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TTIP ist nicht notwendig – „TTIP light“ reicht vollkommen aus

Von Claudio Kummerfeld

Angela Merkel und Barack Obama wollen unbedingt TTIP noch bis Jahresende durchdrücken. Doch die durch Greenpeace veröffentlichten geleakten TTIP-Positionen der USA zeigen: Es geht letztendlich um einen Handel nach dem Motto „ich gebe Dir was, dafür will ich aber was anderes haben“. Das Abkommen als Solches ist nicht notwendig, da die Abschaffung aller Zölle ein große Problem mit sich bringt. Die positiven Beispiele, die ständig von TTIP-Befürwortern genannt werden, können auch ohne TTIP ganz einfach umgesetzt werden.

Wo ist das grundsätzliche Problem bei Freihandelsabkommen, und vor allem bei TTIP? Die Zölle fallen, komplett. Für liberale Freidenker ist das durchweg positiv, was auch argumentativ nachvollziehbar ist. Dadurch steigt das Handelsvolumen, was Logistikunternehmen und hocheffiziente Exporteure zu Gewinnern werden lässt. Aber was ist denn überhaupt der Grund für Zölle? Richtig, den heimischen Markt zumindest in einem gewissen Umfang zu schützen gegen ausländische Produktion, die auf einem deutlich tieferen Kostenniveau stattfindet.

Man kann einerseits argumentieren durch einen beispielsweise weltweit zollfreien Handel könnte man armen Ländern die Chance geben ihre Produkte auf dem europäischen oder amerikanischen Markt zu verkaufen – das würde z.B. für die Landwirtschaft gelten. Das würde aber den Verlust von Millionen heimischer Arbeitsplätze bedeuten – siehe auch die Textilindustrie in den letzten Jahrzehnten oder ganz aktuell die Stahlindustrie, wo die Chinesen unter Herstellungskosten massenweise Stahl auf den europäischen Markt werfen, und europäische Stahlhersteller kaputtgehen – die EU-Kommission als lahme Schnecke kommt nicht hinterher mit vernünftigen Schutzzöllen, die die Chinesen zwingen zu fairen marktgerechten Preisen anzubieten.

Man kann beispielsweise die globale Abschaffung von Zöllen befürworten, wenn man dabei in Kauf nimmt, dass in Europa Millionen Arbeitsplätze dauerhaft verlorengehen. Diese werden dann in Billiglohnländer verlagert und schaffen dort nach und nach eine neue Mittelschicht. Unter dem Gesichtspunkt wäre das eine gute Entwicklungshilfe – wenn man damit kein Problem hat bei uns Arbeitsplätze zu vernichten, ist diese Argumentation völlig in Ordnung! Die Abschaffung von Zöllen bringt zwangsläufig neben dem steigenden Handelsvolumen den Effekt mit sich, dass global agierende Konzerne aus Europa und den USA sich den jeweils günstigsten Produktionsstandort aussuchen und dort die Jobs schaffen.

Bisher war diese Vorgehensweise (in großem Stil) vielleicht nicht möglich, weil im Ausland produzierte Waren durch Importzölle auf dem heimischen Markt nicht konkurrenzfähig waren. Aber durch die flächendeckende Abschaffung von Zöllen wird zwangsläufig auch eine flächendeckende Abwärtsspirale in Gang gesetzt. In jeder Branche suchen sich alle Produzenten den günstigsten Standort aus – das ist eine marktwirtschaftliche Notwendigkeit – denn wenn der erste damit anfängt, müssen die anderen folgen um nicht unterzugehen. Bei einem TTIP-Abkommen ohne Zölle würden z.B. bei der vermeintlich effizienteren US-Landwirtschaft massenhaft billige Fleischimporte aus den USA den EU-Markt überfluten – nur so eine Vermutung…

US-Autohersteller Hersteller könnten z.B. in der Slowakei oder in Rumänien (was europäische Hersteller schon machen) zu extrem niedrigen Kosten Autos für den US-Markt herstellen und in die USA verschiffen lassen – damit könnte man die Autoarbeiter auf dem heimischen US-Markt unter Druck setzten: Akzeptiert niedrigere Löhne, oder wir verlagern noch mehr Jobs nach Rumänien. Und dieses Spielchen würde nur deswegen funktionieren, weil vorher durch ein Abkommen wie TTIP sämtliche Exportzölle weggefallen sind, auf beiden Seiten.

So dürfte sich in jeder einzelnen Branche ganz von selbst eine Abwärtsspirale in Gang setzen, durch die die jeweilige Branche auf beiden Seiten den jeweils günstigsten Produktionsstandort sucht. Dabei geht es nicht um Innovation oder Effizienzsteigerung, sondern schlicht und einfach nur um das Einsparen von Personalkosten, möglich gemacht durch entfallende Zölle, die dieses Gebaren bisher in einem bestimmten Umfang beschränkten.

Aber da gibt es ja die unzähligen Vorteile von TTIP, die von Befürwortern immer wieder aufgelistet werden. Neben den schon erwähnten Steigerungen im Handelsvolumen (was wohl auch stimmen wird), führt die Autoindustrie z.B. immer wieder das gern genommene Beispiel der Blinker an, für die man in der EU und den USA unterschiedliche Zulassungen benötigt – durch ein Freihandelsabkommen wie TTIP könnte man diese unsinnigen doppelten Zulassungen sparen. Das mag stimmen. Aber gäbe es nicht eine Möglichkeit auch ohne TTIP diese Vorteile zu generieren? Aber natürlich gibt es die. Hersteller von beiden Seiten des Atlantiks reichen einfach eine Wunschliste bei ihren Regierungen ein, welche Zulassungsregularien ihrer Meinung nach zwischen EU und USA „harmonisiert“ werden können. Dann basteln beide Seiten ein Wirtschaftsabkommen (TTIP light), wo man sich darauf beschränkt unsinnige doppelte Zulassungsverfahren abzuschaffen, und an ihrer Stelle ein gemeinsames einheitliches Verfahren zu etablieren.

Statt TTIP und der Abschaffung von Zöllen kann man sich also auch ganz gezielt auf die Abschaffung nerviger Einzelposten konzentrieren, und alle Seiten sind glücklich. Es ist marktwirtschaftlich nachvollziehbar, dass gerade große Konzerne sich TTIP wünschen. Durch die Abschaffung von Importzöllen (nicht nur bei TTIP) können sie sich völlig frei den günstigsten Produktionsstandort suchen – da ist es nur allzu verständlich, dass sie die Zölle wegfegen wollen – aber aus der Sicht von Arbeitnehmern in Hochlohnländern ergeben Zölle einen Sinn. Folglich kann ein völliges Einstampfen solcher Schutzmechanismen viel mehr kaputt machen als Positives bringen!

Aber halt, zum Schluss nochmal das grundlegende Argument vieler Wirtschaftsprofessoren und Lobbyisten: Durch Freihandel steige ja der weltweite Handel, dadurch werde endlich wieder auf globaler Ebene das Wirtschaftswachstum angeregt. Aber es gibt doch bereits nach und nach immer mehr globale Freihandelsabkommen und Freihandelszonen – warum kommt denn die Wirtschaft nicht jetzt schon in Schwung? Der Grund könnte schlicht und einfach darin liegen, dass die bisherigen Konsumenten in Industrienationen aufgrund ihrer eher rückläufigen bzw. stagnierenden Einkommen an Kaufkraft einbüßen und daher insgesamt gesehen weniger in der Lage sind zu konsumieren. Was nützt globaler Freihandel, wenn der Konsument weniger konsumiert als vorher? Wer seinen Arbeitsplatz verliert oder einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz erhält, kann logischerweise weniger konsumieren – da nützt auch noch so viel Freihandel nichts.



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4 Kommentare

  1. Das oben genannte Spiel mit der Produktion im Ausland haben wir doch schon lange, wo lässt Appel Produzieren wo ist der Sitz und wo wird versteuert? Billig produzieren und keine Steuern zahlen ist doch bekannt und wird überall praktiziert. Die Politkaste klatscht noch im Takt wie toll die Konzerne sind. Tipp ist noch der letzte Tropfen der fehlt, um mit Klagen noch mehr Profit zu machen und sich nichts mehr vorschreiben zu lassen. Bezahlen und blöde aus der Wäsche gucken wird der mit Geheimverhandlung hintergangene Steuerzahler sprich du und ich.

  2. TTIP muss man alleine schon deshalb ablehnen, weil es absolut undemokratisch ist. Das haben gerade die geleakten Dokumente wieder gezeigt. Wie kann man für ein Abkommen sein, bei dem man als Parlamentarier noch nicht mal genau weiß, was es alles umfasst.

    Wenn ich mir die Politiker (gerade die Altparteien) anschaue, bekomme ich das kalte Graußen. Da wettert man gegen eine aufstrebende Partei (ob man sie mag oder nicht, sei hier egal), da diese demokratiefeindlich sein soll, aber durch solche Abkommen zeigt man, wer wirklich gegen die Demokratie ist.

  3. Hier (http://www.misesde.org/?p=12666) wurde kürzlich sehr treffend und prägnant folgendes festgehalten:

    “Würde es tatsächlich um die Förderung des Freihandels – und nicht um die Beförderung und den Schutz der Interessen mächtiger Industrien mit besten Beziehungen zu den Machthabern – gehen, würde eine DIN-A5-Seite mit zwei Sätzen ausreichen:

    1. Alle Handelstarife und Zölle sind abgeschafft.
    2. Wer immer Handel treiben will, ist ohne jede Einschränkung dazu berechtigt, das über jedwede Grenzen hinweg in jedem beliebigen Umfang zu tun.

    Wozu also ein Tausende Seiten umfassendes Vertragswerk, das nicht den Interessen der Bürger, sondern ausschließlich denen der Herrschenden und deren Symbionten in der Großindustrie nutzt?”

  4. Helmut Josef Weber

    Wann und wo haben die USA ihre Vertragspartner denn nicht über den Tisch gezogen.
    Wenn die Amis sich mit einem Partner an den Tisch setzen um zu verhandeln, wissen sie von der NSA schon, was die Partner in ihren Vertragsentwürfen stehen haben.
    Warum Gabriel und Merkel Deutschland und Europa so dermaßen verraten, ist nur damit zu erklären, dass Gabriel schon einen vorgeheizten Sessel bei TTIP hat und Merkels Stasiakte (zusammen mit den Rosenstolzakten) in Washington liegt.
    Oder glaubt Jemand wirklich, dass man in der DDR ein Studium absolvieren konnte, ohne eine Stasiakte zu haben, oder das Gabriel sich weiter mit der SPD herumschlägt.

    Veiel Grüße
    H. J. Weber

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