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Keine Trasse, kein Preis, kein Vertrag Russland: Gas-Poker mit China – Pipeline „Power of Siberia 2“ ohne Fundament

Power of Siberia 2

Foto: Bloomberg

Gazprom feiert „Power of Siberia 2“ als Megaprojekt – sind Russland und China also allerbeste Freunde? Was gut aussah bei dem Treffen in Tianjin, hat einige Makel: Verträge fehlen, China blockt und die Finanzierung bleibt offen. Ein Geschäft sieht anders aus.

Russlands Gas-Poker mit China trägt den Namen „Power of Siberia 2“ und wird in Moskau als Jahrhundertprojekt inszeniert. Doch jenseits der Bilder von Gipfeltreffen und Memoranden bleiben zentrale Fragen unbeantwortet. Es fehlt an Verträgen, an gesicherter Finanzierung und und an einem klaren Bekenntnis aus Peking.

Russland: Gas-Poker mit China – Pipeline ohne Fundament

Gazprom-Chef Alexej Miller meldete gestern über die russische Agentur Interfax einen Durchbruch bei den Gesprächen über die Pipeline „Power of Siberia 2“. Im Beisein von Xi Jinping, Wladimir Putin und dem mongolischen Präsidenten Ukhnaagiin Khürelsükh unterzeichneten Gazprom und die China National Petroleum Corporation (CNPC) vier Dokumente, darunter ein Abkommen über strategische Zusammenarbeit. Russische Medien reagierten sofort mit Jubelmeldungen. Miller sprach vom „größten, aufwendigsten und kapitalintensivsten Projekt der Gasindustrie weltweit“.

Power of Siberia 2

„Power of Siberia 2“: Keine Trasse, kein Preis, kein Vertrag

Doch schon in Millers eigener Darstellung tauchen Zweifel auf. Er spricht von einem „rechtsverbindlichen Memorandum“. Ein Memorandum of Understanding ist allerdings keine Vertragsunterzeichnung, sondern eine Absichtserklärung. Rechtlich verbindlich sind in solchen Papieren meist nur Rahmenbedingungen wie Vertraulichkeit oder Exklusivität. Kernpunkte bleiben offen.

So fehlen bislang Vereinbarungen über den Verlauf der Trasse, die Verteilung der Baukosten und vor allem den Preis des Gases. Klar ist lediglich, dass der Preis niedriger sein soll als für Europa. Auch die Abrechnung steht fest: jeweils zur Hälfte in Rubel und Yuan. Die geplante Kapazität liegt laut Miller bei 50 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr. Ein Starttermin für den Bau blieb ungenannt. Bei der Pipeline „Power of Siberia“ dauerte die Errichtung fünf Jahre nach Vertragsabschluss. Laut einer Gazprom-Studie aus dem Jahr 2020 war mit Lieferungen ab 2030 gerechnet worden. In der Mongolei, wo die Leitung verlaufen soll, existiert bislang nur eine Machbarkeitsstudie.

China hält sich demonstrativ zurück

Während Medien in Russland das Projekt feiern, herrscht in China auffällige Zurückhaltung. Weder CNPC noch die großen Staatsmedien berichten über die Vereinbarung. In der Global Times findet sich lediglich eine kurze Passage zur „vertieften Zusammenarbeit in Energieprojekten“ am Rande der Berichterstattung über mehr als 20 unterzeichnete Abkommen. Peking zeigte in den vergangenen Jahren ohnehin wenig Interesse an der neuen Pipeline. Der chinesische Gasbedarf dürfte ab den 2030er Jahren nicht mehr steigen. Parallel dazu treibt das Land die Energiewende, Effizienzsteigerungen und die eigene Förderung voran.

Hinzu kommt, dass China von Russland Lieferungen zum stark subventionierten russischen Inlandspreis forderte und sich nur in begrenztem Umfang an den Baukosten beteiligen wollte. Für Gazprom bleibt damit die Frage offen, wie das Projekt überhaupt finanziert werden soll. Der Konzern schreibt Verluste, die Kapitalkosten im Inland sind hoch, westliche Märkte sind weitgehend weggebrochen. Die geschätzten Baukosten von 100 Milliarden Euro stellen für Gazprom eine Last dar, die ohne chinesische Beteiligung kaum zu stemmen ist.

Zahlenkosmetik bei Power of Siberia

Auch die Angaben zu den bestehenden Lieferungen werfen Fragen auf. Miller sprach davon, dass die Kapazität der Pipeline „Power of Siberia“ von 38 auf 44 Milliarden Kubikmeter steigen soll. Er verwies auf eine Erhöhung um 28 Prozent allein in diesem Jahr. Tatsächlich lieferte die Leitung zuletzt nur 31,12 Milliarden Kubikmeter. Nach chinesischen Zolldaten stiegen die gesamten Pipeline-Importe im ersten Halbjahr um 15 Prozent, die Lieferungen aus Russland jedoch nur um vier Prozent. Diese Diskrepanz legt nahe, dass Miller die Zahlen aufbläht, um den Eindruck eines dynamischen Fortschritts zu erwecken.

Der Eindruck liegt nahe, dass Miller mit seiner Ankündigung vor allem ein innenpolitisches Signal setzen wollte. Substanz fehlt bislang. Russland verliert mit dem Wegfall der europäischen Absatzmärkte Milliarden, doch die Pipeline nach China ist noch nicht einmal auf dem Papier ein tragfähiges Geschäft. Peking hält sich demonstrativ zurück und diktiert die Bedingungen. Für Moskau bleibt die Hoffnung, dass Bilder von Staatschefs und Memoranden den Anschein von Stärke vermitteln. In Wirklichkeit zeigt das Projekt eher, wie groß die Abhängigkeit von China bereits geworden ist.

Doch während Russland in Bildern von Gipfeltreffen schwelgt, bleibt die Frage, ob „Power of Siberia 2“ je mehr sein wird als ein Symbol für Moskaus schwindende Optionen.



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7 Kommentare

  1. Gas vorbei an Europa:

    🇷🇺🇨🇳🇲🇳 Russland, China und die Mongolei einigen sich auf „Kraft Sibiriens-2“

    Moskau, Peking und Ulan-Bator haben ein Memorandum zum Bau der „Kraft Sibiriens-2“ unterzeichnet – einer Pipeline, die China bis zu 50 Milliarden Kubikmeter russisches Gas pro Jahr liefern wird.

    Die VR China verpflichtet sich zum Kauf und schließt die Pipeline an ihr System an, die Mongolei erhält Transitrechte und eine Chance auf Gasversorgung, und Russland bekommt einen stabilen Markt als Ersatz für den europäischen.

    Das Volumen der bestehenden „Kraft Sibiriens“ wird von 38 auf 44 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen.

    🇬🇧 Das Abkommen zum Bau der Gaspipeline „Sila Sibiri-2“ wurde von der britischen Zeitung Financial Times als Signal für eine wichtige Verschiebung auf dem weltweiten Gasmarkt bezeichnet.

    1. @Manfred Wustling
      Die Wörter „Memorandum“ und „verpflichten“ schließen sich aneinander aus.China verpflichtet sich im Moment zu gar nix. Reiner russisches Wunschdenken

  2. Aber etwa 71 Gaskraftwerke (mit zusammen 35 GW) müssen in Deutschland in den nächsten 10 Jahren gebaut werden. Entsprechen etwa 30 Atomkraftwerke.
    Natürlich werden sie nicht mit Wasserstoff betrieben.

    https://www.youtube.com/watch?v=kvtyi2bSWN0

    1. Gebraucht werden die 71 Gaskraftwerke innerhalb der nächsten 10 Jahre, da bei uns bis 2035 alle Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Also, bei Dunkelflaute werden die gebraucht. Wurde so seinerzeit von der Regierung Merkel beschlossen. Diese Kraftwerke bezahlen natürlich nicht die Energieunternehmen, sondern die Kunden oder der Steuerzahler. Die Regierung Merz findet das offenbar OK. Warum auch nicht. Wenn das den Strompreis explodieren lässt, verbilligt der Steuerzahler der Industrie halt den Strompreis noch ein Stück mehr.

    2. Bestätigungsfehlermut-Fan

      @Helmut, du darfst nicht Leistung und Energie verwechseln. Die Gaskraftwerke werden benötigt, um die Spitzenlasten abzudecken. Das sind lediglich ca. 6% des Gesamtgasverbrauchs die für die Stromversorgung benötigt werden. Du musst keine Panik machen. Aber wenn es dir persönlich und deinem Bestätigungsfehler hilft, fantasiere weiter.

      Confirmation Bias (auf Deutsch: Bestätigungsfehler oder Bestätigungstendenz) ist ein kognitiver Denkfehler, bei dem Menschen dazu neigen, Informationen so auszuwählen, zu interpretieren und zu erinnern, dass sie ihre bestehenden Überzeugungen oder Erwartungen bestätigen – und gegensätzliche Informationen eher ignorieren oder abwerten.

      Einfache Erklärung:
      Stell dir vor, du glaubst, dass Hunde gefährlich sind.
      Wenn du dann eine Nachricht liest, in der steht, dass ein Hund jemanden gebissen hat, denkst du: „Siehst du! Hunde sind wirklich gefährlich!“ Aber wenn du eine Geschichte liest, in der ein Hund jemandem das Leben rettet, denkst du vielleicht: „Das ist bestimmt eine Ausnahme.“

      Du nimmst also eher das wahr, was deine Meinung bestätigt, und blendest das aus, was widerspricht. Typische Beispiele:

      Politik:
      Menschen lesen bevorzugt Nachrichtenquellen, die ihre politische Meinung teilen, und glauben diesen mehr als anderen.

      Medizin:
      Jemand, der an alternative Heilmethoden glaubt, wird eher Berichte suchen und glauben, die deren Wirksamkeit zeigen – selbst wenn wissenschaftliche Studien etwas anderes sagen.

      Gerüchte & Vorurteile:
      Wenn man denkt, dass eine bestimmte Gruppe unzuverlässig ist, merkt man sich vor allem Fälle, die dieses Vorurteil bestätigen – andere Beispiele werden übersehen.

      Warum ist das wichtig? Confirmation Bias kann:
      – zu falschen Entscheidungen führen,
      – Vorurteile verstärken,
      – und die offene, kritische Denkweise behindern.

      Er zu erkennen ist ein wichtiger Schritt, um objektiver und rationaler zu denken.

      1. @Bestätigungsfehlermut-Fan
        Zu @Helmuts Confirmation Bias gehört auch: Oh, der Artikel ist von Dói Ennoson, dem elenden BRICS-Skeptiker, der kürzlich versucht hat, mich öffentlich mithilfe von Fakten zu demütigen. Dem kann und darf also nicht unwidersprochen bleiben. Da muss per se schon einfach vieles falsch sein. Also krame ich mal im eigenen Waffenarsenal und fahre alles auf, was sich finden lässt.

        Was sich immer als Wunder-Universalwaffe einsetzen lässt, ist der großartige Whataboutism. Quasi die Streu- und Täuschmunition des Pseudo-Dialogs: Aber was ist mit Deutschland?! Mit diesen linksgrün-versifften Verrätern, die dem ehrlichen und zuverlässigen Freund Wladimir kein sauberes Pipelinegas mehr abkaufen?
        Die Dummköpfe rüsten wir mittels faktenfreier Behauptungen mal locker-flockig und hoch spekulativ auf insgesamt 70 GW Gaskraftleistung hoch. Gleichzeitig suggerieren wir, dass gar nicht ausreichend «Munition» für diese Kraftwerke verfügbar ist und überhaupt alles sehr, sehr teuer werden wird.

        Dann gleich noch schnell den Zubau-Anteil zur maximalen Verwirrung in Atomkraftwerke umrechnen … (Warum eigentlich nicht auch noch in Goldunzen und Bananen?) 😃

        Während nun die dergestalt verwirrten EU-Westler noch orientierungslos durch die Foren taumeln, folgt sogleich der Hauptschlag mit den Kinschal-Raketen. Codenamen: Tichys Einblick, NiUS oder Vermietertagebuch.
        Alles höchst seriöse und vertrauenswürdige Quellen – oder präziser: Wahre Koryphäen der Energiewirtschaft, die den eigenen Confirmation Bias bombensicher zementieren.

        Was klein Helmchen in seinem bescheidenen Heimkino leider nicht berücksichtigt:
        Schon durch zusätzliche Turbinen und eine Flexibilisierung des Einsatzes lässt sich bei den bereits heute bestehenden Biogas-Anlagen ein signifikanter Leistungszuwachs von bis zu 24 GW erzielen, ohne dass dafür zusätzlicher Biomasseeinsatz erforderlich wäre (sog. Überbauung mit höherer elektrischer Leistung, geringere Volllaststunden bei flexibler Fahrweise).
        Ein gesteigerter Fokus auf Kraft-Wärme-Kopplung und eine höhere Flexibilisierung bei diesen Kraftwerken in Verbindung mit Wärme- und Biogasspeichern ist unvergleichbar sinnvoller, klimafreundlicher und günstiger als der Neubau von Erdgaskraftwerken für ein paar wenige Tage Dunkelflaute im Jahr.

    3. @Helmut
      ah, wieder der Beweis, dass Schwurbler nicht lesen können?
      „Bundesnetzagentur in einem zweiten Szenario eingepreist. Ergebnis: Deutschland braucht bis 2035 sogar 35,5 Gigawatt steuerbare Kraftwerkskapazität, also 71 neue Kraftwerke“
      Dagegen steht im übrigen:
      „Anstatt wie von CDU und SPD geplant neue Gaskraftwerke mit bis zu 20 Gigawatt (GW) Leistung bis 2030 zu bauen, sind demnach schon fünf bis zehn Gigawatt Zubau für die Stromversorgung ausreichend – und zudem wirtschaftlich sinnvoller“

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