzen und Jamal Nenzen gehören dem russischen Ölkonzern Rosneft und weisen Vorräte von rund 3000 Milliarden Kubikmeter Gas auf. Die Aussicht auf den Export gilt als Anreiz, diese Vorkommen zu erschließen und daraus Profit zu schlagen.

Steuererleichterungen winken indes Novatek. Ist das Unternehmen bei der Gasförderung für das bestehende Werk Jamal LNG und das laufende Projekt Artic LNG 2 von der Rohstofffördersteuer befreit, nahm Ende Mai die Duma in erster Lesung einen Gesetzentwurf an, der diese Regelung auch für Novateks Projekt Ob auf Jamal anwendet. Das Projekt richtet sich auf den Bau eines Chemiekomplexes zur Herstellung von Wasserstoff und Ammoniak auf Jamal. Ein Werk mit einer Produktionskapazität von 5 Millionen Tonnen LNG im Jahr ist hier ebenfalls geplant. Mit Blick auf eine geplante Jahresproduktion von 100 Millionen Tonnen LNG will Novatek in den genannten Projekten weit über die Hälfte realisieren und die Spitzenposition im Land ausbauen. Hängepartien wie bei Schtokman und dritter Produktionslinie bei Sakhalin Energy sind nicht eingepreist. Der Erfolg ist zwingend, um Russland im Krieg in der Ukraine zu unterstützen.



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2 Kommentare

  1. Das LNG wird von Russland aus seinen Weg finden.
    Russland sitzt bei den BRICS mit seinen Rohstoffen wie der Hahn im Korb.
    Natürlich dauert alles seine Zeit.
    Aber wer atombetriebene Unterseeboote bauen kann, der wird auch eine Erdgasverflüssigungsanlage bauen können.
    Wenn der Krieg vorbei ist, und Deutschland seine grüne Sekte los ist, dann werden wohl die Karten neu gemischt.
    Aber da muss Deutschland nun erst mal durch, und dann müssen die Schäden beseitigt werden, die durch die Sanktionen und durch die grüne Sekte entstanden sind.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. https://deutsch.rt.com/international/172073-spanien-verdoppelt-im-april-fluessiggasimporte/

    Spanien verdoppelt im April Flüssiggasimporte aus Russland gegenüber Vorjahreszeitraum

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