Aktien

Tricks um Aktien besser aussehen zu lassen, als sie es tatsächlich sind

Die aufgetürmten Rechnungen werden zu einem Problem, wenn die Umsätze einmal nicht mehr so stark sprudeln sollten wie angenommen. Denn dann müssen hohe Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit mit niedrigeren Umsätzen aus der Gegenwart beglichen werden. Auch dieses Problem dürfte Tesla derzeit haben.

Ausgaben werden verschoben, Einnahmen vorgezogen

Beliebt waren in der Vergangenheit auch sofortige Einbuchung von Umsätzen und Rabatten und die spätere Einbuchung von Kosten. So konnte für manche Quartale ein Gewinn ausgewiesen werden, der natürlich von der Aktie positiv reflektiert wurde. Dieser Gewinn wird erkauft durch umso höhere Verluste in anderen Quartalen. Tesla benutzt solche Leuchtturm-Gewinn-Quartale gern als Beleg dafür, dass man theoretisch profitabel sein könnte, es aber zugunsten stärkeren Wachstums nicht ist. So kappt Tesla in diesen Leuchtturm-Quartalen gern alle verschiebbaren Projekte wie den Ausbau von Werkstätten und Ladeinfrastruktur, Forschung & Entwicklung sowieso, Garantiereparaturen werden verwehrt, Lieferanten um nachträgliche Rabatte gebeten und über Quartale angesammelte Emissionszertifikate verkauft.

Aktionäre sollen möglichst dumm sterben

Skeptisch stimmen sollte einen auch eine ungewöhnliche Verschlossenheit eines Unternehmens, was das Erklären von Zahlen angeht. Wie soll der faire Wert einer Aktie bestimmt werden, wenn das Unternehmen seinen Teilhabern nicht erklärt, was vor sich geht? Wenn z.B. Tesla bis heute keine stimmige Begründung dafür liefern kann, weshalb ein weltweit nur nach Vorauszahlung ausliefernder Autokonzern rund 20% eines Quartalsumsatzes als offene Forderungen verbucht hat, stimmt irgendetwas nicht. Wenn die gelieferten Begründungen nicht nur unlogisch sind, sondern sich auch noch widersprechen, sollten die Alarmglocken aufleuchten.

Wenn Sie einmal die Quartalsberichte von Tesla und zum Beispiel VW, Daimler oder BMW nebeneinanderlegen, so werden Sie feststellen, dass Tesla nur die wenigsten Zahlen aufschlüsselt. Bei anderen Autoherstellern erfahren wir aufs Automodell, Markt und Fabrik heruntergebrochen exakte Produktions- und Verkaufszahlen, bei Tesla nicht. Und so zieht es sich durch fast alle relevanten Bilanzpositionen. Wo andere Unternehmen hoch detaillierte Angaben machen, damit Aktionäre eine exakte Einschätzung der aktuellen Situation des Unternehmens vornehmen können, muss man bei Tesla raten.

Unfähigkeit, Zahlen zu präsentieren, sollte schlecht für den Kurs sein

Um auf seltsame Dinge in Bilanzen zu stoßen, müssen wir weder in die USA oder China schauen. Wir finden diese Auffälligkeiten auch direkt vor der eigenen Tür, im DAX. Dass Wirecard weltweit Zahlungen für Kunden abwickeln will, selbst aber keinen Überblick über die eigenen Finanzen zu haben scheint, sollte nicht nur mich verwundern. Oder warum benötigt der Konzern bis mindestens 4. Juni, um den Geschäftsbericht 2019 zu publizieren?

Überoptimismus hilft Aktien kurzfristig

Gerichtlich geschützt wird zumindest in den USA vorsätzlicher Überoptimismus. Anleger klagten gegen Tesla, weil das Unternehmen 2017 nach Ansicht der Kläger wissentlich viel zu optimistische Produktionsziele für das damals neue Automodell Model 3 herausgab. Die Klage war sehr gut begründet und enthielt diverse Aussagen von Mitarbeitern und Lieferanten, die allesamt davon überzeugt waren, dass die von Tesla genannten Ziele unerreichbar sein würden. Während Mitarbeiter noch einige wenige Autos pro Tag in Einzelfertigung per Hand zusammenschweißten, schwadronierte CEO Musk von 20.000 Stück pro Monat binnen weniger Wochen. Ab Ende 2018 sollten 500.000 Stück pro Jahr gefertigt werden können. Tatsächlich wurde keine der Zahlen auch nur annähernd erreicht. Selbst 2019 konnten nur fast 30% weniger Autos hergestellt werden. Die Klage wurde dennoch abgewiesen. Es ist offenbar erlaubt, Zahlen zu nennen, die weder die mit der Aufgabe betrauten Mitarbeiter noch Zulieferer für realistisch halten. Es liegt in der Verantwortung der Aktionäre, die Projektionen des Managements auf Stichhaltigkeit abzuklopfen.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

2 Kommentare

  1. Hallo Herr Schumanns – Danke für Ihren Bericht mit den vielen Hintergrundinformationen !

  2. Ein guter Freund (Bilanzfachmann mit jahrzehntelanger Erfahrung) hat mir das mal in zwei kurzen Statements erklärt:
    1. Bilanzen sind hoch wissenschaftliche Analysen auf einer frei erfundenen Datenbasis.
    2. Ich weise dir noch bis drei Tage vor der Insolvenz einen Gewinn aus, ohne gegen irgend ein Gesetz oder eine Regel zu verstoßen.

    Das wird noch durch meine Erfahrung unterstützt, dass Unternehmen häufig überhaupt keine Ahnung davon haben, wo ihre Kosten entstehen, wo ihre Erlöse herkommen und wie beides zusammenhängt.
    So ist die Verwechselung von Umsatz und Gewinn, bzw. die Unfähigkeit zwischen einer Eigenkapital- und einer Umsatzrendite nicht unterscheiden zu können auch bei Geschäftsführern und Vorständen durchaus ein gar nicht so seltenes Phänomen.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage