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Russland: Ölpreis-Anstieg fundamental nicht gerechtfertigt!

FMW-Redaktion

Die imposante Rally im Ölpreis scheint erst einmal gestoppt zu sein – heute fällt WTI wieder unter die 50er-Marke. Und glaubt man den Aussagen des russischen Finanzministers Anton Siluanov bei einem gestrigen Treffen der russischen Regierung, ist das Potential für weitere Preissteigerungen nicht vorhanden: der Preisanstieg sei nicht begründet, so Siluanov, es gabe dafür keinen einzigen fundamentalen Grund. Daher sollte Russland auch seine Budgetplanungen eher an einem niedrigeren Öl-Preis ausrichten.

Das kontrastiert ziemlich scharf mit der geradezu euphorischen Stimmung am Ölmarkt: Hedgfonds sind massiv long, die japanische Großbank Nomura erwartet, dass der Preis noch in diesem Jahr auf 70 Dollar (für Brent) ansteigen werde. Auch die OPEC meinte ja letzte Woche, die Dinge würden wieder in die richtige Richtung laufen nach dem Anstieg auf ein neues 11-Monatshoch. Und die Internationale Energie Agentur sowie Goldman Sachs (die bekanntlich lange extrem bärisch waren für Öl) erwarten eine zunehmende Ausbalancierung von Angebot und Nachfrage.

Das ist aber wohl mehr Hoffnung als Realität – derzeit jedenfalls liegt das Angebot noch weit über der Nachfrage. Es ist also extrem rational, wenn ein Finanzministers eines Landes wie Russland, das so existentiell auf den Ölpreis angewiesen ist, den Anstieg der Ölpreise als unbegründet erachtet und die Budgetplanungen nicht auf dem Faktor Hoffnung aufbaut!

Ähnlich auch gestern Russlands Premier Medwedew: das alles erinnere ihn an das letzte Jahr, als nach einem starken Preisanstieg ebenfalls ein Abverkauf folgte. Daher prognostiziert das russische Wirtschaftsministerium, dass der Ölpreis bis zum Jahr 2019 durchschnittlich im Bereich von 40 Dollar liegen dürfte. Die russische Haupt-Ölsorte, Urals, lag im ersten Quartal diesen Jahres übrigens nur bei 34 Dollar (im Durchschnitt).

Derzeit werden Faktoren noch ignoriert, die klar gegen weitere Anstiege sprechen, die nachhaltig wären: so zeichnet sich ab, dass insbesondere Saudi-Arabien und der Iran mehr Öl produzieren werden, die erhoffte Ausbalancierung zwischen Angebot und Nachfrage nur dann erfolgen würde, wenn die Nachfrage massiv anziehen würde – was sich nicht abzeichnet.

Stattdessen fokussiert man sich auf die Lagerbestände in den USA, die nun seit drei Wochen in Folge rückläufig waren. Aber die Öl-Produktion in den USA, das haben die Daten eben auch gezeigt, steigt wieder an. Schon letzte Woche stiegen daher nicht zufällig die aktiven Bohrlöcher (rig counts) wieder an nach langer Zeit. Die heutigen rig-count-Daten (19.00Uhr) dürften das erneut belegen.

Sollte sich die derzeit einsetzende Risikoaversion an den Finanzmärkten fortsetzen, dürfte der Ölpreis noch weiter unter Druck kommen als ohnehin schon seit dem Hoch weit über der 51-Dollar-Marke. Und Russland zeigt schlicht Sachverstand, indem man nicht wie andere von ewig steigende Ölpreisen ausgeht:

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(WTI, Juli-Kontrakt)

Im Langfristchart ist ohnehin noch nicht viel passiert:

oiluscon100616
(WTI, Continous-Future)



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