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Steinhoff-Aktie laut Wirtschaftsprüfern 7 x mehr wert als an der Börse – warum die Zocker nicht zugreifen

Die Skandalfirma schlechtin Steinhoff International hat nun ihre Halbjahresergebnisse mit massiver Hilfe von Wirtschaftsprüfern veröffentlicht für den Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2018. Endlich bekommt man mal handfeste Zahlen auf den Tisch, möchte man meinen. Nachdem Steinhoff selbst mit einer Abschreibung von 6 Milliarden Euro rechnete, haben die Wirtschaftsprüfer von PwC eine nachträglich zu berücksichtigende Zahl von 10,9 Milliarden Euro errechnet (Geschäftsjahr 2016/2017) Der reale Verlust in den letzten 6 Monaten liegt bei 599 Millionen Euro. Aber das spielt gar keine so große Rolle. Wichtiger ist das fehlende Vertrauen von Lieferanten, Kunden und Gläubigern. Die Steinhoff-Aktie notierte Freitag früh noch bei 0,077 Euro, heute bei 0,085 Euro.

Es geht aktuell also um Bruchteile von Cent-Stücken, um die man sich derzeit vorarbeiten muss. Warum ist die Steinhoff-Aktie heute früh nicht explodiert? Denn laut Wirtschaftsprüfer liegt der Buchwert von Steinhoff bei 0,58 Euro. Unter dem Buchwert versteht man vereinfacht gesagt den realen Vermögenswert der Firma, zusammengestellt aus Cash, Geldanlagen, Maschinen, Immobilien etc. 58 Cents realer Wert vs 8 Cents an der Börse. Warum greifen die Zocker hier nicht einfach zu?

Es kann nur einen logischen Grund geben. Das Misstrauen in Steinhoff ist inzwischen so groß, dass man selbst diesen aktuell von den Wirtschaftsprüfern verkündeten Buchwert bezweifelt. Es kommt immer wieder mal vor (aktuell auch bei der Deutschen Bank), dass Aktienkurse unter dem Buchwert pro Aktie fallen. Das liegt dann in der Regel am lang anhaltenden Negativtrend einer Firma, und an ständig neuen schlechten Nachrichten. Dann nehmen die Zweifel auch zu, ob beispielsweise Bewertungen von Immobilien oder Maschinen korrekt sind, die in den Buchwert einfließen.

Außerdem könnten Immobilienwerte drastisch und zügig an Wert verlieren, wenn die Firma dicht gemacht wird. In einer Zwangsverwertung können Immobilien auf einer Auktion oft kaum einen fairen Marktwert erzielen. Auch andere Vermögenswerte würden bei einer Pleite deutlich unter Wert verramscht. Bei Steinhoff kommt ein tief sitzendes Misstrauen in das ganze Geschäftsgebaren hinzu.

Überbewertete Immobilien, überbewertete Markenrechte, überbewerte Gewinne von Tochterfirmen usw. All das wurde mit den aktuell verkündeten Zahl einmal mehr bestätigt. Hinzu kommt, dass Kunden beispielsweise bestellte Küchen oder Wohnzimmereinrichtungen nicht im Voraus bezahlen, weil sei Angst haben, dass die Lieferung ausbleibt. Auch ist es nachvollziehbar, dass Lieferanten bei Steinhoff auf Sofortzahlung bestehen. All das schwächt das Standing der Aktie. Die Idee hinter der Zocker-Zurückhaltung ist, dass der nun verkündete Buchwert extrem schnell abschmelzen kann.

Aber dass die Steinhoff-Aktie nur so minimal im Bruchteil des Cent-Bereichs angezogen ist seit Freitag, ist doch schon erstaunlich. Dem 7fachen Buchwert der Firma steht diese immens hohe Abschreibung gegenüber. Parallel zu den 6 Monats-Zahlen hat Steinhoff bekanntgegeben, dass man mit seinen Gläubigern eine Stillhaltevereinbarung auf den allerletzten Drücker bis zum 20. Juli verlängert hat. Bis dahin will man sich mit den Gläubigern auf einen Restrukturierungsplan einigen. Dabei geht es hauptsächlich um eine Neustrukturierung von Krediten in Höhe von 9,4 Milliarden Euro.

Derzeit hält sich die Firma über Wasser, in dem sie nach und nach Tafelsilber verhökert. Bei dieser wackligen Gesamtlage darf man in der Tat zweifeln, ob ein fairer Buchwert der Firma wirklich bei 0,58 Euro liegt, wenn Immobilienwerte vielleicht bald viel tiefer angesetzt werden müssen? Man weiß ja nie. Der Chart der Steinhoff-Aktie hat sich in den letzten Monaten immer weiter abgeflacht Richtung Tod. Immer weniger Kursausschläge, und ein ganz langsamer Weg Richtung Null-Linie. Das ist kein gutes Zeichen. Der nächste Termin in diesem Drama lautet also 20 Juli.

Der Verlauf der Steinhoff-Aktie seit Anfang März
Der Verlauf der Steinhoff-Aktie seit Anfang März.



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