China gegen die USA, KI statt Kalter Krieg – und mittendrin: Donald Trump. Während der US-Präsident mit Technologie-Embargos geopolitischen Druck auf Peking auszuüben versucht, kontert China mit einer Machtdemonstration aus eigener Innovationskraft. Der Wettlauf um künstliche Intelligenz und technologische Vorherrschaft hat längst globale Dimensionen erreicht und zieht tiefgreifende Folgen für Wirtschaft, Sicherheit und internationale Allianzen nach sich. Wer glaubt, China könne ohne High-End-Chips aus den USA keine Spitzen-KI entwickeln, wird derzeit eines Besseren belehrt.
Chinas Antwort auf Trumps Sanktionen
Während Donald Trump mit Exportverboten auf US-Technologie pokert, um sich die Lieferung seltener Erden aus Peking zu sichern, demonstriert China, dass es auch ohne die fortschrittlichsten Halbleiter aus Amerika auskommt, so ein Bericht von Bloomberg.
Auf einer von der Regierung organisierten Pressereise durch die wohlhabenden Provinzen Jiangsu und Zhejiang – Heimat des KI-Startups DeepSeek – ließ Peking Dutzende Tech-Manager vor westliche Journalisten treten. Die Botschaft war klar: Chinas Technologiebranche will trotz US-Sanktionen an die Weltspitze.
Ein Beispiel ist Magiclab Robotics aus Suzhou. Das erst ein Jahr alte Unternehmen stellt menschenähnliche Roboter für industrielle Anwendungen her. Präsident Wu Changzheng erklärte, über 90% der Komponenten seien in eigener Regie entwickelt. Die übrigen – darunter Chips und Mikrocontroller – stammten aus dem In- und Ausland, jedoch nicht aus den USA. Trumps jüngstes Verbot von Designsoftware für Halbleiter kommentierte Wu gelassen: “Unsere Roboter brauchen nur Standardchips.” In der Branche gebe es kaum noch Schwachstellen.
Fünf Tage lang betonten Unternehmer entlang der Route durch die Tech-Metropolen Chinas die gleiche Leitlinie: Autarkie. Ob Biopharma, humanoide Robotik, KI oder Elektromobilität – alle Branchen stehen im Zentrum von Xi Jinpings Vision einer industriellen Renaissance. Die Wirtschaft versammelt sich hinter der Staatsführung – als Reaktion auf die Strafzölle und Sanktionen von Donald Trump.
China stärkt das Vertrauen in die Wirtschaft
Zugang zu so vielen hochrangigen Firmenvertretern ist für ausländische Journalisten in China selten – zu restriktiv ist die Medienpolitik, zu groß die Angst vor Repressionen. Die Reise unterstrich Pekings Bemühen, Vertrauen internationaler Investoren in die Wirtschaft zu stärken – trotz Immobilienkrise, Deflation und historisch hoher US-Zölle. Der überraschende KI-Erfolg von DeepSeek Anfang des Jahres zeigt: Auch mit begrenztem Chip-Zugang kann China innovativ sein.
Nichtsdestotrotz: Der Zugang zu Nvidias High-End-Halbleitern bleibt gesperrt – ein struktureller Rückstand bleibt bestehen.
Vorgestellt wurden vor allem Firmen wie AISpeech, die keine Spitzenchips benötigen. Das Unternehmen entwickelt KI-gesteuerte Audio- und Video-Anwendungen für Autos. Wo es um autonomes Fahren oder “Artificial General Intelligence” geht – also Systeme mit menschenähnlicher Intelligenz – bleibt der Zugang zu den besten Chips indessen essenziell.
Acht Firmenchefs sprachen während der Reise mit westlichen Medien. Dabei mieden sie heikle Themen wie Subventionen und betonten stattdessen den nationalen Vorsprung: qualifizierte Talente, abgeschottete Lieferketten, strategischer Pragmatismus. Regierungsvertreter hörten aufmerksam zu.
Yu Kai, Mitgründer und Chief Scientist Officer von AISpeech, schilderte die Entwicklung seines Unternehmens: von einem Zehn-Personen-Team in Cambridge zu 700 Mitarbeitern in Forschungszentren in Peking und Suzhou. Eine Tochterfirma in Shenzhen sichert die Nähe zur Smart-Tech-Fertigung, ein weiterer Standort in Südchina entwickelt Software für lokal produzierte Fahrzeuge.
US-Beschränkungen als Motivation
Im Gegenzug zu Trumps Chip-Blockade hat Xi Jinping die Ausfuhr seltener Erden – etwa für Windkraftanlagen und Flugzeuge – eingeschränkt. Vergangene Woche haben die USA und China ein Abkommen unterzeichnet, das in Genf ausgehandelte Handelsregeln festschreibt – inklusive einer chinesischen Zusage zur Lieferung dieser Rohstoffe.
In Nanjing, dem Ausgangspunkt der Reise, veröffentlichen Forscher dreimal so viele wissenschaftliche Publikationen wie ihre Kollegen in New York. Mit Hochgeschwindigkeitszügen fuhren die Journalisten weiter nach Suzhou und Zhejiang – Schwerpunktthema: grüne Technologien.
Zwar fehlt China der Zugang zu modernsten Chipmaschinen und Nvidias fortschrittlichste KI-Technik. Huawei-Gründer Ren Zhengfei jedoch propagiert “Chip-Stacking” als technischen Ausweg – das Bündeln mehrerer Chips zur Leistungssteigerung. Derweil werden westliche KI-Dienste weitgehend blockiert. Das schützt chinesische Anbieter vor direkter Konkurrenz aus den USA.
“China muss nach Jahren der Beschränkungen Selbstbewusstsein zeigen und Schaufenster bieten”, sagt Julian Müller-Kaler vom Stimson Center in Washington. Hochleistungschips für KI-Rechenzentren könne man durch schwächere Modelle ersetzen – bei höherem Energieverbrauch. “Peking hat die US-Beschränkungen nie wirklich bekämpft – sie helfen sogar dabei, unabhängiger zu werden. Das war lange Ziel der Politik.”
Doch der Preis ist hoch. Einige Unternehmer sprachen offen über die Folgen von Trumps “America First”-Politik. Ausländisches Kapital zieht sich zurück, Investitionen versiegen. Zhang Jinhua, Chef von IASO Biotechnology, sagte: “Die Auswirkungen auf die Finanzierung sind erheblich. Ich sage meinem Team: Fragt nicht mehr, wann der Winter endet. Behandelt ihn als die vier Jahreszeiten – und passt euch an.”
FMW/Bloomberg
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Bei Design-Software wird die Verschlüsselung umgangen und KI-Chips kauft man nicht in der USA, sondern in Singapur. Gibt genug Berichte dazu.
Der MDax-Konzern Deutsche Lufthansa AG kooperiert mit KI-Start-Ups, die Flugbuchungen vorhersagen können. Der heutige Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung Martin Schulz sprach sich im Bundestagswahlkampf 2017 für die Kultur der zweiten Chance für KI-Start-ups aus. Dieses könnte man auch im Rahmen der gemeinsamen europäischen Wirtschaftspolitik beschließen. Die EU gehört wie die USA und China zur G20. Desweiteren ein Thema für die Star Alliance-Partner Lufthansa, United Airlines und Air China.