Der Handelskrieg von Trump, der Krieg Israel-Iran, USA-Importflut, oder Hafenstreiks in Europa: Der globale Frachtraum gerät aus dem Takt.
Trump, Europa, Israel: Globale Krisen verknappen Frachtraum
Der globale Containerverkehr kommt nicht zur Ruhe. Kaum beruhigt sich eine Front, bricht eine neue auf. Noch vor einigen Monaten kämpften Reedereien mit massiven Überkapazitäten, jetzt fehlt es an Laderaum. Speditionen suchen händeringend nach freien Plätzen. Während sich die Lage in Nordeuropa, besonders in Rotterdam und Bremerhaven, vorübergehend entspannt hat, sorgt der Ansturm amerikanischer Importeure, die vor dem Ende der Zollpause ihre Waren in die USA einführen wollen, sowie der Konflikt zwischen Israel und Iran für neue Engpässe. Trotz dieser angespannten Lage halten die starken Preissteigerungen der Reedereien nicht lange an.
Ende der Zollpause: Die Welle rollt in die USA
Der angekündigte Ansturm kommt. Die amerikanischen Häfen, allen voran Los Angeles und Long Beach, erwarten in den nächsten Wochen einen stark ansteigenden Umschlag von Containern, um ihre Waren vor dem Ende der 90-tägigen Zollpause zwischen den USA und China am 12. August ins Land zu bringen. Nach Aussage von Präsident Trump soll nach diesem Termin wieder ein Zoll von 54 Prozent auf chinesische Waren erhoben werden, während Vertreter und chinesische Offizielle von einer Fortsetzung der Vereinbarung von Genf sprechen.
Der Hafen von Los Angeles prognostiziert für die nächsten Wochen einen starken Anstieg der Ankunftsraten von Containerschiffen. Nach einem Einbruch des Umschlags aller amerikanischen Häfen um 9,7 Prozent im Mai im Jahresvergleich zeigt der Port Optimizer von Los Angeles nun eine Steigerung von 14 Prozent für den Juni im Vergleich zum Vorjahr. Laut dem Frachtdatendienstleister GoSonar stiegen die aus China auslaufenden Schiffe in Richtung der USA um 55 Prozent in der vergangenen Woche. Das chinesische Transportministerium (MoT) berichtet allerdings nur von einer zweiprozentigen Steigerung des Containerumschlags.
Die Zahlen des chinesischen Transportministeriums (MoT) sorgen für Stirnrunzeln, um es vorsichtig auszudrücken. Das MoT hielt die Verkehrsstatistik für die letzte Mai-Woche über eine Woche lang zurück, bis die Zolldaten öffentlich waren. Die Ergebnisse waren eine Überraschung: Bis zur dritten Mai-Woche betrug das Umschlagsplus nur zwei Prozent, in der letzten Woche schoss der Umschlag plötzlich auf 12 Prozent in die Höhe, obwohl das Drachenboot-Festival die Arbeitswoche verkürzte. Ein Schwabe würde von einem „Gschmäckle“ sprechen. Die offizielle Handelsbilanz Chinas meldet ein Exportplus von 4,8 Prozent, doch die Angaben des MoTs erhöhen die Zweifel an dieser Angabe.
Reedereien können Frachtraten nicht durchsetzen
Wie erwartet brachte der Juni eine kräftige Erhöhung der Frachtraten. Der Drewry World Container Index stieg um 41 Prozent, wobei die Spot-Preise für Los Angeles mit 57 Prozent und New York mit 38 Prozent am stärksten stiegen. Auch die Preise nach Europa kletterten um etwa 35 Prozent. Die Preissteigerungen bei den Spot-Preisen waren eine Folge der Anhebung beziehungsweise Aktivierung der General Rate Increases (GRI) und Peak Season Surcharges (PSS) für Großkunden. Allerdings haben sich die Spot-Raten diese Woche praktisch nicht bewegt, was eine kleine Überraschung ist. Dies lässt darauf schließen, dass die Reedereien ihre angepassten Preise nicht durchsetzen können.
Von Überkapazitäten zur Knappheit: Frachtraum gesucht
Die Erklärung liegt in der extrem angespannten Situation bei den Kapazitäten. Laut Alphaliner, einem Analyseunternehmen für die Schifffahrtsbranche, liegt nur 0,6 Prozent der globalen Containerflotte außer Dienst – ein extrem niedriger Wert. Damit schlägt das Pendel von Überkapazitäten in den letzten Monaten ins andere Extrem um. Frachtraum wird händeringend gesucht. Gründe dafür sind Rückstaus durch Verspätungen in Nordeuropa, ausgelöst durch Streiks in Belgien und Niedrigwasser in Rhein, Elbe und Weser. Der Konflikt zwischen Israel und Iran zwingt Schiffe, das Rote Meer und den Suezkanal zu meiden, was zu Umleitungen über Afrika und einem Verlust von acht Prozent der globalen Frachtkapazität führt. Gleichzeitig verlagern Reedereien Schiffe von südostasiatisch-amerikanischen Routen zurück nach China und richten ihre Linien nach dem Umgruppieren der Frachtallianzen neu aus.
Für Nordeuropa deutet sich neues Ungemach an: In Rotterdam wird seit Anfang Juni wieder gestreikt, ohne dass ein Ende abzusehen ist. In Hamburg trennt die Bahn den Hafen Anfang Juli für mindestens ein Wochenende wegen Bauarbeiten ab, was Verspätungen in Bremerhaven und Wilhelmshaven nach sich ziehen wird.
Die globalen Transportrouten sind für stabilen Handel konzipiert, nicht für ein sprunghaftes Wechseln und schon gar nicht dafür, dass das Unbeständige zur Regel wird. Jede Krise wirkt sich sofort auf die Lieferketten aus. Die gegenwärtige Aneinanderreihung von Krisen führt zu einer Situation, die selbst mit massiven Überkapazitäten zu Engpässen führt. Die gute Nachricht scheint zu sein: Diesmal können die Reeder daraus nicht dauerhaft Profit schlagen.
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