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Shanghai und Lockdown in China: Wie Corona die Finanzen ruiniert

Corona in China: ausufernde Kosten und die seltsame Impfstrategie

Shanghai Lockdown China Corona

Zwei Monate lang dauerte der Lockdown in Shanghai wegen Corona, andere Städte in China kamen glimpflicher davon. Im Vergleich dazu war der Lockdown in Deutschland ein Zuckerschlecken: Die Bewohner der Städte durften weiter zur Arbeit gehen, Einkaufen oder den Hund ausführen. In Shanghai dagegen hieß es, 23 Stunden in der Wohnung bleiben. Nur zum Testen durfte die Wohnung werden.

Shanghai – trotz Lockdown ist das Corona nicht verschwunden

Doch auch nach zwei Monaten Lockdown ist Corona weder in Shanghai noch in China insgesamt nicht verschwunden. Noch schlimmer, trotz intensiven Testens und dem Einsatz der Health App lassen sich die Infektionsketten nicht zu 100% nachverfolgen.

Am Wochenende wurden nach dem erneuten Auftreten von Corona-Fällen Massentests in fast allen Bezirken Shanghais durchgeführt. Der befürchtete neue Lockdown blieb zum Glück aus. Nach dem Testen durften die Bewohner ihre Wohnung wieder verlassen und sich wieder frei im Stadtgebiet bewegen.

Nun kehrt die Stadt zum „New Normal“ zurück. Und das bedeutet: sofern ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt oder ein Geschäft betreten wird – oder man nur wieder zurück in seinen Wohnblock gehen möchte – muss man einen maximal 72-Stunden alten Corona-Test vorzeigen. Faktisch bedeutet das, dass die Bewohner Shanghais alle zwei Tage zum Testen gehen müssen.

China, Shanghai und das permanente Testen

Die Zentralregierung hat dabei vorgegeben, dass jeder Einwohner in den größten Städten Chinas eine Testmöglichkeit in maximal 15 Minuten Umkreis zu seinem Wohnort zu Fuß erreichen kann – und dies landesweit. Vier unterschiedliche Möglichkeiten dazu stehen zur Verfügung. In vielen Wohnblöcken wurden mobile Teststationen errichtet. Meist ist dies nur ein Tisch, geschützt von einem Sonnenschirm oder -zelt. Alle Krankenhäuser und viele Community Health Center haben ebenfalls Testcenter errichtet. Sofern nicht nur der Test online übermittelt werden soll, sondern auch in Papierform bzw. in English ausgefertigt werden muss (z. B. für eine geplante Flugreise ins Ausland), müssen diese Corona-Tests in den Krankenhäusern absolviert werden. Die Kosten für diese Tests liegen bei  40 Renmimbi (entspricht sechs Euro). Neu sind nun Test-Kioske, die überall im Land aufgestellt werden. Vereinzelt kommen auch Teststationen auf bzw. in Kleinlastern zum Einsatz.

Das System funktioniert nur halbwegs. In einigen Bereichen Chinas reihen sich die Testmöglichkeiten dicht an dicht, in anderen sind sie eingeschränkt – vielerorts befinden sie sich in Wohnblöcken, zu denen nur die Bewohner Zugang haben. An einigen Testzentren herrscht reger Betrieb, so dass es teilweise stundenlange Wartezeiten gibt, andere warten regelrecht auf Kunden. Die Verwaltungen versuchen nun das System 15:30 zu etablieren. Jeder Bewohner soll fußläufig innerhalb von 15 Minuten eine Testmöglichkeit erreichen können und dort maximal 30 Minuten auf einen Test warten müssen.

Die Corona-Kosten explodieren – wer zahlt?

Sixth Tone, ein Online-Magazin der Shanghai United Media Group, hat nun versucht, möglichst detailliert die Kosten für das Testen zu kalkulieren. Sie untersuchten dabei die 32 größten Städte in China, soweit sie darüber öffentlich verfügbare Informationen fanden. Im ganzen Land mussten 85.000 neue Testzentren errichtet werden. Durchschnittlich sind 30% aller Ärzte und Krankenpfleger einer Stadt in diesen Testzentren beschäftigt. In Nanning oder Shenzhen sogar 50% des gesamten medizinischen Personals. Die Gesamtkosten für das Testen, inklusive der Infrastruktur, Handschuhe, Schutzanzügen, Desinfektionsmitteln, Reagenzien und so weiter belaufen sich auf ¥232 Millionen oder €32 Millionen – pro Tag oder 12 Milliarden Euro im Jahr. Dies sind rund 5% der gesamten chinesischen Steuereinahmen.

Allerdings müssen die Städte die Kosten für das Testen selber übernehmen: Im Durchschnitt müssen die Städte 25% ihrer gesamten Gesundheitskosten nur für das Testen ihrer Bevölkerung ausgeben. In vielen 2nd und 3rd-Tier-Cities sind dies deutlich über 50%, in Hohot (Innere Mongolei) übersteigen die Kosten sogar mit 126% das verfügbare Gesundheitbudgets.

Daher ist die Frage, wie und auf wen die Kosten abgewälzt werden können. Die Stadt Shanghai hat nun bekanntgegeben, dass bis mindestens 31. Juli die Tests kostenfrei bleiben. Sollten ab dem 1. August die Getesteten selber die Kosten tragen, müsste jeder Einwohner jeden Monat ¥600 (€85) für Tests ausgeben. Auch wenn Shanghai eine reiche Stadt ist, der Durchschnittslohn beträgt ¥10.338 (€1.467), der Mindestlohn ¥6.000 (€850) und ein durchschnittlicher Rentner verdient ¥5.000 (€700).

Große Arbeitgeber werden ihren Arbeiter und Angestellten die Tests bezahlen, aber das Gros der Beschäftigten ist sind bei Klein- und Kleinstunternehmen beschäftigt. Diese werden die Kosten für Corona-Tests weder übernehmen wollen noch können. Die Folge könnte sein, dass noch mehr Wanderarbeiter Shanghai verlassen, was sich merklich auf die Lebensqualität auswirken dürfte. Rentner werden noch mehr als bisher vom sozialen Leben ausgeschlossen.

In allen diesen Berechnungen sind die Kosten für die Internierung der Corona-Positiven bzw. der Kontaktpersonen noch nicht enthalten. In Shanghai waren zeitweise über 200.000 Menschen interniert. Für diese Menschen mussten Unterkünfte, Betten, medizinisches Personal und Fahrzeuge bereitgestellt werden. Bisher gibt es darüber keine Quellen, die diese Kosten berechnet haben. Bekannt hingegen ist, dass zusätzlich 30.000 Helfer im medizinischen Bereich eingesetzt wurden. Nimmt man eine Bezahlung von ¥200 pro Tag an, muss dafür ein Budget von ¥360 Mio (51 Millionen Euro) veranschlagt werden.

Impfkampagne in China ist gescheitert – Gesundheitssystem schwer angeschlagen

Derweil kommt die Impfkampagne gerade der älteren Bevölkerung Chinas nicht voran. Die Impfung gegen Corona ist nach wie vor freiwillig. Im Gegensatz zu den meisten Staaten der Welt, hat China die jüngeren Bevölkerungsschichten priorisiert. 40% der über 60-jährigen in China sind immer noch nicht egen Corona geimpft. Bei dem gegenwärtigen Impffortschritt würde es noch 410 Tage dauern, um auch diese Altersgruppe ausreichend zu impfen.

Viele, nicht nur ältere Menschen, haben Angst vor den Nebenwirkungen der Impfung. Daher bietet China jetzt eine Versicherung für Menschen über 60 mit einer Deckungssumme von umgerechnet €70.000 an. Ob dies die Vorbehalte gegen die chinesischen Impfstoffe ausräumen kann, kann bezweifelt werden. Die große Frage ist, warum China sie nicht einfach die verpflichtend macht. Denn eine generelle Impflicht ist in China durchaus üblich: bis zum 7. Lebensjahr müssen 22 Impfungen vorgenommen werden, gegen Krankheiten wie Hepatitis, Polio, Tetanus, Mumps. Bedingung für die Einschulung ist der Nachweis dieser Impfungen. Auch könnte die Health-App zur mehr oder weniger Zwangsimpfung herangezogen werden. Die Impfzertifikate werden auch hier hinterlegt. Ein Zugang zur Arbeitsstelle, Wohnanlage oder Supermärkten könnte also auch recht einfach durch die App gestaltet werden.

Einen völlig anderen Weg ist China bei der Bekämpfung von SARS 2002-2004 gegangen. Anders als heute, hatten 80% der Land- und 40% der Stadtbevölkerung keine Krankenversicherung. Anders als heute hat die Partei und Zensoren auch eine Diskussion um den Zustand des Gesundheitssystems zugelassen. Eine solche diese Diskussion über die Corona-Politik findet kaum statt.

Shanghais Gesundheitssystem bricht fast zusammen

In Shanghai ist das Gesundheitssystem vor dem Lockdown praktisch zusammengebrochen. Die meisten Krankenhäuser waren von Corona-Positiven so überlastet, dass sie keine neuen Patienten aufnehmen konnten. Den Lockdown konnte Shanghai ohne fremde Hilfe nicht bewältigen. Wie schon erwähnt, wurden 30.000 auswärtige Helfer in Shanghai eingesetzt. Während noch nicht einmal offiziell 100 Menschen an Corona gestorben sind, belief sich die Zahl derer, die an anderen Krankheiten, wie Herzinfarkt, Diabetes oder durch Selbstmord gestorben sind, auf mehrere hundert.

Dabei ist Shanghai eine vergleichsweise reiche Stadt in China mit einem relativen guten Gesundheitssystem. Allerdings ist Chinas Gesundheitssystem nur auf Rang 144 der WHO-Statistik zu finden. Sollte China seine „flexible Zero-Covid“ weiter fortsetzen, könnte dies nicht nur eine enorme finanzielle Belastung werden, sondern auch das Gesundheitssystem in China an den Rand des Leistbaren bringen.



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1 Kommentar

  1. Was los, Shanghai wieder im Lockdown.
    Wegen 11 Fälle.
    Was los hä.
    Herr Fugmann hat eine Erklärung, der Parteiideolgiestrategie, null covid.
    Kann man nicht ändern wegen Glaubwürdigkeit.
    Letzte Erklärung?
    Oder doch noch andere Gründe?
    I denk, China will als WeltWirtschaftsmotor ausfallen, um den Westen…………..

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