Europa

Schlechte Nachricht für Erdogan: Türken so pessimistisch wie seit 6 Jahren nicht

Von Markus Fugmann

Die Zeiten, in denen die türkische Bevölkerung den ökonomischen Wunder-Versprechungen ihre Führers Erdogan, pardon, Präsidenten, glaubten, sind offenkundig vorbei. Die Stimmung der Verbraucher in der Türkei, das teilte heute das türkische Amt für Statistik mit, ist so schlecht wie seit gut sechs Jahren nicht mehr. Sie fiel auf 64,29 im Mai – das ist der schechteste Wert seit März 2009. Im Vormonat April lag der Index noch bei 65,35. Werte unter 100 signalisieren eine pessimistische Einstellung der Verbraucher.

Erdogan
Will nach den Wahlen eine Verfassunngsänderung: der türkische Präsident Erdogan
Foto: Prime Minister Office / Wikipedia (CC BY-SA 2.0)

Besonders drastisch fiel der Unterindex, der die Verbraucher danach fragt, ob sie in der Lage seien, Geld auf die hohe Kante zu legen. Der Index brach 11,6% im Vergleich zum Vormonat ein. Ein Grund dafür dürfte die Entwicklung an den Devisenmärkten sein: die türkischen Konsumenten und Unternehmen sind hochgradig verschuldet, meist in US-Dollar. Und der Dollar hat konstant zur türkischen Lira aufgewertet (auch eine Folge der Attacken Erdogans auf den Notenbankchef Basci), was die Kreditlast vergrößert. Erst gestern hatte sich die türkische Notenbank geweigert, den Leitzins erneut zu senken.

Für Erdogan sind die heute veröffentlichten Daten eine besonders schlechte Nachricht: sein Ansehen steht und fällt mit der Konjunkturlage, der Wirtschaftsaufschwung der Vorjahre wird vor allem von der „einfachen Bevölkerung“ ihm zugeschrieben, ist faktisch jedoch eher ein Resultat der Politik der amerikanischen Notenbank, deren billiges Geld in Schwellenländer wie die Türkei strömte. Zwar ist der Staat wenig verschuldet, dafür sind es aber die Verbraucher extrem stark: schon im Zusammenhang mit dem Grubenunglück im Vorjahr, bei dem Erdogan eine sehr schlechte Figur gemacht hatte, wurde immer wieder deutlich, dass viele Türken bis zur Schmerzgrenze verschuldet sind. Kein Wunder also, dass von Sparen bei den meisten Türken derzeit keine Rede sein kann – zumal die Kredite der Banken schon lange nicht mehr so üppig fließen wie einst.

Der Pessimismus der Türken ist für Erdogan brandgefährlich, schließlich stehen am 07.Juni Parlamentswahlen an. Erdogan will nach seinem Amtswechsel die Stellung des Präsidenten mit erheblichen Komptetenzerweiterungen ausstatten, die ihn faktisch zum Alleinherrscher der Türkei machen würden. Aber selbst innerhalb seiner Partei regt sich dagegen Widerstand, und sollte der Pessimismus der Türken sich auch im Wahllokal manifestieren, wäre die Zeit Erdogans vorbei. Für die Vernunft wäre ein Abtreten Erdogans eine gute Nachricht – Erdogans Verbalentgleisungen sind inzwischen Legion..

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