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Die Schweizer Notenbank SNB – zwischen Genialität und Wahnsinn

Die Geschichte der Schweizer Nationalbank.

Berge in der Schweiz

Mitte des 19. Jahrhundert war in Europa eine Zeit der nationalen Erhebungen, das aufblühende Bürgertum drängte nach mehr Mitsprache und der Gründung von eigenen Nationalstaaten. Während die bürgerliche Revolution in Deutschland scheiterte, glückte sie in der Schweiz. 1848 erkämpften sich die Eidgenossen ihre Bundesverfassung und gründeten ihren eigenen, fest gefügten Bundesstaat. Im Zuge der Konsolidierung der Staatsgewalt wurde die Eisenbahn verstaatlicht, die Schweizer Post 1849 und die Schweizer Notenbank SNB mit Sitz in Bern und Zürich 1907 gegründet. Sie sollte das alleinige Banknotenmonopol erhalten, der Schweizer Franken war bereits 1850 als Währung der Schweiz eingeführt worden. Der Gründung ging ein langer Streit voraus, ob die neue Bank eine private oder staatliche werden sollte. Die Eidgenossen haben sich schließlich auf einen Kompromiss geeinigt und eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft des Bundesrechtes gewählt. Neben den verschiedenen Kantonen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die zusammen 78 Prozent der Anteile halten, gibt es auch private Anteilseigner. Der größte unter ihnen ist ein deutscher Staatsbürger. Theo Siegert, ein aus Düsseldorf stammender Manager, hält über 5 Prozent der Anteile. Allerdings ist bei Privatpersonen das Stimmrecht auf 100 Aktien limitiert, um keine Einflussnahme zu ermöglichen. Das ist eine Besonderheit dieser spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft des Bundesrechts. Die Schweizer Notenbank ist somit eine börsennotierte Gesellschaft, die Aktie kann an der Börse Zürich erworben werden, der aktuelle Kurs liegt bei 7380 Sfr.

Die Finanzkrise 2008 und ihre Folgen für die SNB

Bis dahin wäre die Geschichte der Schweizer Notenbank die einer jeden anderen Notenbank gewesen, wäre die Finanzwelt nicht 2008 durch die Finanzkrise in ihren Grundfesten erschüttert worden. In Krisenzeiten ist der Wunsch nach Sicherheit groß, so dass Anleger gerne große Summen in Gold, Betongold oder auch in Schweizer Franken umschichten (wie es jüngst auch der Fall war). Zudem hatten die FED und die EZB den Geldhahn aufgedreht und die Zinsen gesenkt, um die Krise zu bekämpfen. Diese beiden Impulse lösten einen starken Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken aus, der die Exportfähigkeit der eigenen Industrie abzuschnüren drohte. Bekam man noch in 2007 für einen Euro im Schnitt 1,60 Franken, sackte der Euro während der Finanzkrise immer tiefer ab. Die Schweizer Notenbank sah keine andere Möglichkeit, als die Intervention am Devisenmarkt. Zuerst verteidigte sie ab dem 5. August 2011 offensiv einen Euro/Franken-Mindestkurs von 1,20, aber als mit Ausbruch der Eurokrise 2015 die EZB ihr Anleihenkauf-Programm startete und der Druck auf den Franken wieder zunahm, beschloss das Direktorium der Bank am 15. Januar 2015, die Aufgabe des Mindestkurses von 1,20. Die Bilanz hatte sich aber bis dahin bereits um mehrere hunderte Milliarden Schweizer Franken verlängert. Diese Entscheidung löste an den Märkten einen regelrechten Kurssturz im Währungspaar Euro/Franken aus, Übernacht verlor der Euro in der Spitze 20 Prozent. Diese Entscheidung wurde nicht überall begrüßt. Als direkte Folge musste die SNB Abschreibungen in Milliardenhöhe auf ihren Devisenbestand vornehmen. Das Direktorium der SNB war der Meinung, auf eine allgemeine Euroschwäche reagieren zu müssen und hielt den Kurs von 1,20 gerade im Vergleich zu anderen Währungen für überbewertet. Seitdem nähert sich der Wechselkurs wieder der Parität an und steht aktuell bei 1,0179 EUR/CHF.

Binnengeld und Außengeld

Bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie war die Bilanzsumme der SNB wegen der Interventionen am Devisenmarkt auf über 800 Milliarden Franken angeschwollen. Der Zustrom fremden Kapitals in die Schweiz blieb seit Beginn der Finanzkrise weiterhin ungebrochen, so dass die Schweiz, wie übrigens auch Deutschland in den Jahren 2012 und 2013, keinerlei Binnengeld mehr in den Umlauf bringen musste. Professor Hans-Werner Sinn hat dieses Thema in seinen Target-Vorträgen immer wieder erläutert: „Binnengeld entsteht durch die Initiative der Geschäftsbanken, die der Notenbank dafür Wertpapiere geben oder eine Forderung gegen sich selbst einräumen. Außengeld, wie der Name schon vermuten lässt, ist Überweisungsgeld, das im Auftrag anderer Notenbanken hergestellt wird und eine Devisen-, oder im Eurosystem eine Target-Forderung, gegen sie begründet.“ Die Schweizer Notenbank wurde mit fremden Währungen (Außengeld) förmlich zugeschüttet und sah sich weiterhin gezwungen, an den internationalen Finanzmärkten zu intervenieren, um den Franken nicht zu stark aufwerten zu lassen. Die Schweizer Exportindustrie wäre sonst ein Opfer dieser Kapitalflucht geworden. Mittlerweile beläuft sich die Bilanzsumme der SNB nach der Pandemie auf über eine Billionen Schweizer Franken. Zum Vergleich, das BIP der Schweiz mit ihren acht Millionen Einwohnern beträgt ca. 750 Milliarden US Dollar; Deutschland, mit seinen 84 Millionen Einwohnern, hat ein BIP von 3,8 Billionen US-Dollar.

Die SNB – ein Hedge-Fond mit angeschlossener Notenbank oder eine Notenbank mit integriertem Hedge-Fond?

Wie ist diese gigantische Summe aufgeteilt? Ein Blick auf die Aktivseite der Bilanz der SNB zeigt, dass über 55 Milliarden Franken in Gold angelegt sind und 966 Milliarden in Devisenreserven. 39 Prozent der Reserven werden in US-Dollar gehalten, 38 Prozent in Euro, 8 Prozent in Yen und 6 Prozent in britischen Pfund. Der Rest verteilt sich auf weitere Währungen, die stark mit der Eurozone verbunden sind. Ein tieferer Blick in die Devisenreserven zeigt die unterschiedlichen Anlageklassen. Zwei Drittel investiert die Schweizer Notenbank in Staatsanleihen in den jeweiligen Landeswährungen, 11 Prozent werden in Unternehmensanleihen oder Anleihen supranationaler Organisationen investiert und 23 Prozent in Aktien. 23 Prozent von einem in 2021 ausgewiesenen Devisenbestand von 966,202 Milliarden Franken sind rund 222 Milliarden Franken. Die SNB kauft quer Beet Aktien von 6.600 Unternehmen aus 95 Prozent aller internationalen Finanzmärkte zusammen, um so möglichst breit investiert zu sein. Dadurch ist sie zu einem einflussreichen Spieler am Markt geworden. Traditionell lassen sich Schweizer Notenbanker nicht gerne in die Bücher schauen, aber die sogenannte Form 13F zwingt sie dazu, zumindest ihre US-Positionen offenzulegen. Die größten Aktienpositionen unter den US-Werten sind Apple, Microsoft, Amazon, Tesla, Alphabet und Meta Platforms. Alleine von Apple hält die SNB knapp 63 Millionen Anteilsscheine, je nach Kurs sind das rund 11 Milliarden US Dollar. In ihrer Aktienauswahl ist die SNB sehr tolerant, im Portefeuille befinden sich auch Werte wie Schlumberger, Haliburton, Bunge, Gamestop und Raytheon Technologies.

„Unsichtbar wird der Wahnsinn, wenn er genügend große Ausmaße angenommen hat“ – Berthold Brecht

Die Risiken, die sich hier zusammen brauen, sind schwer einzuschätzen. Die SNB hat zwar eine ordentliche Eigenkapitalbasis von 200 Milliarden Franken, das sind gut 20 Prozent der Bilanzsumme. Aber die Volatilitäten in den verschiedenen Anlageklassen sind zum Teil erheblich. Schließlich bewertet die SNB ihre Aktiva nach dem Marktwertprinzip. So schreibt die SNB in ihren eigenen Publikationen: „Das Ergebnis der Nationalbank ist überwiegend von der Entwicklung der Gold-, Devisen- und Kapitalmärkte abhängig. Daher muss mit sehr stark schwankenden Quartals- und Jahresergebnissen gerechnet werden.“ Es liegt offensichtlich ein schmaler Grat zwischen Genialität und Wahnsinn, auf dem die SNB sich in schwindelerregende Höhen schraubt. Größere Verwerfungen oder gar ein Crash an den Märkten hätten aber fatale Auswirkungen auf die Bilanz der SNB. Die Aktie der Schweizer Notenbank ähnelt somit mehr einer Black Box mit hoher Volatilität und sehr dünnem Handelsvolumen.

Kursverlauf der Schweizer Notenbank
Grafik: Aktienkurs SNB relativ zum S&P500 seit 2008

Kursdaten aus https://de.tradingview.com

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2 Kommentare

  1. Theo Siebert 5000 SNB Anteile oder a biserl mehr. HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH.

  2. Mathias J. Kneller

    Fuer mich macht es Sinn. Die vielen Devisen der SNB müssen sie in Aktien anlegen als Risikoschutz. Am besten von den Börsen im Land der Devisen die sie haben. So gibts am wenigsten Devisen Verluste. Darum auch das sehr breite Portfolio wegen der vielen Länder/Devisen

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