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Saudi-Arabien: Konsum und Schulden um das Volk ruhigzustellen

FMW-Redaktion

Der Konsum scheint in Saudi-Arabien kräftig weiterzulaufen, trotz dem niedrigen Ölpreis. Auch macht der Staat jetzt kräftig Schulden anstatt Vermögenswerte zu Geld zu machen oder Ausgaben und Subventionen zu kürzen. Das darf nicht sein in einem absolutistischen Staat…

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Saudi-Arabien: König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, seit 2015 im Amt.
Foto: Secretary of Defense / Wikipedia / Gemeinfrei

Hat Saudi-Arabien in 5 Jahren kein Staatsvermögen mehr? Diese Schlagzeile wurde ausgelöst durch eine Aussage des IWF vom 21. Oktober. Aber woher nahm der IWF diese Rechnung? Ganz einfach. Die Saudis haben im Gegensatz zu Schulden ein Staatsvermögen von ca. 100% des Bruttoinlandsprodukts, und laut IWF-Berechnung peilen sie dieses Jahr ein 20% Defizit an. Laut IWF soll dadurch die Schuldenlast von Saudi-Arabien bezogen zum BIP von 1,6% auf 17% in 2016 ansteigen. Ist das der Fall und macht man in dem Tempo weiter, wäre das Staatsvermögen in der Tat in Windeseile aufgefressen. Nur die Frage ist, wie man das macht. Verkauft man nach und nach seine Vermögenswerte, oder behält man sie und macht parallel dazu Staatschulden über die Ausgabe von Staatsanleihen?

Den Anfang hat man dieses Jahr schon gemacht und hat Anleihen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar verkauft – bisher nur an Banken in Saudi-Arabien. Auch hat man vor Kurzem eine Haushaltssperre verhängt. Wenn man parallel zum Schuldenmachen anfangen sollte in großem Umfang Vermögenswerte zu Cash zu machen um sein inländisches Defizit zu decken, wird das Auswirkungen auf die westlichen Aktien- und Immobilienmärkte haben, denn dort ist das Staatsvermögen von Saudi-Arabien derzeit noch am Arbeiten. Betroffen wären z.B. die Immobilienmärkte in London und in der Schweiz, aber auch die Aktienkurse vieler gut dastehender Unternehmen könnten leiden, wenn die Saudis ihre Pakete nach und nach auf den Markt schmeißen.

Die „normale“ Vorgehensweise eines Staates wäre bei einem Defizit von 20% seine Ausgaben drastisch zu kürzen. Das ginge in Saudi-Arabien zwar theoretisch, praktisch aber nicht. Ein Großteil der Gesellschaft wird seit Jahrzehnten mit staatlichen Wohltaten überschüttet, dank der bisher sprudelnden Öleinnahmen. Darauf stützt sich die Macht der Herrscherfamilie al Saud. Wo sich demokratische Regierungen ihre Legitimation über Wahlen holen, da hält man sein Volk mit jeder Menge Geld und sonstigen Wohltaten ruhig, damit es nicht anfängt demokratische Mitspracherechte einzufordern – denn Stand heute ist das Land ein Königreich, wo tatsächlich nur der König selbst alles entscheidet. Würde es zu Massenarbeitslosigkeit, drastisch steigenden Kosten, sinkendem Lebensstandard etc kommen, würden sich viele Bürger vielleicht schon mal fragen, warum nur ein Mann in ihrem Land alles entscheidet, und nicht die Bevölkerung über Wahlen mitentscheiden darf.

Saudi-Arabien subventioniert derzeit die inländischen Benzinpreise mit ca. 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Würde man diese Subventionen streichen, könnte man gut 1/3 des für 2015 zu erwartenden Defizits ausgleichen. Aber was würde der völlig vom Staat verwöhnte Bürger dazu sagen? Also lieber nicht, die Subventionen laufen weiter. In Abu Dhabi nebenan in den Vereinigten Arabischen Emiraten sieht es da schon anders aus. Hier fängt man an solche Subventionen zurückzufahren. Aber nicht nur bei Benzinpreisen buttert die Königsfamilie kräftig zu, man gönnt sich einen gigantischen Staatsapparat, der nicht durch Steuereinnahmen, sondern durch Öleinnahmen gedeckt wird. Der Ölpreis hat sich aber in den letzten 1 1/2 Jahren zerlegt. Also, was tun, Schulden, Ausgabenkürzungen, Verkauf der Vermögenswerte? Oder ein Mix aus allem? Die Gehälter der Staatsbediensteten geschweige denn ihre Posten an sich wird man wohl kaum antasten.

Die Einzelhandelsdaten aus Saudi-Arabien jedenfalls zeigen, dass nach wie vor kräftig konsumiert wird.  Das wird auch bewirkt durch die Amtseinführung von König Salman Anfang des Jahres, der wie üblich in Saudi-Arabien zu solchen Anlässen allen Staatsdienern zwei Extra-Gehälter auszahlen lies. Insgesamt kostete die Sause schlappe 30 Milliarden US-Dollar. Solche Geldregen bringen dem Einzelhandel einige Zeit einen Aufschwung, dauerhaft strukturell wirkt so etwas aber nie.

Das Herrscherhaus al Saud wird es sich kaum leisten können Staatsangestellte zu entlassen oder Gehälter zu kürzen. Vielleicht wird man hier und da kleinere Ausgaben kürzen wie das Bezahlen von Auslandsaufenthalten von saudischen Studenten etc. Aber im Großen und Ganzen ist das wichtigste für einen König der Machterhalt – dafür muss das Volk ruhig und glücklich gehalten werden. Es wird für Saudi-Arabien kurzfristig einfacher sein das Haushaltsdefizit, das wie es aussieht in 2015 gigantisch ausfallen wird, über die Ausgabe von Anleihen zu finanzieren als über den Verkauf von Vermögenswerten. Bleibt der Ölpreis noch ein paar Jahre auf dem Niveau und verzichtet man auf tiefgreifende innere Reformen, kann die IWF-Berechnung Realität werden. Ein gigantischer Berg von Staatsvermögen (ganz grob geschätzt 600 Milliarden Dollar) könnte in Rekordzeit wegschmelzen, oder ihm könnte in Rekordzeit ein ebenso großer Berg von Staatschulden gegenüberstehen.

Was das mit uns zu tun hat? Gelder würden aus dem europäischen Aktien- und Immobilienmarkt abfließen, mittel- und langfristig hätte das auch Auswirkungen auf unsere Realwirtschaft. Und schuld an allem ist ganz alleine dieser nervige niedrige Ölpreis. Das könnte Saudi-Arabien in Windeseile ändern, in dem man mit seinen Partnern am Golf (VAE, Kuwait etc) die Öl-Fördermenge zurückschraubt. Der Ölpreis könnte rasch ansteigen und man wäre wieder im grünen Bereich. Aber wie wir schon oft berichtet haben, zögert Saudi-Arabien aus taktischen Gründen, denn die amerikanische Fracking-Industrie verdrängte mit ihrem steigenden Angebot in den letzten Jahren zunehmend die Saudis vom US-Markt. Man möchte mit dem niedrigen Ölpreis solange warten, bis die Fracker kaputt sind, dann kann man die Fördermenge wieder senken, so die Logik. Aber bis dahin steckt man in einem großen Dilemma. Neue Schulden müssen her, um das Volk glücklich zu machen. Auch andere stark überschuldete Staaten haben mal mit einer kleinen Schuldenlast angefangen.



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3 Kommentare

  1. Schickt den Hakennasen mal Mario D.Der erklärt Ihnen kurz was QE ist&bewirkt&gut ist!

  2. Abseits der Finanzseite Fracking/konventionelle Ölförderung a la Saudi-Arabien,gibt es noch eine weit gefährlichere!Die Yankees,haben jetzt schon kein Wasser in wichtigen Regionen.Wenn sie mit ihrer Agent-Orange Frackung weiter sind,wen überfallen sie als nächstes?Sicherlich keinen Ölförderstaat,sondern ein wasserreiches Land!Dabei hatte ich schon wegen der Klimakatastrophe mit einer Niederlassung irgendwo in Skandinavien geliebäugelt.Gecancelt,wenn demnächst die Truppen des Kriegsnobelpreisträgers dort auftauchen!

  3. „Stand heute ist das Land ein Königreich, wo tatsächlich nur der König selbst alles entscheidet. Würde es zu Massenarbeitslosigkeit, drastisch steigenden Kosten, sinkendem Lebensstandard etc kommen, würden sich viele Bürger vielleicht schon mal fragen, warum nur ein Mann in ihrem Land alles entscheidet, und nicht die Bevölkerung über Wahlen mitentscheiden darf.“

    Eine Änderung entspräche einem Putsch. Ansonsten beansprucht der König regulär die Gefolgschaft, was rechtlich einem Besitztungsstand entspricht, sprich: die Untertanen sind vollständiges Eigentum des Königs (Sklaven). Das gleiche gilt wahrhaftig in Großbritanien, wo das Volk wahrhaftich Eigentum der Queen ist. Und auch wenn es jetzt etwas komisch klingt: da die BRD (nicht Deutschland) eine amerikanische Kolonie ist, und Amerika ebenfalls hintergründig fern seiner Eigenständigkeit agiert (Britanien zieht hier ebenfalls seine Fäden), sind wir letztendlich ebenfalls der Queen untergeordnet – willkommen im Common Wealth. Noch dreister ist nur der Papst (Vatikan, Heiliger Stuhl): er beansprucht – ungelogen – den Besitztum allen Lebens auf diesem Planeten aus (kirchen)rechtlichen Aspekten heraus. Verrückte Welt.

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