Die nächste EZB-Sitzung rückt näher: Am 12. Dezember 2024 werden die Ratsmitglieder erneut über die Zinsen entscheiden. Vieles spricht dafür, dass die Europäische Zentralbank zum vierten Mal in diesem Jahr eine Zinssenkung verkünden wird. Die Märkte hoffen diesmal sogar auf einen großen Zinsschritt von 50 Basispunkten. Doch einige Währungshüter dürften etwas dagegen haben, zum Beispiel Isabel Schnabel. Die EZB-Direktorin sieht nur begrenzten Spielraum für weiter sinkende Zinsen.
Schnabel: Zinsen nur langsam senken
Die Europäische Zentralbank sollte sich laut Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel vor einer zu starken Senkung der Zinsen in Acht nehmen, da sich die Kreditkosten bereits einem Niveau nähern, das die Wirtschaft nicht mehr bremst, und eine Zinssenkung nach hinten losgehen könnte.
Die Währungshüter könnten die Geldpolitik weiter lockern, sollten dies aber nur schrittweise tun, um zu verhindern, dass die Zinsen unter das neutrale Niveau fallen, sagte Schnabel in einem Interview. Eine zu starke Lockerung könnte wertvollen geldpolitischen Spielraum verspielen, warnte Schnabel, die zu den Falken im EZB-Rat zählt. Sie schließt sich damit den Äußerungen von Bundesbankpräsident Joachim Nagel an, der ebenfalls vor zu schnellen Zinssenkungen gewarnt hatte.
“Angesichts der Inflationsaussichten denke ich, dass wir uns allmählich auf die neutrale Schwelle zubewegen können, wenn die eingehenden Daten weiterhin unsere Grundannahmen bestätigen”, sagte Schnabel in ihrem Frankfurter Büro. “Ich würde davor warnen, zu weit zu gehen, das heißt in akkommodierendes Gebiet.”
Das neutrale Niveau, das sich nicht genau messen lässt, schätzt sie auf zwei bis drei Prozent – höher als Währungshüter wie der Grieche Yannis Stournaras und der Portugiese Mario Centeno meinen. Die Südeuropäer gehören zu den Tauben im EZB-Rat. Da der Einlagensatz nach bisher drei Zinssenkungen um jeweils einen Viertelpunkt in diesem Jahr nun bei 3,25 Prozent liegt, “sind wir vielleicht gar nicht mehr so weit” von diesem Niveau entfernt, so Schnabel.
Hitzige Debatte im EZB-Rat
Diese Äußerungen sind Teil einer immer heftiger werdenden Debatte darüber, wie die EZB auf die sich verschlechternde Wirtschaftslage im Euroraum und eine Inflation reagieren soll, die sich zwar schneller als erwartet der Zielmarke von 2 % nähert, hier und da aber immer noch Anlass zur Sorge gibt. Analysten erwarten für November einen Anstieg der Inflationsrate auf 2,3 % nach 2,0 % im Vormonat.
Die Diskussionen über das Tempo der geldpolitischen Lockerung werden immer hitziger, was durch die gestiegene globale Unsicherheit noch komplizierter wird – insbesondere durch die Handelszölle, die mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus einhergehen dürften. Europa muss sich diesmal gegen einen Handelskrieg mit den USA wappnen, um nicht wie in seiner ersten Amtszeit auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.
Der Markt geht davon aus, dass die Zinsen im nächsten Jahr auf etwa 1,75% fallen werden, was, wie Schnabel einräumte, im Widerspruch zu ihrer eigenen Einschätzung steht. Von Bloomberg befragte Ökonomen sehen sie in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 auf 2% sinken.
“Die Märkte scheinen davon auszugehen, dass wir in den akkommodierenden Bereich gehen müssen”, sagte sie. “Aus heutiger Sicht halte ich das nicht für angemessen.” Sie wies auch Spekulationen von Anlegern über eine Halbpunkt-Reduzierung der Zinsen auf der Dezember-Sitzung zurück und sagte, sie habe “eine starke Präferenz für einen graduellen Ansatz.”
Das sagt Bloomberg Economics:
„In ihren letzten beiden geldpolitischen Lockerungszyklen hat die EZB die Zinsen schließlich um rund 200 Basispunkte unter das Niveau gesenkt, das wir für neutral halten. Bloomberg Economics geht davon aus, dass es eines größeren Schocks bedürfte, um die Zinsen unter 2 % zu drücken, was unserer aktuellen Schätzung des neutralen Zinssatzes entspricht“. – David Powell und Andrej Sokol, Volkswirte.
Selbst wenn die Inflation niedriger ausfallen sollte, könnte sich eine Zinssenkung als kontraproduktiv erweisen, wenn die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Probleme die Ursache für die Unterschreitung sind, warnte Schnabel.
„In einer solchen Situation könnten die Kosten einer akkommodierenden Politik höher sein als der Nutzen“, sagte sie. „Wir würden wertvollen politischen Spielraum verlieren, den wir in Zukunft brauchen werden, wenn die Wirtschaft mit Schocks konfrontiert wird, die die Geldpolitik besser bewältigen kann.
Mit Blick auf das Wachstum spielte sie den überraschenden Rückgang der Wirtschaftsaktivität im privaten Sektor in diesem Monat herunter und begründete dies mit der erhöhten Unsicherheit, die durch die politischen Probleme in Europa und den Wahlsieg von Donald Trump in den USA entstanden sei. Die Zahlen könnten das Ausmaß der Schwäche überzeichnen.
FMW/Bloomberg
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