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Traum geplatzt: China schickt Autos, keine Produktion nach Russland

China ist für Russland der große Ersatz-Lieferant für westliche Produkte geworden. Aber produzieren tun die Chinesen weiterhin zuhause.

Kreml in Moskau
Foto: Yulenochekk-Freepik.com

China liefert Fahrzeuge nach Russland, hält sich beim Fabrikbau aber zurück. Moskaus Hoffnung auf lokale Produktion zerbricht an Pekings Zurückhaltung. Chinesische Automobilhersteller haben den russischen Markt im Sturm erobert, scheuen jedoch den Aufbau eigener Produktionsstätten. Nach dem Rückzug westlicher Konzerne wie Renault und Volkswagen im Jahr 2022 füllten Marken wie Chery, Haval und Geely die Lücke mit Exporten und einfacher Montage. Russland fordert nun lokale Fertigung, während China seine Technologie und Arbeitsplätze im eigenen Land behält. Was als pragmatische Partnerschaft begann, entwickelt sich zu einer „Frenemy“-Beziehung, in der geopolitische Interessen und wirtschaftliche Ziele aneinandergeraten.

Chinesische Marken dominieren Russlands Straßen

Nach dem Ausstieg westlicher Hersteller im Jahr 2022 sprangen chinesische Marken ein. Im Jahr 2023 stiegen die Exporte chinesischer Fahrzeuge nach Russland auf 735.000 Einheiten zwischen Januar und Oktober, was 19 Prozent der gesamten PKW-Exporte Chinas ausmachte. Chinesische Marken beherrschten 2023 etwa 61 Prozent des russischen Marktes, ein Anstieg von 9 Prozent im Jahr 2021. Mittlerweile stammen neun der zehn meistverkauften Modelle aus China.

Russische Firmen wie das staatliche Institut NAMI übernahmen verlassene Fabriken westlicher Hersteller, oft nur für einen symbolischen Rubel. Chinesische Marken nutzen diese Anlagen, um teilweise zerlegte Autos (Semi-Knocked-Down-Kits, SKDs) oder vollständig zerlegte Autos (CKDs) zu montieren, eine Methode, die kaum lokale Wertschöpfung schafft. Great Wall Motors betreibt seit 2019 eine eigene Fabrik in Russland, in der jedoch nur SKDs gefertigt werden, und Geely produziert über ein Joint Venture im benachbarten Belarus. Die meisten Hersteller setzen auf Exporte, um flexibel zu bleiben und Risiken zu minimieren. Dieser Ansatz war zunächst erfolgreich, doch Russland ändert die Regeln.

Russland fordert Lokalisierung von China

Anfangs begrüßte Russland die chinesischen Autos, weil sie Verbraucher versorgten und die heimische Industrie entlasteten, die sich auf Militärgüter für den Ukraine-Krieg konzentriert. Moskau hat jedoch genug davon, als Abstellplatz für Chinas überschüssige Verbrennerfahrzeuge zu dienen, die die heimischen Marken verdrängen. Im Mai letzten Jahres forderte Präsident Wladimir Putin mehr Zusammenarbeit bei der Autoproduktion. Avtovaz-Chef Maxim Sokolov nannte chinesische Importe sogar eine Bedrohung für die russische Industrie.

Um China unter Druck zu setzen, schraubte das Handels- und Industrieministerium im Juli des vergangenen Jahres die Recyclinggebühren in die Höhe, eine Maßnahme, die als versteckter Zoll wirkt. Seit Oktober stiegen die Gebühren um 70 bis 85 Prozent, je nach Motorgröße, mit weiteren Erhöhungen von 10 bis 20 Prozent jährlich bis 2030. Für ein Auto mit 1 bis 2 Litern Hubraum fallen seit Januar 2025 über 7.000 US-Dollar (6.580 Euro) zusätzliche Kosten an, bei größeren Fahrzeugen bis zu 20.000 US-Dollar (18.800 Euro). Für Cherys Tiggo 7 Pro, der für 27.780 US-Dollar (26.113 Euro) verkauft wird, macht die Gebühr über ein Viertel des Preises aus, teurer als EU-Zölle auf chinesische Elektroautos.
Eine SKD-Montage bringt keine Erleichterung, da Rückerstattungen ausgeschlossen sind. Russland macht damit deutlich, dass Exporte nicht ausreichen und China in Russland produzieren soll.

Keine Risiken in Russland eingehen

China wiederum ist vorsichtig, wenn es um die Verlagerung der Produktion geht. Peking drängt die Hersteller, Technologie und Mehrwert im Land zu halten, um die Produktionskapazitäten für Verbrennerfahrzeuge zu nutzen.

Im Zuge der Mobilitätswende in China sinkt die Nachfrage nach Benzinfahrzeugen, doch die Regierung will verhindern, dass Arbeiter in diesen Fabriken ihren Job verlieren. Gleichzeitig erschweren westliche Sanktionen Investitionen in Russland. Der staatliche Hersteller FAW brach 2023 eine Kooperation mit Avtovaz ab, nachdem US-Sanktionen gegen die russische Firma verhängt wurden.

Russlands undurchsichtige Bürokratie und politische Interessen machen Investitionen zusätzlich riskant. Westliche Sanktionen gegen das russische Bankensystem erschweren zudem die Rückführung von Gewinnen für chinesische Hersteller. Große russische Banken wie Sberbank sind vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen, und Transaktionen über alternative Kanäle sind teuer und erfordern oft Zwischenhändler in Drittländern. Der fallende Rubel schmälert die Gewinne, da Einnahmen in Renminbi weniger wert sind. Hohe Inflation und ein Leitzins von 21 Prozent in Russland dämpfen die Nachfrage nach Autos, da Kredite für Verbraucher teurer werden.

Russland-spezifische Probleme verschärfen die Lage. Die mangelnde Qualität russischer Arbeitskräfte und ein fehlendes Netz an heimischen Zulieferern, die in gewünschter Menge und akzeptablem Standard Komponenten liefern können, behindern den Aufbau einer effizienten Produktion. Diese Faktoren machen Russland für chinesische Hersteller zu einem riskanten Standort, trotz Moskaus Druck auf Lokalisierung.

Chinesische Projekte scheitern in Russland

Das bisherige Ergebnis russisch-chinesischer Zusammenarbeit ist ernüchternd. Die Wiedereröffnung des ehemaligen Renault-Werks in Moskau verlief nicht wie geplant. Russische Behörden organisierten die CKD-Montage von JAC-Fahrzeugen unter der wiederbelebten sowjetischen Marke Moskvitch, aber im ersten Betriebsjahr wurden nur 31.000 Fahrzeuge montiert, weit unter dem Produktionsziel von 50.000 Fahrzeugen. Moskvitch erlitt 2023 einen Nettoverlust von 8,6 Milliarden Rubel (94 Millionen Euro), und der Produktionsplan für 2024 wurde von ursprünglich 100.000 Fahrzeugen auf nur 27.000 reduziert. Die ehemalige Nissan-Fabrik in St. Petersburg traf es noch schlimmer. Dort wurde die Produktion von Chery-SKDs inzwischen wieder eingestellt.

Export statt Fabriken: Chinas Strategie bleibt defensiv

Russland träumt von einer eigenen Autoindustrie und plant, die Produktion von 760.000 Fahrzeugen 2024 auf 1,4 Millionen bis 2030 zu steigern. Dieser Ehrgeiz setzt auf chinesische Investitionen, doch die Hersteller bleiben vorsichtig.

Exporte und SKD-Montage sind sicherer als Fabriken, die Unsicherheiten und Kosten mit sich bringen. Dennoch sprach Rostec-Chef Sergei Chemezov im November von Plänen eines chinesischen Herstellers für eine Fabrik in Moskau oder Sibirien. Solche Ankündigungen sind selten und bleiben vage.

Die chinesischen Hersteller reagieren unterschiedlich auf Moskaus Träume. GWM verdoppelt seine russische Produktion auf 200.000 Einheiten und baut ein Motorenwerk, in dem ältere Versionen chinesischer Verbrennerfahrzeuge hergestellt werden können. Chery, die führende Marke in Russland, montiert SKD-Kits in ehemals westlichen Fabriken. Geely bleibt zurückhaltend, setzt auf Exporte und sein Belarus-Joint-Venture, um Sanktionen zu entgehen.

Staatliche Hersteller wie FAW, Dongfeng und JAC sind durch Pekings Vorgaben eingeschränkt, während Hersteller von alternativen Antrieben (NEVs) wie BYD Russlands schwachen E-Auto-Markt meiden.

Sekundärsanktionen halten China zurück

Europa beobachtet die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen China und Russland kritisch, besonders wegen Technologieexporten, die in der Ukraine eingesetzt werden könnten. Chinesische Hersteller wie Chery, die mit sanktionierten russischen Firmen kooperieren, riskieren Strafmaßnahmen. Diese Gefahr verstärkt Pekings Zögern, in Russland zu investieren, und zwingt Hersteller, ihre globale Strategie sorgfältig abzuwägen.

China verdient Geld – Russland bleiben Träume

Die „unzerbrechliche Freundschaft“ zwischen Russland und China ist eine politische Phrase und ein Hirngespinst, das vornehmlich in westlichen russophilen Kreisen verbreitet wird und wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat.

China ist aus vielen Gründen mit seinem russischen Engagement vorsichtig. Nicht zuletzt beruht diese Vorsicht auf einer gewissen Aversion gegen Russland, die aus einer langen, schwierigen gemeinsamen Geschichte resultiert, von den „ungleichen Verträgen“ bis zur Rivalität der Sowjetzeit. Zudem ist China peinlich bemüht, sich nicht der Gefahr von Sekundärsanktionen auszusetzen.

Der Handel mit den USA, Europa und Australien ist für das Reich der Mitte weit wichtiger als der relativ kleine Austausch von Gütern mit Russland, der seit Oktober zudem leicht rückläufig ist. Die Risiken eines stärkeren Engagements in Russland übersteigen den Nutzen bei Weitem, und China bleibt ein pragmatischer Marktteilnehmer, der in erster Linie seinen Vorteil sucht, während Russland der schwächere Partner in dieser Beziehung ist.



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9 Kommentare

  1. Und wieviel Europäische Firmen haben ihr Investitionen in Russland verloren? Die Chinesen sind einfach etwas schlauer und weniger Naiv und rennen nicht hinter schnelles Geld her was nachher doch nichts gebracht hat.
    Gerhard grüßt bestimmt gerade nicht, der wundert sich hoffentlich über die Bedeutung von Freundschaft in der Internationalen Komplexität.

  2. DermitdemHellmuttanzt

    Und der nächste feuchte Traum von @Helmut abgeräumt.

  3. Ja,ja,eu Firme hat alles verloren. Propaganda hilft nicht, Tschüss

  4. Die Chinesen sind halt nicht so dumm in ein gewalttätig, korruptes und totalitäres Wirtschaftssystem zu investieren – sowas haben die zu Hause und kennen das Risiko aus dem FF…

  5. Ich hab doch schon immer gesagt, China und Russland sind keine Freunde und Verbündete, das will uns Putin nur vorgaukeln. Aus der Geschichte sind es immer Rivalen gewesen, nur halt wirtschaftlich schlauer. Europa sollte versuchen sie als Verbündete im Ukraine-Konflikt zu gewinnen und nicht immer als Feind zu behandeln.

    1. Also mir hat Putin noch nichts vorgegaukelt. Kenn ihn ja auch nicht so genau wie Sie.🤔

      1. zur Erinnerung: Weltkriegsende, Putin posiert mit Xi und nennt ihn Freund und Verbündeten. Xi hat Putin nie Freund genannt, er war auch nie sein Freund.
        Dazu muss man Putin ja auch nicht persönlich kennen, einfach nur mal Nachrichten schauen!

        1. Ok, danke wusste ich nicht. Bin nicht so der Fernsehkika. Aktuelle Kamera kommt ja leider nicht mehr. War wenigstens politisch korrekt.

  6. Der Remimbi gegenüber dem US-Dollar steht zur Zeit auf dem gleichen Niveau wie vor einem Jahr,
    währenddessen der Rubel in der gleichen Zeit um über 10 Prozent gegenüber dem US-Dollar zulegte.
    Von einem schwachen Rubel kann also nicht die Rede sein.

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