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Steigende Zinsen wären schlecht für Arbeitnehmer – Aussagen vom DIW

EZB-Zentrale in Frankfurt

Wir bei FMW sind keine Wirtschaftsforscher, sondern können die folgenden Aussagen lediglich kommentieren. Deshalb möchte wir mit großen Augen voller Erstaunen lediglich als Frage in den Raum werfen, ob hier nicht die ökonomische Weltsicht des Professor Marcel Fratzscher durchdringt, des Chefs des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Denn Experten aus seinem Haus verkünden heute als Analyseergebnis aus Bilanzen von 2 Millionen Unternehmen in der Eurozone, dass sinkende Zinsen die Verteilung zugunsten der ArbeitnehmerInnen und zulasten der AnteilseignerInnen von Unternehmen beeinflussen – und umgekehrt. Ach so… die Nullzinsphase hat die Unternehmensgewinne und Dividenden nicht in die Höhe schnellen lassen?

Das DIW schreibt heute auch fleißig Argumente auf, warum steigende Zinsen für Arbeitnehmer ganz schlecht wären. Dass die seit Jahren herrschenden Nullzinsen für Millionen Arbeitnehmer, die auch Mieter sind, dramatische Mietsteigerungen bedeuten (Anleger drängen raus aus Anleihen, rein in Immobilien), wird überhaupt nicht erwähnt. Man könnte auch fast meinen das DIW tue alles um Argumente zu liefern, um die Nullzinsen, mit denen die Südländer traumhaft günstige neue Schulden aufnehmen können, als Dauerzustand zu rechtfertigen. Aber gut, man weiß es nicht. Lesen Sie selbst, was das DIW zu sagen hat.

Steigende Zinsen laut DIW ganz schlimm für die Arbeitnehmer

Ein Umverteilungseffekt der EZB-Geldpolitik auf die Lohnquote sei nun erstmals durch das DIW empirisch bestätigt worden. Insbesondere arbeitsintensive Unternehmen würden bei einer Leitzinserhöhung ihre Lohnkosten­ senken. Unternehmen mit viel Fremdkapitaleinsatz erhöhen dann ihre Wertschöpfung, was sich ebenfalls ungünstig auf die Lohnquote auswirke. Die Leitzinsveränderungen der EZB haben laut DIW nicht nur eine Wirkung auf die Preisstabilität, sondern einen deutlichen Umverteilungseffekt. Der DIW-Ökonom Jan Philipp Fritsche habe diesen Effekt erstmals empirisch untersucht. Dazu sollen ihm Bilanzdaten von mehr als zwei Millionen Firmen im Euroraum zur Verfügung gestanden haben.

Zinsänderungen der EZB haben demnach Einfluss sowohl auf die Lohn- und Gehaltszahlungen als auch auf die Wertschöpfung von Unternehmen. Sind beide Bereiche nicht gleichermaßen betroffen, habe die Geldpolitik eine Verteilungswirkung zwischen ArbeitnehmerInnen und AnteilseignerInnen von Unternehmen. Bei steigendem Leitzins geben die Banken weniger Kredite an Unternehmen aus. Für die Unternehmen werden dadurch einerseits Investitionen teurer, andererseits sinkt die Nachfrage. Um dies zu kompensieren, sparen die Unternehmen an Personalkosten, so das DIW.

Die empirischen Berechnungen würden zeigen, dass die Lohn- und Gehaltszahlungen in arbeitsintensiven Unternehmen bei Zinserhöhungen stärker sinken als in anderen Unternehmen. Dort, wo der Personaleinsatz also besonders hoch ist, gehe eine Zinserhöhung zulasten der Arbeitnehmerschaft. Bei Unternehmen mit einem hohen Fremdkapitaleinsatz, also tendenziell mit vielen Maschinen, steige bei einer Zinserhöhung die Wertschöpfung, was den Verteilungseffekt zulasten der ArbeitnehmerInnen vergrößere. Dies gelte umgekehrt natürlich auch bei Zinssenkungen, wie in der letzten Dekade. Sinkende Zinsen beeinflussen die Verteilung zugunsten der ArbeitnehmerInnen und zulasten der AnteilseignerInnen von Unternehmen. Also, so unsere Frage: Nullzins für immer, denn das ist gut für die Arbeitnehmer?

Heterogene Wirkung in den Euro-Ländern abfedern?

Da die Unternehmen in den Euro-Ländern in der Produktion Fremdkapital und Arbeit unterschiedlich stark einsetzen, kann die Geldpolitik laut DIW sehr asymmetrisch wirken. In Ländern wie Frankreich, die über einen hohen Anteil an arbeitsintensiven Unternehmen verfügen, würden Zinserhöhungen besonders umverteilend wirken. Da es aus makroökonomischer Sicht wünschenswert sei, wenn die Geldpolitik gleichmäßig wirkt, sollten die europäischen Arbeitsmarktinstitutionen besser harmonisiert werden, so die Forderung des DIW. Neue geldpolitische Instrumente mit einer speziellen Ausrichtung auf Unternehmen könnten Abhilfe schaffen. Europäische Arbeitsmärkte mit einem einheitlichen Arbeitsrecht und europäische Arbeitsmarkinstitutionen sowie die seit langem diskutierte Banken- und Kapitalmarktunion könnten laut DIW dazu beitragen.

FMW-Anmerkung: Dass Arbeitnehmer bei steigenden Zinsen gleichzeitig auch Bürger und Verbraucher sind, die höhere Sparzinsen erhalten, die günstigere Mieten zahlen (weil Immobilien aus Ausweich-Investition für Käufer weniger attraktiv sind) etc, solche Aspekte erwähnt das DIW nicht. Außerdem: Zinsen nur auf ihre Auswirkungen für Arbeitnehmer zu betrachten, macht doch wohl wenig Sinn. Man muss auch Faktoren wie die Inflation, kaputte Altersvorsorgesysteme uvm mit in Zinsüberlegungen einbeziehen! Aber zur Ehrenrettung muss man auch sagen, dass das DIW sich in seinem Papier nur auf die Auswirkungen von veränderten Zinsen beschränkt bei Unternehmen und den Gehältern für Arbeitnehmer.

DIW-Grafik über Auswirkungen von steigenden Zinsen



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