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Planungen für Zeitraum 2025 bis 2031 Bund: Stromversorgung gesichert – Branchenverband ist weniger optimistisch

Beim großen Umbau bis 2030 soll die Versorgung mit Strom gesichert sein, so der Bund. Der Energieverband BDEW hat dazu kritische Anmerkungen.

Strommasten

Jubel ist angebracht? Wir brauchen uns erstmal keine Sorgen über die Versorgungssicherheit beim Thema Strom machen? Die sichere Versorgung mit Strom bis Ende des Jahrzehnts ist gewährleistet, so besagt es die Headline der heutigen Verkündung aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Es geht dabei um die Planungen der Bundesregierung für den Zeitraum 2025 bis 2031 – die Versorgung mit Strom sei auf weiterhin hohem Niveau gewährleistet – dies zeige der Bericht zum „Monitoring der Versorgungssicherheit Elektrizität“, den die Bundesnetzagentur der Bundesregierung vorgelegt hat, und den das Bundeskabinett heute verabschiedet hat.

Stromversorgung sicher, auch bei Kohleausstieg 2030

Die Bundesnetzagentur betrachtet in dem Bericht „die Entwicklung des Strommarktes mit dem gesetzlich geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien, dem Umbau des Kraftwerksparks und dem Netzausbau“. Die Versorgung mit Strom sei dabei auch bei einem Kohleausstieg 2030 sicher. Zum Bericht legt die Bundesregierung gemeinsame Handlungsempfehlungen vor, die sie aus den Ergebnissen ableitet. Der Bericht wird in einem nächsten Schritt dem Bundestag zugeleitet.

Bundeswirtschaftsminister Habeck wird in der offiziellen Mitteilung so zitiert: „Es ist zentral, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen jederzeit sicher mit Strom versorgt werden. Diese Stromversorgungssicherheit werden wir auch beim Umbau unseres Stromsystems auf 100 Prozent erneuerbaren Strom gewährleisten. Daher monitort die Bundesnetzagentur die einzelnen Schritte und Etappen sehr genau. Der heute im Kabinett verabschiedete Bericht der Bundesnetzagentur zeigt, dass die Stromnachfrage im Zeitraum von 2025 bis 2031 jederzeit sicher gedeckt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Stromverbrauch durch neue Verbraucher wie Elektromobile und Wärmepumpen deutlich steigt und der Kohleausstieg bis 2030 erfolgt. Wir sehen: Wir sind auf dem richtigen Weg. Jetzt sind Disziplin und Konsequenz gefragt. Wir treiben den Umbau unserer Energieversorgung weiter entschlossen voran. Das gilt für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, für den Netzausbau ebenso wie die Modernisierung des Kraftwerksparks. Dazu legen wir im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Kraftwerksstrategie auf, damit die Kraftwerke gebaut werden, die für ein klimaneutrales Stromsystem gebraucht werden. Neue Kraftwerke müssen wasserstoff-ready sein und so von Anfang an geplant werden. Entsprechend werden wir den Rahmen setzen.“

Energieverband sieht das recht kritisch

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht das nicht ganz so optimistisch wie die Politik. Der BDEW hat sich heute zu diesen Aussagen des Bundeswirtschaftsministeriums geäußert. Man beginnt sein Statement zwar mit dem wohlwollenden Satz, dass man die Transformation des Energiesystems, wie sie im Zielszenario des Berichts formuliert wird, unterstützt. Man erläutert dann aber, dass quasi alles perfekt passen müsse, alles müsse im Eiltempo vorangehen, damit der Plan der Bundesregierung aufgeht. Die Detailaussagen des BDEW haben es teilweise in sich. Wir zitieren sie hier auszugsweise (wichtigster Teil in fett markiert):

Es muss aber deutlich darauf hingewiesen werden: Deutschland muss einen Spurt in nie gekannter Geschwindigkeit hinlegen, wenn diese Transformation zum klimaneutralen Stromsystem bis 2035 bei gleichzeitigem Kohleausstieg bis 2030 tatsächlich erreicht werden soll. Die politischen Zielsetzungen sind enorm herausfordernd und bisher nur teilweise mit Maßnahmen unterlegt. Sie sind nur erreichbar, wenn sämtliche Annahmen und Prämissen des Berichts zeitgerecht und vollumfänglich erfüllt werden.

Das betrifft die Ausbauziele für Erneuerbaren Energien, den Zubau von wasserstofffähigen Kraftwerken, den Netzausbau sowie eine Vielzahl von weiteren Entwicklungen bis 2030. Erforderlich ist beispielsweise eine Verdreifachung der Ausbaugeschwindigkeit im Bereich regenerativer Energien. Gleichzeitig müssen die im Bericht aufgeführten Flexibilitätspotenziale, die beispielsweise über E-Autos, Elektrolyseure oder solare Heimspeicher aktiviert werden sollen, tatsächlich abrufbar und in der Lage sein, einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten.

Ohne substanziell verbesserte Rahmenbedingungen ist das bis 2030 kaum zu schaffen. Hinzu kommt: Das wirtschaftliche Umfeld ist insbesondere für Energieversorgungsunternehmen derzeit enorm schwierig, zugleich wird das Zeitfenster bis zu den Zieljahren 2030/2031 immer kleiner. Das Versorgungssicherheitsmonitoring stellt damit keinen „Stresstest“ bzw. eine robuste Überprüfung der Versorgungssicherheitssituation im Jahr 2030 dar, sondern zeigt, dass bei Erfüllung aller Prämissen die Versorgungssicherheit gewährleistet ist.

Allerdings ist nach unserer Einschätzung der erforderliche beträchtliche Zubau neuer steuerbarer Erzeugungskapazitäten, also wasserstofffähige Gaskraftwerke und Biomasse-Anlagen, aktuell nicht realistisch. Unter den aktuellen Marktbedingungen fehlen die Investitionen in solche Erzeugungskapazitäten. Der Energy-Only-Market setzt nicht die notwendigen Investitionsanreize. Unerlässlich ist deshalb, dass die Bundesregierung im Rahmen der Plattform klimaneutrales Stromsystem noch in diesem Jahr konkrete und wirksame Ergebnisse erzielt.

Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass die Stromnetze im Bericht zu Stand und Entwicklung der Versorgungssicherheit Berücksichtigung finden. Es ist weiterhin positiv zu bewerten, dass sowohl Übertragungs- als auch Verteilnetze angesprochen sind.

Gleichwohl trifft der Bericht auch hier sehr optimistische Annahmen über den notwendigen Netzausbau, indem angenommen wird, dass die Ziele des Netzentwicklungsplans Strom erreicht werden. In diesem Zusammenhang nennt der Bericht die beschleunigte Genehmigungspraxis als Erfolgsfaktor. Es gibt jedoch weitere wichtige Faktoren, insbesondere ist der regulatorische Rahmen wesentlich für das Erreichen der Ziele.

Unklar bleibt auch, wie genau die im Bericht genannten Flexibilitätspotenziale erreicht und genutzt werden sollen. Immerhin geht es hier um Flexibilitäten in Höhe von mindestens 41,2 Gigawatt (GW) zuzüglich der Steuerbarkeit von E-Autos und Wärmepumpen. Auch hier unterstellt der Bericht, dass die Zielzahlen – also 15,7 Millionen E-Fahrzeuge und 5,8 Millionen Wärmpumpen bis 2030 – erreicht werden und diese überwiegend steuerbar sind.

Versorgungssicherheit heißt, kurzfristig Ersatz für russisches Gas zu beschaffen, aber langfristig einen Investitionsrahmen für eine stabile Deckung der Residuallast zu setzen, der Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit gibt. Und Bezahlbarkeit adressiert, dass Deutschland immer auch die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie wie auch die soziale Frage im Blick haben muss. Die 2020er Jahre werden damit zum herausforderndsten Jahrzehnt der Energiewende.“

Deutschland wird vom Nettoexporteur zum Importeur von Strom?

Deutschland könnte innerhalb weniger Jahre zum Nettoimporteur von Strom werden, da man Atom- und Kohlekraftwerke auslaufen lässt, so sagt es die Bundesnetzagentur heute ebenfalls in ihrem Papier. Deutschland war in den letzten Jahren Nettoexporteur von Strom. Doch mit der Abkehr von schmutzigeren Erzeugungsformen zur Erreichung der Klimaziele wird die Abhängigkeit von Lieferungen aus anderen Ländern steigen, um Stromausfälle zu vermeiden, so zitiert Bloomberg aus dem Papier.

„Der Bedarf an Importen wird im Laufe der Jahre steigen“, so die Bundesnetzagentur in dem Bericht für den Zeitraum 2025-2031. Investitionen in erneuerbare Energien in ganz Europa seien ebenso notwendig wie in konventionelle Kraftwerke, so der Bericht. Deutschlands Nettoexporte von Strom beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 26 Terawattstunden, verglichen mit 17 und 19 Terawattstunden in den beiden Vorjahren. Obwohl Deutschland aufgrund des Krieges in der Ukraine versucht, die russischen Gaslieferungen zu ersetzen, erreichten die deutschen Stromexporte nach Frankreich aufgrund der dortigen Atomausfälle ein 30-Jahres-Hoch.

Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen werden jedoch der Schlüssel dazu sein, dass Deutschland seine Kohlenstoffemissionen bis 2030 um 65 % gegenüber 1990 senken kann. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung ihre Prognose für den künftigen Stromverbrauch angehoben. Steigende Kohlenstoffkosten werden dazu beitragen, einige Kraftwerke aus dem Markt zu drängen. Deutsche Kohlekraftwerke könnten bereits 2030 stillgelegt werden – früher als das bisherige Ziel für 2038. Und die letzten drei Kernkraftwerke sollen bis spätestens Mitte April abgeschaltet werden, so der Bericht.

Um die Lücke zu schließen, muss Deutschland die Geschwindigkeit des Ausbaus der erneuerbaren Energien in diesem Jahrzehnt verdreifachen und gleichzeitig in neue gasbetriebene Anlagen investieren. Und um die grenzüberschreitenden Stromflüsse zu unterstützen, will die Europäische Union in den kommenden Jahren mehr Verbindungskapazitäten zur Verfügung stellen.

FMW/Bloomberg/Bundeswirtschaftsministerium



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