Im Machtspiel zwischen Trump und China scheint der Ausweg blockiert. Was als Handelsstreit begann, ist längst zum Stellvertreterkonflikt zweier Weltanschauungen geworden – geprägt von Ego, Kontrolle und tief verankerten Ängsten.
Trump und China: Kalter Krieg – schon Reagan verändert mit „Star Wars“ die Machtbalance
„Was wäre, wenn freie Menschen in dem Wissen leben könnten, dass ihre Sicherheit nicht auf der Drohung einer sofortigen US-Vergeltung beruht, um einen sowjetischen Angriff abzuschrecken?
Dass wir strategische ballistische Raketen abfangen und zerstören könnten, bevor sie unser eigenes Territorium oder das unserer Verbündeten erreichen? Ich weiß, dass dies eine gewaltige technische Herausforderung ist, die möglicherweise nicht vor Ende des Jahrhunderts bewältigt werden kann. Dennoch hat die heutige Technologie ein solches Maß an Raffinesse erreicht, dass es vernünftig ist, dieses Vorhaben zu beginnen. (…)
Aber ist es nicht jede notwendige Investition wert, um die Welt von der Bedrohung durch einen Atomkrieg zu befreien? Wir wissen, dass es so ist.“
Mit diesen Worten leitete Präsident Ronald Reagan im März 1983 die letzte Phase des Kalten Krieges zwischen der Sowjetunion und den USA ein.
Es war ein wohlkalkulierter Zug, den er spielte, inspiriert von den spieltheoretischen Konzepten Thomas Schellings aus seinem Werk „The Strategy of Conflict“, weitergedacht von Denkern wie Albert Wohlstetter, dessen Analysen zur nuklearen Abschreckung Reagans strategisches Umfeld stark prägten. Reagan setzte auf ein klassisches „Feiglingsspiel“: Wer zuerst ausweicht, verliert – wer durchzieht, gewinnt alles. Die Sowjetunion sah sich gezwungen mitzuspielen und hielt nicht stand. In der Folge geriet sie wirtschaftlich und ideologisch ins Wanken – und stieg schließlich aus dem Wettrüsten aus.
Inszenierung als Strategie: Reagan als „Rebell“
Dabei half Reagan seine Persönlichkeitsstruktur. Er war ein „Rebell“ – begeisterungsfähig, kreativ in der Kommunikation, mit einem feinen Gespür für öffentliche Inszenierung. Ein geborener Schauspieler, der die politische Bühne als seine größte Rolle verstand.
Die Einteilung Ronald Reagans als ‚Rebell‘ folgt dem erweiterten Modell des Schweizer Psychologen Fritz Riemann. In seinem Werk ‚Grundzüge der Angst‘ kategorisiert er Persönlichkeiten nach ihren fundamentalen Ängsten. Es gibt vier Basistypen, die im erweiterten Ansatz durch Unterkategorien wie „Rebell“, „Macher“ oder „Beharrer“ ergänzt werden. Jeder Typ wird durch eine zentrale Angst geprägt.
Für Reagan war das Amt des Präsidenten seine größte Rolle. Er sah sich als quasi-religiöser Führer, dessen heilige Mission darin bestand, ein auserwähltes Volk zu leiten – Amerika als „glänzende Stadt auf dem Hügel“, die der Welt vorleben sollte, was es heißt, frei zu sein, im Kampf gegen das Böse des sowjetischen Totalitarismus.
Reagans Vision war es, den Kalten Krieg zu beenden und die Freiheit als universelle Idee zu behaupten. Seine Vision wurde erfüllt, als am 3. Oktober 1990 die Deutsche Einheit vollendet wurde und die bisherigen Ostblockstaaten das Joch der sozialistischen Diktaturen abwarfen und sich stattdessen für Demokratien entschieden.
Nullsummenspiel statt Freihandel: Trump und seine Handelsdoktrin
Zweiundvierzig Jahre später steht Donald J. Trump im Rosengarten des Weißen Hauses und verkündet Maßnahmen, die eine neue Handelsordnung etablieren sollen. Er wird beraten von Peter Navarro, einem Ökonomen mit Harvard-Abschluss, der in der Wissenschaftscommunity als Außenseiter gilt.
Für Navarro ist internationaler Handel kein Win-Win-Spiel, wie es die klassische Wirtschaftstheorie sieht. Diese Theorie setzt auf komparative Vorteile: Länder tauschen, was sie am besten können, und steigern so den globalen Wohlstand. Navarro verwirft das. Er betrachtet Handel als Nullsummenspiel, bei dem der Gewinn des einen den Verlust des anderen bedeutet. Seine Sicht ist radikal: Nicht Kooperation zählt, sondern totale wirtschaftliche Autonomie.
Besonders China sieht er als existenzielle Bedrohung – durch Subventionen, Diebstahl geistigen Eigentums und erzwungene Technologietransfers zerstört es die industrielle Basis der USA. Zölle sind für ihn kein Schutz, sondern ein Mittel, um die Produktion komplett zurückzuholen und Abhängigkeit zu eliminieren. Wirtschaft wird zum Überlebenskampf. Berichten zufolge wurde Trump durch seinen Schwiegersohn Jared Kushner auf Navarro aufmerksam. Kushner hatte keines von Navarro’s Büchern gelesen, ließ sich allein vom Titel ‚Death by China‘ leiten. Diese Anekdote zeigt den ‚Macher‘ Trump: Theorien interessieren ihn nicht, er sucht nur ein Feigenblatt für seine intuitive Überzeugung, dass Machtspiel alles ist.
Xi Jinping: Der „Beharrer“ mit historischem Auftrag
Sein Gegenspieler ist Xi Jinping, der mächtigste Führer Chinas seit Mao Zedong. Für Xi ist es die natürliche Ordnung, dass China, das ‚Reich der Mitte‘, wieder zur führenden Macht aufsteigt – ein Ziel, verwurzelt in der kollektiven Erinnerung an die ‚Schmach‘ der letzten 200 Jahre, als Kanonenboote und ‚ungleiche Verträge‘ China erniedrigte.
Diese militärische Erniedrigung war jedoch nicht Ursache, sondern Folge – Folge einer technologischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Rückständigkeit gegenüber Europa. Schon im späten 16. Jahrhundert wurde dieser Rückstand sichtbar: als der Jesuit Matteo Ricci die euklidische Mathematik nach China brachte – oder als Adam Schall von Bell zum kaiserlichen Hofastronomen aufstieg, weil er die Mondfinsternisse präziser berechnen konnte als jeder seiner chinesischen Kollegen.
Diese schmerzhafte Erfahrung der Rückständigkeit – militärisch, wissenschaftlich, technologisch – prägt auch die Persönlichkeit von Xi Jinping. Wie Trump oder Reagan steht auch er exemplarisch für eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur im erweiterten Modell aus Riemanns „Grundzügen der Angst“. Wenn Trump der Macher ist, Reagan der Rebell, dann ist Xi Jinping der Beharrer.
Der Beharrer fürchtet das Chaos mehr als alles andere. Er sucht Sicherheit in Kontinuität, in festen Strukturen, in historischer Ordnung. Veränderung ist für ihn nicht Ziel, sondern Risiko – es sei denn, sie dient der Wiederherstellung eines als natürlich empfundenen Zustands.
Für Xi Jinping bedeutet das: China muss zurück an die Spitze, dorthin, wo es seiner Ansicht nach immer schon hingehörte – ins Zentrum der Weltordnung. Nicht als Neuerfinder, sondern als Wiederhersteller. Als Erbe eines jahrtausendealten Zivilisationsmodells, das durch äußere Mächte gestört wurde.
Xi denkt nicht kurzfristig in Medienzyklen, sondern langfristig in Dynastien. Seine Rhetorik ist geprägt von Begriffen wie Stabilität, Wiederauferstehung, Nationaler Einheit. Sein Machtanspruch ist nicht impulsiv wie bei Trump, sondern systematisch: Er verändert Verfassungen, baut Parallelstrukturen in Partei und Militär auf, sichert Loyalität nicht durch Charisma, sondern durch Kaderbindung und Kontrolle.
Was Reagan aus der Begeisterung und Trump aus dem Bauch antrieb, ist bei Xi ein langer Marsch durch die Institutionen. Kein Aktionismus, sondern Beharrlichkeit. Was Reagan aus Begeisterung und Trump aus Instinkt antrieb, ist bei Xi ein langer Marsch durch die Institutionen. Kein Aktionismus, sondern Beharrlichkeit. Seine Angst ist das Scheitern dieses großen Projekts – deshalb duldet er keine Ambiguität, keine Grauzonen, kein Machtvakuum.
Trump, Xi und China: Zwei Persönlichkeiten, zwei Ängste, ein Machtspiel
Der „Macher“ Trump, der aus dem Instinkt heraus handelt, auf Kraftmeierei setzt, Konflikte nicht scheut, sondern sucht, um sich darin zu inszenieren. Für ihn ist Politik Performance, Dominanz, Schlagzeile. Rückzug bedeutet für ihn Schwäche – und Schwäche ist das, was er am meisten fürchtet. Sein Reflex ist: weiter draufhalten, lauter werden, den Gegner in die Enge treiben.
Und auf der anderen Seite: der „Beharrer“ Xi Jinping, der langfristig denkt, dem Chaos verhasst ist, der nicht blufft, sondern stur an seinem historischen Auftrag festhält. Für Xi ist Nachgeben keine Option – nicht aus impulsiver Reaktion, sondern aus tiefer ideologischer Überzeugung. Er sieht sich als Hüter einer historischen Mission, die nicht aus Machtgier, sondern aus Pflichtgefühl besteht. Nachgeben hieße: das Gesicht verlieren, das Gleichgewicht gefährden, die Ordnung verraten.
Zwei Systeme, zwei Charaktere, zwei Ängste
Der eine fürchtet die Bedeutungslosigkeit – der andere das Chaos. Und beide fahren mit voller Geschwindigkeit aufeinander zu.
Macht und Sehnsucht: Trumps psychologische Schwäche
Doch bei Donald Trump kommt noch eine weitere Komponente hinzu, die sein Verhalten gegenüber autoritären Führern wie Putin, Xi Jinping oder besonders Kim Jong-un verständlich macht: sein tief verwurzelter Wunsch nach Anerkennung – vor allem durch starke Männer.
Als „Macher“ im Sinne des erweiterten Modells der Grundzüge der Angst ist Trumps zentrales Motiv, als bedeutend und überlegen wahrgenommen zu werden. Stärke, Dominanz, Kontrolle – das sind die Leitwerte seines Selbstbilds. Autoritäre Herrscher verkörpern diese Eigenschaften in Reinform. In ihnen sieht er keine Gegner, sondern Spiegel: Männer, die das zu sein scheinen, was er selbst sein will – unangreifbare Führungsfiguren, gefürchtet und bewundert zugleich.
Ein besonders deutliches Beispiel dafür ist Trumps Beziehung zu Kim Jong-un. Nach dem ersten historischen Gipfeltreffen in Singapur 2018, das er selbst als „großen Erfolg“ inszenierte, folgte 2019 das ernüchternde Treffen in Hanoi – ein Misserfolg. Die Verhandlungen scheiterten, es gab keine Vereinbarung zur Denuklearisierung, Kim reiste vorzeitig ab. Doch Trump sprach anschließend nicht etwa von Enttäuschung, sondern von gegenseitigem Respekt. Er präsentierte der Öffentlichkeit mehrfach die „wunderschönen Liebesbriefe“, die Kim ihm geschrieben habe – ein Ausdruck fast kindlicher Bewunderung, den er bis heute gern zitiert.
Berichten zufolge nahm Trump diese Briefe sogar nach dem Ende seiner Amtszeit mit nach Mar-a-Lago – als eine Art Trophäe, ein Beweis dafür, dass er auf Augenhöhe mit den „großen Männern“ dieser Welt gestanden habe.
Psychologisch liegt darin ein tiefer Widerspruch: Trump sehnt sich nach Bestätigung durch genau jene Männer, gegen die das demokratische Selbstverständnis der USA eigentlich Front machen müsste. Für den „Macher“ Trump aber zählt nicht das System – sondern das Spiel. Und darin ist es ihm wichtiger, von einem Kim geliebt zu werden, als von einem Kongress verstanden.
Das neue Feiglingsspiel: Trump gegen Xi Jinping
Der von Trump am „Liberation Day“ begonnene Handelskrieg zwischen den USA und dem Rest der Welt entwickelt sich im Falle von China zu einem „Feiglingsspiel“, wie zwischen den USA und der Sowjetunion zu Zeiten Reagans. China reagiert auf jede Erhöhung der Zölle seinerseits mit neuen Abgaben und anderen Handelshemmnissen, worauf Trump wiederum mit einer neuen Runde antwortet.
Xi Jinping beweist damit Stärke – eine Stärke, die Trump zugleich respektiert und fürchtet. Für Trump ist Xi nicht nur ein Gegner, sondern ein Maßstab: ein autoritärer Führer, dessen Anerkennung ihn als „Macher“ bestätigen würde. Er nimmt Xi ernst, weil dieser sich nicht einschüchtern lässt – in Trumps Weltbild ein Zeichen von Gleichwertigkeit. Doch genau diese Standhaftigkeit wird zur persönlichen Zurückweisung. Trump erwartet Respekt oder Unterwerfung; wenn beides ausbleibt, schlägt seine Bewunderung in Frustration um. Diese psychologische Schwäche – die Sehnsucht nach Xis Bestätigung – treibt ihn zu impulsiven Zügen: Er eskaliert die Zölle, um Xis Anerkennung zu erzwingen, doch Xi bleibt kalt. Das kratzt an Trumps Ego und untergräbt seine Standhaftigkeit im Spiel.
Anders als bei Reagan sind aber die Karten im Falle von Trump versus Xi Jinping ungleich verteilt. Während Reagan im Kalten Krieg auf ein festes westliches Bündnissystem bauen konnte, hat Trump es geschafft, sich wortwörtlich die gesamte restliche Welt zum Feind zu machen – inklusive der Pinguine, könnte man sagen. Reagan hatte Europa, Japan und Kanada an seiner Seite. Trump hatte Zölle.
Auch die wirtschaftliche Ausgangslage ist fundamental verschieden. Zwischen den USA und der Sowjetunion gab es kaum Handelsbeziehungen – wirtschaftliche Sanktionen konnten folgenlos verhängt werden. Im Gegenteil: In manchen Jahren mussten die USA die Sowjetunion sogar mit Getreide versorgen.
Bei China ist das Gegenteil der Fall: China ist integraler Bestandteil globaler Lieferketten – und die USA sind auf Importe aus China existenziell angewiesen. Vom iPhone bis zum Solarpanel, von seltenen Erden bis zu maschinell gefertigten Bauteilen. Maßnahmen gegen China treffen amerikanische Verbraucher und Unternehmen direkt – und lassen sich nicht einfach substituieren.
Auch das strategische Setting unterscheidet sich: Im Kalten Krieg hatte die Sowjetunion ein permanentes Informationsdefizit. Reagans militärische Drohkulissen funktionierten, weil Moskau nicht wusste, wie ernst es ihm war – oder wie groß der technologische Vorsprung des Westens tatsächlich war.
Trump dagegen tritt gegen einen Gegner an, der die Schwächen der USA genau kennt. Peking weiß um den inneren politischen Streit, kennt die Abhängigkeiten der US-Wirtschaft – und hat strategisch jahrzehntelang geplant. Trumps Anerkennungssuche verschärft diesen Nachteil: Seine Offenheit – getrieben von dem Drang, als stark wahrgenommen zu werden – macht ihn für Xi berechenbar. Er inszeniert sich lautstark, weil Schweigen für ihn Schwäche bedeutet, während Xis Undurchsichtigkeit ihm Kontrolle gibt.
Reagan hatte ein Ziel – und einen Ausweg. Seine Eskalationen dienten einer langfristigen Strategie: Rüstungskontrolle, Systemöffnung, diplomatische Annäherung. Trump dagegen hat keine Exit-Strategie. Er spielt ein Feiglingsspiel – aber ohne Lenkrad, ohne Ziel, ohne Landkarte.
Xi Jinping, als typischer Vertreter eines „Beharrers“, hat einen festen Kompass. In Trumps Kosmos sind alle diese Punkte Teil dessen, was er in „The Art of the Deal“ als „Leverage“ beschreibt. „Leverage“ ist Verhandlungsmacht – alles, was einem in einer Verhandlung einen Vorteil verschafft. Sein Prinzip ist einfach: „Wer mehr zu verlieren hat, verliert die Verhandlung.“ Doch seine psychologische Schwäche kehrt dieses Prinzip um: Er will Xis Respekt als Teil seines Leverage, aber Xi verweigert ihm das. Statt seinen Hebel zu stärken, zerstört Trump ihn durch Ungeduld – getrieben von einem Ego, das Bestätigung sucht, wo keine zu finden ist.
Anleihen, Währungen, Macht: China und seine Finanzwaffen
Beim Feiglingsspiel hält Xi Jinping die besseren Karten in der Hand. Auch China wird in diesem Handelsstreit verlieren – etwa ein Drittel aller Exporte Chinas gehen direkt oder indirekt in die USA. Doch zwischen den USA und China herrscht kein „Gleichgewicht des Schreckens“ wie zwischen den USA und der Sowjetunion. China hält US-Anleihen im Wert von etwa 4% des amerikanischen BIPs und etwa 3,24 Billionen in Währungsreserven, die wahrscheinlich zum Großteil aus US-Dollar bestehen. Damit könnte China die amerikanische Wirtschaft schwer treffen.
Auf der anderen Seite kann die USA China vom SWIFT-Bankensystem abschneiden – doch ein solcher Schritt würde den Warenfluss in die USA stoppen. Schießen die USA diesen Schuss ab, sterben sie als zweites. Würde China alle US-Bonds und Dollar abstoßen, wären die Folgen auch für China katastrophal, aber wahrscheinlich überlebbar.
Wie entscheidend der Anleihemarkt in diesem Spiel ist, zeigte sich am Donnerstag, dem 10. April 2025. Trumps „Liberation Day“ hatte die Aktienmärkte bereits in einen Bärenmarkt geschickt – ein Abwärtstrend, den er ignorierte. Doch als am Donnerstag die Renditen der US-Anleihen stiegen, weil Anleger ausstiegen, reagierte er prompt: Er verkündete ein 90-tägiges Zollmoratorium gegen nahezu alle Länder – außer China. Wer die Anleihen abstieß, bleibt unklar. Neben China standen Hedgefonds im Verdacht, mittlerweile gerät Japan in den Fokus.
Während Trump sein Leverage nach den Regeln von „The Art of the Deal“ sucht – Druck durch Zölle, Sieg durch Dominanz – wäre es verlockend, Xi Jinping als Gegenpol mit Sun Tzus „Die Kunst des Krieges“ zu beschreiben. Doch Xi auf Sun Tzu zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht. In den Parteischulen umfassend ausgebildet, sowohl in östlichen als auch westlichen philosophischen Traditionen, vereint er Ansätze verschiedener Strategen. Spuren von Augustus’ Stabilitätssuche, Machiavellis Machtkalkül oder Bismarcks geopolitischer Weitsicht lassen sich ebenso finden wie Hegels dialektisches Geschichtsverständnis.
In der konkreten Auseinandersetzung mit Trump wählt Xi jedoch ein einfaches, wirksames Mittel: Er spiegelt Trumps Maßnahmen – Zölle mit Gegenzöllen, Drohungen mit Standhaftigkeit – und geht auf das Feiglingsspiel ein, ohne sich zu überheben.
Drei Wege zum Sieg: Xi kalkuliert Trumps Ende
Xi weiß, dass er am längeren Hebel sitzt. Anders als Trump, der öffentliche Meinung und Wahlen fürchtet, ist Xi unabhängig. Er sieht drei Szenarien:
Erstens, Trump ‚blinkt‘ – wie beim Zollmoratorium nach dem Anleihe-Absturz – und wird zur ‚lame duck‘. Neue Einbrüche am Anleihenmarkt oder massenhafte Proteste könnten ihn weiter zwingen, nachzugeben. Denn was Immobilien für die Altersvorsorge der Chinesen sind, sind Aktien für die Amerikaner. Bis Donnerstag vernichteten die Einbrüche an den Aktienmärkten 6,4 Billionen US-Dollar.
Zweitens, die GOP rebelliert, weil Trumps Politik ihre Wahlaussichten nach den Midterms 2026 gefährdet, und zwingt ihn zum Rückzug. Drittens, das Kabinett setzt den 25. Verfassungszusatz ein, um ihn wegen unberechenbarer Entscheidungen (etwa wirtschaftlicher Selbstschädigung) abzusetzen – oder die Demokraten gewinnen 2026 beide Kammern und starten Impeachments gegen Trump und Vizepräsident J.D. Vance, etwa wegen Verletzung der Handelsklauseln oder nationaler Sicherheitsrisiken. Oder mit Insiderhandel im Zusammenhang mit der Aussetzung der Zölle.
In allen Fällen verlässt Xi das Spielfeld als Gewinner: Trump weicht aus und verliert an Einfluss, oder er stürzt ab und wird abgesetzt. Eine neue Administration wird China weiter bekämpfen, doch Xi trifft dann auf einen rationaleren Gegner, mit dem Kooperation möglich ist – ein Spiel, das er beherrscht.
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Moin,
Danke für diesen hochinteressanten, informativen Artikel !
Ich bin zusätzlich der Meinung, dass Trumps Stärke auch die Schwäche, das Harmoniebedürfnis und Naivität seiner politischen „Gegner“ in den USA und weltweit sind. Bei so einem wie Trump muss man handeln nach dem Motto „wehret den Anfängen“. Vielleicht ist das aber schon längst im Gange, Stichwort Zölle …
Trump gegen den Rest der Welt kann und darf nicht erfolgreich sein ! Also, schnallt Euch an, es wird noch spannender.
Gruß,
Thorsten
Vielen Dank für diese phantastische Analyse!
Xi macht das genau richtig, keine Luft lassen. Es wird noch schlimmer mit Herrn Trump. Legt er den Schalter nach 90Tagen wieder um, geht es von vorne los. Unsere Leute sind viel zu langsam, der alte Trott dominiert wie immer und das schon jahrelang. Man hat es satt zu zusehen, dass es keine Veränderung gibt. Frau Merkel mischt ja auch wieder mit. Allen müsste ja eigentlich klar sein, dass diese Gangart nichts bringt, denn die Technik ist auf dem Vormarsch mit Digital usw. Wenn Physiotherapien Insolvenz anmelden müssen, dann stimmt etwas nicht, denn die Leute von oben müssen auch versorgt werden, wenn Sie krank sind. Wenn hier unten keiner mehr und kompetent ist und nicht mehr wollen, dann nutzt Ihnen das viele Geld auch nichts mehr. Wer das Leben versteht hat 100 Pluspunkte! China macht das genau richtig!
die Umbrüche der Zeit. So scheint der richtige Kaiser in China zu Hause zu sein.
Der König in den U.S.A. und das noch auf Zeit.
Die Scheindemokratien des Westen sollen eine Überlegenheit gegenüber den Autokratien darstellen. Gut so. Leider ist es eben eine Scheinheilige und eben die Schwäche des Westen nicht mehr Demokratie zu wagen.
Weniger, am besten keine mehr. Man will ja auf Augen Autokratischer Höhe mitspielen.
Das ist in Deutschland mit der Mitte gelungen.
In den U.S.A. ist ein Machtkampf zweier Blöcke wohl vorhanden, wieviele davon Theater ist?
Kurzum, ich hätte mir das Geschreibsel sparen können der Autor hat gut erklärt.
Der Artikel offenbart die größte Schwäche aller US-Präsidenten: Sie hängen derzeit von der Stimmung wohlstandsverwahrloster feister Bürger ab. Mir kommt der Westen vor, wie die Menschen auf der Titanic am 14.04.1912: bitte belästigt uns nicht, es sind doch genug kühle Getränke da.
Meiner Ansicht nach sagt der Artikel viel mehr über den Autor selbst aus als die holzschnittartige Charakterisierung der beiden Protagonisten. Wenn Vorurteile genügen würden, um die Komplexität der Weltfinanzmärkte zu beschreiben, dann wäre jede Krise fix beendet und jeder Anleger Milliardär.
@Capablanca
Oh, wie aufschlussreich – ein Kommentar, der meint, die Analyse des Autors sei ‚holzschnittartig‘! Offenbar hast du nicht ganz verstanden, worum es geht. Modelle helfen, Handlungsweisen zu verstehen, und der Autor hat in seinem Artikel drei verschiedene Modelle kombiniert, um die Dynamik zwischen Trump und Xi zu erklären. Wenn das für dich ‚holzschnittartig‘ ist, dann frage ich mich, wie du Komplexität definierst – vielleicht mit einem einzigen Buzzword? Wenn Vorurteile allein die Weltfinanzmärkte erklären könnten, wären wir alle Milliardäre, da hast du recht. Aber genau deshalb arbeitet der Autor mit Modellen, nicht mit Vorurteilen. Vielleicht solltest du den Artikel nochmal lesen – oder hast du ein besseres Modell parat, um das Verhalten von Staatsführern in einem Handelskrieg zu erklären?
@ Horst Schlemmer
Danke für Ihren zurechtrückenden Kommentar an @Capablanca! Dann kann ich mir die Zeilen sparen.
Zum Titelbild der beiden lesenden Herren fäält mir ein Lektürehinweis ein: Hat China schon gewonnen?: Chinas Aufstieg zur neuen Supermacht.
Ein spannendes Buch von einem wirklichen Kenner: Kishore Mahbubani, Diplomat Singapurs, u.a. bei der UNO als Vertreter Singapurs und Vorsitzender des UN-Sicherheitsrats 2001/02.
Guten Abend, Sie haben ja ganz schön Gas gegeben in meiner E-Mail. Ich bin mir ganz sicher das Xi/ Trump versteht und ich verstehe die Dynamik beider Rivalen ebenfalls, also lassen wir unsere Auseinandersetzung und folgen gespannt wie es weiter geht.