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Social Media in Europa: Mit Applaus zurück in die Steinzeit

Gute Nacht Social Media, wie wir es heute kennen! Der CDU-Abgeordnete Axel Voss hat gestern überschwänglich gejubelt, gestrahlt und seine Arme hochgerissen, als der Artikel 13 des Urheberrechts nun doch beschlossen wurde vom EU-Parlament. Gestern berichteten wir schon darüber (hier mehr dazu). Der Otto-Normal-Verbraucher wird diese Veränderung so direkt gar nicht wahrnehmen. Nur nach und nach wird einem irgendwie auffallen, dass Facebook, Instagram, YouTube und Co tendenziell verkümmern könnten in Sachen Kreativität, Meinungsvielfalt uvm. Beispielhaft erklärt das zum Beispiel der folgende YouTuber.

Das ist kein Witz! Aktuell kann jeder einfach so irgendwas auf YouTube, Facebook und Twitter hochladen. Ist es urheberrechtlich problematisch, können Rechteinhaber sich derezit melden und den Inhalt sperren lassen. Die Verantwortung überträgt der EU-Gesetzgeber aber nun auf den Plattform-Anbieter selbst, also Facebook, Google und Twitter. Es ist aber gar nicht genau definiert, wie zum Beispiel festgestellt werden soll, welcher Inhalt (Video, Text, Foto) urheberrechtlich von Seiten des Inhalte-Produzenten geschützt werden soll, und welchen Inhalt Inhalte-Produzenten absichtlich zur freien Verwendung im Netz freigeben möchten.

Sollen sich alle Produzenten von Medieninhalten online mit ihren Inhalten registrieren, die als Original-Werke anerkannt werden sollen? Wer überprüft, ob derjenige wirklich der Rechteinhaber ist? Nichts ist im Entwurf vom lieben Herrn Voss genau geklärt. Willkür ist offensichtlich erwünscht. Denn was passiert, wenn so ein Gesetz nicht genau definiert wird? Es kann extrem weit ausgelegt werden! Also wird die Angst der Konzerne vor hohen Abmahngebühren dazu führen, dass sie zukünftig eine riesige Menge an Inhalten gar nicht erst zum Hochladen zulassen werden. Man darf gespannt sein auf diese neue „glorreiche Zeit“ für Social Media in Europa.

Das EU-Parlament hat gestern dazu einen Text veröffentlicht (volle Länge hier einsehbar). Auszugsweise heißt es Zitat:

Jegliche Maßnahmen, die von Plattformen ergriffen werden, um zu überprüfen, ob Uploads nicht gegen Urheberrechtsbestimmungen verstoßen, sollten jedoch nicht dazu führen, dass Werke, bei denen kein Verstoß gegen das Urheberrecht gegeben ist, nicht verfügbar sind. Diese Plattformen werden außerdem verpflichtet sein, zügige Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen (die von den Mitarbeitern der Plattform betrieben werden, nicht von Algorithmen) einzurichten, über die Beschwerden eingereicht werden können, wenn ein Upload zu Unrecht gelöscht wurde.

Die Initiatoren dieser neuen Richtlinie wissen also jetzt schon, dass sie zu Chaos und jeder Menge Blockaden noch vor dem Upload führt. Es soll also eine gewaltige Horde von Menschen bei Twitter, Facebook und Google eingestellt werden, die nun prüfen soll, was fälschlicherweise blockiert wurde beim Hochladen. Nur: Es gibt das Zitat-Recht und das Recht geschützte Inhalte umzubauen und in einem neuen Gesamtzusammenhang zu verwenden. Sollen diese Prüf-Mitarbeiter dann jedesmal Anwaltskanzleien befragen, ob sie den Upload freischalten sollen oder nicht? Und wer soll diesen Mehraufwand bezahlen?

Die Amerikaner werden wohl nur noch lachen über diese peinlichen Europäer. Dort ist über die „Fair Use Rule“ quasi alles in Ausschnitten verwendbar, es sei denn man kopiert komplette Filme und Texte. Die Kreativen in den USA können ihre Vorstellungen frei entfalten, was letztlich auch dazu führt, dass die Musik im Netz in Zukunft zunehmend noch viel mehr außerhalb der EU spielen wird als ohnehin schon. Vielen Dank Herr Voss! Ach ja, der lächelt und freut sich wohl immer noch über seinen Abstimmungssieg. Er sieht das natürlich genau andersrum als wir „kleingläubigen Nörgler“, welche wir sicherlich in seinen Augen sind. Hier ein aktuelles Video des EU-Parlaments in dieser Angelegenheit.

Problem für Social Media in Europa - Axel Voss jubelt
Axel Voss jubelt gestern im EU-Parlament über „seinen Erfolg“.



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4 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Kummerfeld!
    Der gestrige und auch heutige Bericht ist in meinen Augen schon sehr, sehr gewagt. Es handelt sich um URHEBERRECHT! Ein ganz elementares, strafrechtlich geschütztes Recht, wird seit entstehen der digitalen Medien mehr und mehr mit Füßen getreten. Jeder Teilnehmer an den Social Medien oder die zitierten Youtuber kopieren, verteilen, verändern wie es ihnen gerade gefällt und es kommt ihnen gar nicht in den Sinn von den betroffenen URHEBERN deren Erlaubnis einzuholen oder sie gar zu entschädigen. Wenn sie nur genügend Teilnehmer auf ihren Seiten haben verdienen sie durch diesen Diebstahl an geistigem Eigentum auch noch Geld. Jawohl es handelt sich dabei um Diebstahl, genauso wie wenn sie ihrem Nachbarn den Rasenmäher klauen! Mit der Mär bezüglich Einschränkung der Meinungsfreiheit wird nun dagegen gepoltert, um eine strafrechtlich relevante Handlung doch weiterhin ungetraft durchführen zu können.
    Endlich ein wichtiger Schritt diese grobe Rechtsverletzung einzudämmen!

  2. „wird seit entstehen der digitalen Medien mehr und mehr mit Füßen getreten.“
    Sehr geehter Herr Kritisch,
    leider nicht richtig.
    a) Unser Geschichtsprofessor, der selbst einige Bücher geschrieben hat, meinte, wenn jemand ein Buch schreibt, nimmt er 3 andere und schreibt 1 Neues. Man kann gar nicht etwas total neu erfinden. Jeder ist geboren in seiner Umgebung, nimmt alles auf und macht anderes draus. Schauen sie die Bücher von Goethe, Schiller usw. Sie haben alte Geschichten genommen (Faust) und neue draus gemacht.
    b) Die extreme Verkrampfung des Urheberrechts, das Gieren nach Geld und Tantiemen ist neu und wird immer schlimmer. Jeder Künstler hat ja Versicherungen zu bezahlen, die durch die Gema freundlicherweise übernommen werden. Diese darf im Gegenzug überall herumschnüffeln und nach Zitaten suchen und „aufdecken“. Das ist wie die staatl.Gier bei den TV-Gebühren. Da man nicht genug schnüffeln kann, wird einfach bei jeder Wohnung die Zahlung erzwungen. Von einer privaten Firma, die dazu gar nicht berechtigt ist. Aber wer die Macht hat, braucht für das Recht nicht zu sorgen. Ich schau seit vielen Jahren kein TV-Müll, hatt noch nie einen TV.
    c) Das es auch Raubkopien gibt, wie ja auch bei Produktplagiaten der Industrie, ist so neu nicht und wurde immer verfolgt. Dazu gibt es ausreichend Gesetze. Das (!) wird mit dem Neuen ja nicht bekämpft und verhindert.
    Das Problem sind die Nachrichten, Beiträge und Sendungen des freien Internets, die über diesen Umweg beschnitten werden sollen, falls sie nämlich irgendwo aus Versehen ein Logo oder sonstigen Mist enthalten. Die will man jagen. Denn seit wann hängt sich die EU für soziales ins Zeug.
    – Der Witz ist doch, Abstimmung über EU-Mitgliedschaft ist nur in ausgesuchten Fällen erlaubt. (Irland so oft, bis es paßt. England – oje, die Bösen, Dummen, Alten. Danach gleich die lächerliche 4 Mill-Petition mit 90% Fake-Stimmen)
    https://deutsch.rt.com/inland/39154-millionen-petition-gegen-brexit-von/
    – Sommerzeit wird abgestimmt, aber mit Riesentheater, keine Transparenz, später ein ausgesuchter Kommentar und Ergebnisse, die zum ideologisch gewünschten Ergebnis hingefakt werden.
    – Sobald ideologisch einer ausschert, Sanktionen. Dabei sind die wirtschaftlichen das Allerletzte, was die interessiert. Mastricht-Kriterien, sowas von egal.

    1. Hallo, sehr geschätzte Sabine!
      Ich finde es ja fast schon amüsant welchen Weg ihre Gedanken von meinem Befürworten einer Kontrolle des Urheberrechtsgesetzes hin zu EU-kritischen Stellungnahmen zu diversen Themen machen. Ich bin vielleicht einer der kritischten Menschen in Bezug auf EU-typischen Übertreibungen in sehr vielen Belangen und beileibe kein Anhänger der so sehr übertriebenen Bürokratie. Aber ich bin auch jemand der kritisch Auswüchse, z.Bsp. in den Sozialen Netzwerken anprangert, vorallem dann wenn, und hier wiederhole ich mich, elementare, strafrechtlich geschützte Rechte schlicht weg ignoriert werden. Ich bin mitunter auch mit urheberrechtlichen Verstößen im Bereich der Musik konfrontiert und darf ihnen aus meiner Erfahrung mitteilen, dass es hier nicht um Streifälle geht wo Textpassagen oder Zitate verwendet werden. Nein, es werden schlicht und ergreifend komplette Werke kopiert, über Youtube veröffentlicht, auf Facebook verteilt, verändert, etc. etc. Dies erfolgt meist über anonyme, offshore User und ist deren Verfolgung, soferne sie überhaupt dahinterkommen, praktisch unmöglich. Ich befürworte und nutze auch die sozialen Medien, jedoch sollten sie meiner Auffassung nach nicht der Nährboden für illegale Vorgänge sein.
      Darum geht es mir und diese eingeleitete Aktion der EU (eine der Wenigen) unterstütze ich auch.
      Vielleicht konnte ich ein wenig mehr Licht auf meinen Kommentar lenken.
      Lg
      Kritisch

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