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Soziale Marktwirtschaft – Jubiläum eines Zombies

 
 

Es grenzt schon an irrationale Verdrängung aufseiten des Autors des KfW-Beitrags, dass er nicht bemerkt, dass er den Ist-Zustand unseres real existierenden Wirtschaftsmodels beschreibt. Das oben kritisierte wird ja bereits seit Jahren praktiziert. So zum Beispiel in Form der bereits angekündigten Strategie der Europäischen Zentralbank, grüne Geldpolitik betreiben zu wollen. Auch das künstliche am Leben erhalten großer Teile des europäischen Bankensektors durch planwirtschaftliche Geldpolitik sowie nicht nachhaltige Staatshilfen mittels offenem Rechtsbruch (Verstoß gegen den ESM-Vertrag) sind Realität.

Etliche elementare Wirtschaftssektoren sind mittlerweile direkt oder indirekt von planwirtschaftlichen Eingriffen existenziell abhängig. Neben dem Bankensektor sind dies vor allem der extrem zinssensitive Immobilien- und Bausektor. Gleiches trifft auch auf die Finanzierung der öffentlichen Haushalte in Italien, Frankreich, Portugal, Spanien und Griechenland zu. Würde sich ein freier Marktzins ohne Zentralbanken bilden, wäre das Experiment Eurozone beendet und auch Deutschland aufgrund seiner Außenstände in Form von Target2-Salden in Höhe von 942,3 Mrd. Euro ohne Hilfe aus der Notenpresse der Bundesbank umgehend bankrott.

Doch spätestens bei dem folgenden vom Autor hervorgehobenen Erfolgsprinzip der Sozialen Marktwirtschaft hätten ihm klar werden müssen, dass wir definitiv nicht mehr in der von ihm gefeierten Wirtschaftsform leben: „Freie Preisbildung signalisiert Bedürfnisse und Knappheiten. Sie bewirkt, dass Unternehmen das produzieren, was Konsumenten begehren und dass Arbeitskräfte, Kapital und Rohstoffe dort eingesetzt werden, wo Bürger und Unternehmen am meisten dafür bezahlen.“ Der wichtigste Preis in einer Volkswirtschaft ist der Zins. Also genau der Preis, der künstlich und in planwirtschaftlicher Manier von den Notenbanken willkürlich an Hand von ebenso willkürlichen Inflationszielen und anderen planwirtschaftlichen Parametern (z. B. Vollbeschäftigung) festgesetzt wird.

Diese politische Preisbildung des Zinses führt zu massiven Kapitalfehlallokationen und verzerrten Marktpreisen, z. B. für Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Immobilien und Mieten. Besonders die zinsbedingt stark nach oben verzerrten Immobilienpreise beeinflussen mittlerweile das Leben von Millionen Menschen negativ, da die Leistbarkeit von Wohnraum in den letzten zehn Jahren deutlich abgenommen hat. Die Altersvorsorge, die in Deutschlands traditionell stark zinsabhängig ist, wird erschwert. Kapitalreichtum hingegen wird belohnt. Pensionskassen geraten in Schwierigkeiten. Kapitallebensversicherungen senken ihre Garantiezinsen und Überschussbeteiligungen permanent weiter ab. Der risikolose Zins ist tot, stattdessen ist der kaum vermögende Sparer mit zinslosem Risiko konfrontiert. Die soziale Schere weitet sich auch in Deutschland somit in Richtung Rentenalter immer weiter aus. Doch diese Tatsachen scheinen noch nicht bis in die volkswirtschaftliche Forschungsabteilung der Staatsbank KfW vorgedrungen zu sein.

Fazit und Ausblick

Wie ich in dem Artikel „Ausblick 2020: Willkommen in einer neuen Ära“ bereits schrieb, wäre der Kapitalismus und dessen Ausprägung einer sozialen Marktwirtschaft ohne geldpolitische Dauerinterventionen bereits Geschichte. Die Reformen, die in dem Papier der KfW ebenfalls angemahnt werden, gehen an der wesentlichen Ursache des Untergangs des Kapitalismus heutiger Prägung vorbei oder greifen deutlich zu kurz. Für Reformen im Sinne einer Wiederherstellung des Modells Soziale Marktwirtschaft ist es vermutlich ohnehin schon zu spät. Vieles spricht eher für eine Neuordnung durch eine Krise (globaler Schuldenschnitt). Alternativ ist auch eine unkontrollierte soziale oder technologische Revolution denkbar.

In welche Gesellschaftsform und in welche Wirtschaftsordnung das aktuelle Experiment des weltweiten Notenbanken-Interventionismus mündet, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Eines ist jedoch klar: Die Zeit der sozialen Marktwirtschaft ist längst vorbei, auch wenn an der Oberfläche des täglichen Wirtschaftens diese Illusion noch aufrechterhalten wird. Die Ironie der Geschichte ist die, dass das finanzielle Fundament des Wirtschaftsmodells Soziale Marktwirtschaft bereits durch und durch planwirtschaftlich organisiert ist.



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3 Kommentare

  1. Aber Herr Kummerfeld, warum so humorlos? Herr Bruns will das sicher als Satire verstanden haben – bevor ihm Böhmermann das Thema wegschnappt!

  2. Volltreffer. Chapeau für diesen Artikel.

  3. Schon erstaunlich, dass ein im Sozialismus geborener Wirtschaftsexperte einen solchen Artikel über das Ende der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland und den Einzug der Planwirtschaft schreibt. Der deutsche Staat gibt mittlerweile eine Billion Euro für Sozialausgaben aus, 1960 waren es 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 2020 sind es bereits über 30 Prozent. Gibt es bei uns nicht Waren im Überfluss, indem sich Discounter wie Lidl und Aldi und viele andere Großmärkte einen heftigen Preiskampf liefern? Hat Hannes Zipfel vergessen, was Planwirtschaft wirklich bedeutet? Auf einen Trabant zehn Jahre warten zu müssen und für Bananen in einer langen Schlange anzustehen oder 50 West-Mark wie einen Schatz zu hüten und ihn irgendwann im Intershop gegen Westwaren zu tauschen? Natürlich ist der Geldmarkt durch die Notenbanken verzerrt und die Immobilien sind überteuert. Aber ansonsten herrscht doch alles andere als ein Mangel wie in einer Zentralverwaltungswirtschaft. Schon vergessen?

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