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Thyssenkrupp: Dank Staatsraison Staats-Milliarden wie bei der Lufthansa?

Spült die Staatsraison Thyssenkrupp bald Milliarden in die Kassen? Mit der Staatsraison ist das so eine Sache. Denn es gibt nun mal keinen „Free Lunch“, wie die Amerikaner es sagen. Irgendwer zahlt am Ende immer die Rechnung. Es gibt zum Beispiel eine unausgesprochene Staatsraison in Deutschland in Sachen Finanzindustrie. Die Politik tut alles, damit die Bürger nicht das Vertrauen in die Banken verlieren, und weiterhin brav ihre Gelder den Banken anvertrauen. Bloß kein Bank Run, bloß kein Gedanke an kaputte Bankbilanzen. So wurde damals auch die Commerzbank wohl nett und freundlich darum gebeten sich die Dresdner Bank einzuverleiben. Man kann es endlos fortsetzen über Hypo Real Estate, HSH Nordbank usw. Es wird gerettet um das Finanzsystem nicht ins Wanken zu bringen, die Rechnung zahlt der Steuerzahler (kein Free Lunch).

Auch gibt es in der Coronakrise eine Art unausgesprochene Staatsraison, wenn es um bedeutende Industrieunternehmen geht. Ich habe meine Wette mit mir selbst gewonnen, als ich fest davon ausging, dass die Bundesregierung mit ihrem im März nach Ausbruch der Coronakrise gegründeten Staatsfonds Milliardenbeträge ins Eigenkapital der Lufthansa pumpen würde. Denn es war klar – Deutschland sollte auch nach der Coronakrise eine „eigene“ weltweit bedeutende Fluggesellschaft haben. Ähnlich sieht es ja bei der Alitalia aus, wenn auch dramatisch schlimmer. Seit Jahren hat der italienische Steuerzahler die schlimmste aller Zombie-Airlines mit immer neuen Rettungssummen am Leben gehalten – bis die Airline in der Coronakrise dann immer weiter den Bach runterging. Jetzt wurde die Airline unter staatlicher Leitung einfach neu gegründet (mehr dazu hier).

Thyssenkrupp genau so systemrelevant wie Banken und die Lufthansa?

Aber zurück nach Deutschland. Das Argument ist nachvollziehbar. Deutschland soll eine eigene Airline haben, also wurde bei der Lufthansa mit 9 Milliarden Euro gerettet was das Zeug hielt. Tja, und genau so kann man auch in Sachen Industrieproduktion sagen: Deutschland braucht eine eigene Stahlproduktion, auch nach der Coronakrise. Das ist industriepolitisch absolut nachvollziehbar. Man sah ja zum Beispiel, wohin eine Abhängigkeit zum Ausland führt, wenn Medikamente oder so einfache Dinge wie Masken in Europa überhaupt nicht produziert werden.

ThyssenKrupp als die deutsche Stahlikone geht seit Jahren den Bach runter. Zwar wird dies auch am Management liegen, aber genau so an dem dramatischen Stahl-Überangebot am Weltmarkt. Trotz EU-Strafzöllen auf zu viel importierte Stahlmengen drängt Stahl vor allem aus China zu Dumpingpreisen (unter dem Herstellungspreis) auf den europäischen Markt. Die Stahlindustrie in Großbritannien hat diese Flut auch schon fast komplett erledigt, und Deutschland steht vor einem ähnlichen Desaster. Jüngst erst musste ThyssenKrupp für 17 Milliarden Euro seine Aufzugssparte verkaufen, um Cash reinzubekommen. Aber das reicht für die Komplettsanierung des Konzerns vermutlich nicht aus.

Der mörderische Wettbewerb bei der Stahlproduktion geht weiter. Und nun steht Thyssenkrupp (als gäbe es sonst keine Sorgen) noch vor der „grünen“ Revolution, der womöglich notwendigen Umstellung auf eine „klimaneutrale Stahlproduktion“ (Thema Wasserstoff). Das wird nicht billig. Also darf man vermuten, dass ThyssenKrupp die Chance ergreift, und ebenfalls ein Fall für den deutschen Staatsfonds wird, den de facto alleine die Steuerzahler bezahlen?

So hört man nämlich heute laut Berichten, dass die ThyssenKrupp-Chefin Martina Merz eine Staatsbeteiligung an der schwächelnden Stahlsparte für eine Möglichkeit halte. Eine Staatsbeteiligung sei eine Option, so ihre Worte. Man kann vermuten, dass ThyssenKrupp sich all zu gerne ein paar Milliarden Euro vom Staatsfonds ins Eigenkapital holen würde? Verkaufen könnte man dies ja unter dem Label „damit wir endlich klimaneutral Stahl produzieren können“. Damit hätte man die Grünen sicher schnell an Bord – die sind nicht mehr weit weg von Posten in Berlin, wenn man nächstes Jahr zusammen mit der CDU/CSU regieren sollte. Aber auch ganz ohne die Grünen dürften CDU und SPD womöglich nicht riskieren wollen, dass ThyssenKrupp sein Stahlgeschäft nach Indien verkauft.

Aktienkurs-Verlauf zeigt jahrelangen Niedergang

Die Aktie von ThyssenKrupp zeigt den Niedergang des Unternehmens. Hier sehen wir den Kursverlauf seit dem Jahr 2002. Im Jahr 2008 kurz vor dem großen Absturz in der Finanzkrise notierte die Aktie noch bei fast 47 Euro. Sie fiel dann bis auf 12 Euro in den Keller. Wäre die Aktie von ThyssenKrupp seit 2008 so gelaufen wie der Dax, würde sie heute vielleicht bei über 60 Euro notieren. Aber nein. Sie notiert jetzt unter 5 Euro. Hätte man im Crash 2008/2009 im Tief bei 12 Euro verkauft, wäre das Stand jetzt sogar noch ein guter Verkaufspreis gewesen. Wie bei anderen Aktien auch zeigt dies: Nach kräftigen Abstürzen in einer Aktie ist das Motto „günstig kaufen“ oft falsch. Wichtig ist, ob das Geschäftsmodell Zukunft hat, und ob das Management etwas taugt.

Kursverlauf der ThyssenKrupp-Aktie seit dem Jahr 2002

Die ThyssenKrupp-Zentrale in Essen
Die Zentrale von ThyssenKrupp in Essen. Foto: CC BY-SA 4.0



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